Auf diese lange Fragestellung kann ich nur mit einer langen Antwort angemessen reagieren. Ich hoffe, dass alle meine Punkte verständlich werden und ich keine Frage übergangen habe. Wenn das nicht so ist, bitte einfach nachfragen.
Menschen, die sich als das andere Geschlecht identifizieren bzw. Transvestiten.
Man muss zwischen Transvestitismus und Trans* bzw. Transgender/Transidentität unterscheiden:
- "Transvestitismus (...) bezeichnet das bewusste Tragen von Kleidung und Accessoires, die gemeinhin als stereotypisch gelten für die Geschlechterrolle des anderen Geschlechts" https://de.m.wikipedia.org/wiki/Transvestitismus
- "Transgender/Trans*-Menschen bezeichnet Menschen, deren äußerliche Geschlechtsmerkmale (und damit das bei der Geburt zugewiesene Geschlecht) nicht mit ihrem gefühlten Geschlecht, dem sogenannten Identitätsgeschlecht, übereinstimmen" https://gendertreff.de/definition/
Wieso ist es gesellschaftlich bzw. Staatlich angesehen, dass ein Mann sich als Frau umidentifiziert oder eben anders herum?
Seit 1975 wird Transidentität oder eine Variation davon von der WHO in ihrer internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD) als Krankheit anerkannt. Bis vor kurzem hieß es noch "Transsexualität"/"Transsexualismus", nun ist "Geschlechtsinkongruenz" nicht mehr per se als Krankheit zu verstehen, kann aber immernoch ein behandlungsbedürftiges Ausmaß annehmen. Hier ein Artikel der Bundeszentrale für politische Bildung zu diesem Thema.
Daher hat das Bundesverfassungsgericht schon 1978 festgestellt:
- "Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG gebietet es, die Eintragung des männlichen Geschlechts eines Transsexuellen im Geburtenbuch jedenfalls dann zu berichtigen, wenn es sich nach den medizinischen Erkenntnissen um einen irreversiblen Fall von Transsexualismus handelt und eine geschlechtsanpassende Operation durchgeführt worden ist" https://www.servat.unibe.ch/dfr/bv049286.html
Seit 1980 gibt es das Transsexuellengesetz, das durch Gerichtsurteile seitdem so abgeändert worden ist, dass man für die Änderung des amtlichen Geschlechtseintrags nun nur noch zwei Gutachten braucht und keine Operation. Die Ampel-Parteien sehen dabei aber immernoch Diskriminierung, weshalb sie es mit einem Selbstbestimmungsgesetz ersetzen wollen. Hier ein Artikel der Tagesschau zu diesem Thema.
Männer sind aber biologisch und faktisch ja trotzdem Männer.
Wie Akaitori bereits angemerkt hat, fehlt im Deutschen oft die Unterscheidung zwischen dem biologischen Geschlecht (sex) und dem Identitätsgeschlecht bzw. sozialen Geschlecht (gender). Trans*Personen wollen nicht behaupten, sie seien biologisch bspw. Männer. Sie empfinden sich lediglich als Männer und leben das entsprechend aus.
Grundlage für das Empfinden von Trans*Personen ist häufig die sog. Geschlechtsdysphorie.
- "Geschlechtsdysphorie [bedeutet], dass eine Person immensen Stress empfindet, weil ihre angeborene Geschlechtsidentität nicht mit dem Geschlecht übereinstimmt, das ihr bei der Geburt zugewiesen wurde" https://echte-vielfalt.de/lebensbereiche/lsbtiq/was-ist-geschlechtsdysphorie/
Dieser Leidensdruck lässt sich in körperliche, soziale und emotionale Dysphorie unterteilen, welche alle in dem verlinkten Artikel erläutert werden.
Trans*Personen haben ein mehr als fünffach erhöhtes Suizidrisiko und geschlechtsangleichende Operationen und Hormone sowie das Nutzen der gewünschten Anreden und Pronomen (auch bei amtlichen Mitteilungen - daher die Änderung des amtlichen Eintrags) können das Suizidrisiko erheblich verringern. Auch fehlende oder vorhandene Diskriminierung ist natürlich ein sehr relevanter Faktor. Studien dazu unten.
Das Ziel von Trans*Personen ist es also nicht, so zu tun, als würden sie einem anderen Geschlecht angehören. Sie wollen lediglich ihren Leidensdruck verringern.
Es ergibt doch Sinn dass Männersport und Frauensport getrennt wird, wieso kann diese wichtige und richtige Trennung umgangen werden, weil sich ein Mann wie eine Frau fühlt?
Die Frage, ob Transfrauen an Sportwettkämpfen für Frauen teilnehmen dürfen, ist sehr kompliziert. Manche Transfrauen haben sehr früh mit einer Hormontherapie angefangen und daher die männliche Pubertät fast gar nicht erlebt, manche haben erst im Erwachsenenalter mit der Transition begonnen. Das Olympische Komitee hat als Kompromisslösung einen Testosteron-Grenzwert für Transfrauen eingeführt, doch auch das ist nicht unumstritten. Was die richtige Lösung ist, kann ich persönlich nicht sagen. Aber egal worauf es hinausläuft: Sportliche Regelungen sollten nicht als Grund genutzt werden, Trans*Personen generell zu diskriminieren. Hier ein Artikel der Neuen Zürcher Zeitung zu diesem Thema.
Wenn ich sowas lese wie, dass ein Sexualstraftäter, welcher Frauen vergewaltigt hat, sich aber als Frau identifiziert, ins Frauengefängnis kommt und da dann seine Zellenbewohnerin vergewaltigt
Solche Fälle sind, soweit ich weiß, bisher nur außerhalb von Deutschland aufgetreten. Bei einem Fall in Großbritannien wurde es als Fehler anerkannt, die Person überhaupt in ein Frauengefängnis zu bringen. Es wird also im Einzelfall überprüft, in welches Gefängnis so eine Person kommen sollte - Fehler sind dabei leider nicht auszuschließen.
- "Das Justizministerium entschuldigte sich nun für die Entscheidung, White in ein Frauengefängnis zu bringen. Man habe dabei die Vergangenheit der Gefangenen nicht genügend berücksichtigt. Laut eigener Bekundung befindet sich White derzeit im Prozess einer biologischen Geschlechtsangleichung von einem Mann zu einer Frau." (Artikel des Spiegel)
Wie kann es also sein, dass LGBTQ+ nicht als gefährlich eingestuft wird sondern sogar unterstützt wird, und die Flagge überall polarisiert und es ein ABSOLUTES NOGO ist etwas schlechtes über das Movement oder Transvestiten (explizit im Sport oder in Gefängnissen) zu verlieren???
Wie in so gut wie jeder Gruppierung gibt es bei LGBTQ+ Vertreter, die positiv auffallen, und Vertreter, die negativ auffallen. Da LGBTQ+ keine feste Organisation ist, sondern alle mit einschließt, die sich mit einer der Abkürzungen identifizieren können, kann man hier noch schwerer auf einen gemeinsamen Konsens kommen als bspw. in politischen Organisationen.
Viele befürworten respektvolle Diskussionen, da so am besten Informationen ausgetauscht werden können. Leider gibt es auf beiden Seiten (pro und anti LGBTQ+) Personen, die dazu nicht bereit sind. Da diese dann mit ihrem Konflikt sehr auffällig sind, kann der Eindruck entstehen, sie würden die allgemeinen Ansichten und Methoden ihrer jeweiligen Seite darstellen.
Hier noch die erwähnten Studien zum Leidensdruck von Trans*Personen mit passend zitierten Abschnitten:
- Transgender adolescents were 5.87 times more likely (...) than heterosexual peers to attempt suicide. https://mobile.reuters.com/article/amp/idUSKCN1MI1SL
- Choosing one’s own name has positive effects on a trans person’s mental health. The study showed that “having even one context in which a chosen name could be used was associated with a 29% decrease in suicidal thoughts” (Russell, et al, 2018). https://www.suicideinfo.ca/resource/transgender-people-suicide/
- Transgender and nonbinary youth who reported having pronouns respected by all or most people in their lives attempted suicide at half the rate of those who did not have their pronouns respected https://www.thetrevorproject.org/survey-2020/
- Notably, the study found that among young trans and nonbinary people under 18, receiving GAHT [geschlechtsangleichende Hormontherapie] was associated with nearly 40% lower odds of having had a suicide attempt in the past year. https://time.com/6128131/gender-affirming-hormone-therapy-study/
- Sowohl ERI als auch ETLI zeigten bei den befragten Trans-Frauen eine deutliche Verbesserung (...) nach der Operation. „Der Globalscore verbesserte sich um insgesamt 47 Prozent von 1,53 auf 2,25 von maxmial 3 Punkten" https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/81767/Transsexuelle-Genitalangleichende-Operation-verbessert-die-Lebensqualitaet
- 67% of transitioning people thought more about suicide before transitioning whereas only 3% thought about suicide more after their transition (Bailey et al., 2014). https://www.suicideinfo.ca/resource/transgender-people-suicide/
- Eine Umfrage unter 46 Chirurgen, die (...) insgesamt 22.725 transgender Patienten behandelt hatten (...). Insgesamt hätten sich 62 der Patienten (rund 0,27 %) wegen Reue an ihre ehemaligen Chirurgen gewendet. https://de.m.wikipedia.org/wiki/Detransition
- Respondents who experienced discrimination or were a victim of violence were more likely to report suicide thoughts and attempts. https://williamsinstitute.law.ucla.edu/publications/suicidality-transgender-adults/