Hat euer Beruf euren Umgang mit dem Tod verändert?
Die Frage richtet sich an alle, die beruflich regelmäßig mit dem Tod konfrontiert sind.
Inwiefern hat sich durch euren Beruf euere Wahrnehmung vom Tod, bzw. euer Umgang mit dem Tod verändert?
11 Stimmen
5 Antworten
Beruflich habe ich glücklicherweise weniger mit dem Tod zu tun, im Ehrenamt aber leider mit einer gewissen Regelmäßigkeit.
Ich sage mal so... seine erste Leiche vergisst man nicht. Danach tritt dann eine gewisse Gewöhnung, Abstumpfung oder eben eine professionelle Distanz ein und man entwickelt Techniken, mit solchen Situationen umzugehen usw.
Mir ist durch die Einsätze mit der Feuerwehr aber bewusst geworden, wie schnell alles vorbei sein kann. Vor allem als junger Mensch, der mit 18 Jahren in den Feuerwehrdienst eintritt, macht man sich ja normalerweise eher weniger Gedanken um Krankheit, Unfälle, Tod usw.
Wenn man zu einem Verkehrsunfall gerufen wird und das halbe Auto mit Lebensmitteleinkäufen gefüllt ist oder wenn man durch eine ausgebrannte Wohnung geht, in der die halb volle Kaffeetasse und dass halb gegessene Brot noch auf dem Frühstückstisch stehen bzw. liegen dann wird einem sehr schnell sehr deutlich, wie schnell sich Dinge ändern können. Dass diese Menschen auch alle Pläne für die nächsten Minuten, Stunden, Tage, Wochen usw. hatten und entweder von jetzt auf gleich aus dem Leben gerissen wurden oder aber, dass sich deren Leben z.B. nach einem Brand, einem Unfall o.ä. gerade in Sekundenschnelle komplett verändert hat. Das stimmt definitiv nachdenklich und das fließt zwangsweise auch in das eigene Leben bzw. Verhalten mit ein.
Außerdem kann ich von mir persönlich sagen, dass mich das alles ruhiger, ausgeglichener hat werden lassen. Es gibt so viele Dinge im Alltag, über die man sich ärgert, aufregt usw. - und ich sehe dann oft Menschen aus den Einsätzen vor mir, denen es wirklich schlecht geht oder ging und denke mir: "Rege Dich nicht auf, es könnte alles viel schlimmer kommen. Sei froh, dass es Dir so gut geht".
Im Beruf/Studium hab ich nichts mit der Thematik zu tun, aber im Ehrenamt leider viel zu häufig.
Als ich mit Anfang 18 in der Bergrettung angefangen habe, hatte ich in meinem allerersten Einsatz einen tödlich verünglückten Familienvater, der über eine Felswand abgestürtzt ist. Dementsprechend hat er auch ausgesehen. Ich hab fast auf die Leiche gekotzt. Eine sinnvolle Hilfe war ich bei der Bergung dannach definitiv nicht.
In dem Moment ist eine Welt für mich zusammengestürtzt. Natürlich wusste ich, dass Menschen am Berg sterben und, dass ich irgendwann damit in Kontakt damit kommen würde. Aber ein Teil von mir war bis zu diesem Zeitpunkt immer noch von der tiefsten Überzeugung und voller Vertrauen, dass es immer alles gut ausgehen wird. Mein erster Einsatz hat dieses positive Vertrauen komplett von einem Moment auf den anderen zerstört.
Mittlerweile habe ich gelernt damit klar zu kommen, dass man nicht jeden retten kann. Mir hilft es sehr daran zu denken, dass man eigentlich eh nichts schlimmer machen kann. Die Person ist schon in der Situation und stirbt so und anders. Und es ist dann auch nicht meine Schuld. Hinterfragen, ob der Mensch noch leben würde, wenn ich den San Rucksack 1s schneller geöffnet hätte, bringt dem Patienten, den Angegörigen und auch mir gar nichts. Man sollte immer sein bestes geben und vielleicht auch ein Leben retten. Wenn nicht hat man es zumindest versucht. Bei gewissen Einsatzstichworten (Lawine oder Suche von suizidgefährderten Person) gehe ich nicht in der Erwartung hin, Leben zu retten, sondern eher, um den Angehörigen Gewissheit und die Möglichkeit auf eine Beerdigung zu geben. Ich bin dankbar für jeden Lebenden Menschen, dem wir helfen können, denn das Leben ist in allen Altersklassen alles andere als selbstverständlich.
Deswegen habe ich eine Patientenverfügung gemacht und bemühe mich mein Leben bewusst zu geniesen.
Ohne meinen Beruf hätte ich mir sicher nicht mit 19 schon ausgiebig Gedanken darüber gemacht, dass ich sterblich bin, auf welche Arten man alles sterben kann, wie ich auf keinen Fall sterben wollen würde, was eigentlich ein ganz schöner Tod ist... Über sowas denkt man als junger Erwachsener normalerweise nicht nach.
Und natürlich revidieren sich so einige Ideen, die man aus Film & Fernsehen oder aus irgendwelchen Stories hat und mangels eigener Erfahrung glaubt. Wer es noch nie selbst gesehen hat, mag ja durchaus glauben, dass jemand mit Kreislaufstillstand noch völlig normal aussieht, dass man ihm ein paarmal die Brust streichelt und ihn einmal defibrilliert und dann steht er wieder auf und ist fit... Die Realität ist anders.
Auch das Verhältnis gegenüber der Idee, die Medizin müsse alles menschenmögliche machen, verändert sich. Man hat mehrfach Menschen gesehen, die im Pflegeheim vor sich hin starren und dreimal täglich werden die Windeln gewechselt... das ist oft das Leben, das gerettet wurde. Hat man da was gerettet, war das sinnvoll, oder wäre es gnädiger gewesen den Menschen sterben zu lassen?
Ich hatte schon früher eine sehr „natürliche“/pragmatische Einstellung zum Thema Tod.
Aufgrund meines Berufes als Polizist (29. Dienstjahr), sind Todesfälle Bestandteil meiner Arbeit. Früher zum Grossteil in Form von Suiziden, seit >17 Jahren geht es idR um Tötungsdelikte. Dies deshalb, weil Pädokriminalität & oK Bestandteil meines/unseres Fachgebietes sind. Da ich selbst dem Tod schon sehr nah war („Berufsunfall“), habe ich absolut keine Berührungsängste oder anderweitige Probleme mit dieser Thematik. Das „Unschöne“/Schwierige daran, sind das Überbringen von Hiobsbotschaften (Todesnachrichten) und/oder die Gespräche mit den Angehörigen (vorallem, wenn es um Opfer im Kindesalter geht).
Es war mein Job als Ingenieur, Todesfälle zu verhindern. Die Konfrontation mit dem Tod war dabei viel zu abstrakt, als dass es mich tangiert hätte.