Das ein Wirtschaftsingenieur kein ganzer Wirtschaftler und kein ganzer Ingenieur ist, ist zwar richtig aber deshalb nicht unbedingt schlecht. Denn er stellt das Bindeglied zwischen dem technischen und kaufmännischen Bereich im Unternehmen dar. Sehr sehr viele Unternehmen suchen und benötigen fähige Wirtschaftsingenieure. Mag sein, dass der Wirtschaftsingenieur kein 100% Techniker ist und auch kaum in der Forschung eingesetzt wird, aber dafür hat er einen gewissen technischen Background bei allen finanziellen Angelegenheiten. Er wird im Vertrieb und bei Vertragsverhandlungen eingesetzt weil er in einem Gespräch mit dem Kunden nicht erst die technische Abteilung um Rat fragen muss, weil er keine technische Ahnung hat.
Ich selbst bin "richtiger" Ingenieur und ich kann nur sagen, dass gute Wirtschatsingenieure gesucht werden. Mein Cousang hat den Bachelor in Wirtschaftsingenieurwesen gemacht und arbeitet jetzt im Vertrieb eines Unternehmens mit 9.000 Angestellten und verdiente zu Beginn 46.000€ brutto. Und das ist weit entfernt von einem schlechten Einstiegsgehalt und weit entfernt von dem was ein Freund KFZ-Meister (34.000€ nach 3 Jahren) verdient.
Also abraten kann mein ihm nicht von seiner Idee, weil er in eine Kerbe hineinstufiert, welche nun mal von Unternehmen gefüllt werden will. Wir "richtigen" Ingenieure machen uns zwar oft über die Wirtschaftsingenieure lustig, aber ich muss zugeben, dass sie ziemlich oft auch an der Karrierleiter an manchen von uns vorbeiziehen. Also wenn er sowohl Interesse an Technik und BWL hat, ist es genau das richtige für ihn. Wenn er allerdings großes Interesse an Technik hat, dann kann er auch den "richtigen" Ingenieur machen und Aufbauseminare/Fortbildungen später in Wirtschaft belegen. Unser Prof sagte immer "Man kann einem Ingenieur später leicht WIrtschaft beibringen, aber kaum einem Wirtschaftler Technik erklären"
Und das der Bachelor ein Schmalspurakademiker ist, stimmt so auch nicht. Ja er ist kürzer als das Diplom, allerdings auch deutlich konzentrierter und vollgepackter. An meiner Hochschule gibt es seit 13 Jahren kein Diblom mehr. Allerdings habe ich die alten Studienverlaufspläne vom Diplom gesehen und mit meinem Bachelor verglichen und die waren fast identlisch, bis auf die Tatsache, dass im Diplom nur 4-6 Klausuren im Semester vorgesehen waren und ich im Bachelor oft 9-12 Klausuren in einem Semester schreiben musste. Das ist auch was alle Bachelorstudenten bemängeln, dass der Bachelor so straff ist und man kaum Zeit hat mal nach rechts und links zu gucken sondern quasi durchs Studium gejagt wird und dann auch noch 5 Monate PRaxisphase, Projekte, Abschlussarbeit etc. Alles in 3,5 Jahren. Wenn das deinem Sohn nicht reicht, dann kann er ja auch noch den Master machen, so wie ich. Dann kommt er auf die gleiche Zeit, die das Diplom gedauert hätte.
Das EInstiegsgehalt unterscheidet sich allerdings nicht extrem. Bacheloringenieur im Schnitt zu Beginn 43.000€ und Master 45.000€. Dabei muss man aber auch bedenken, dass man 1,5 Jahre länger studiert und in der Zeit keine 67,500€ verdient hat. Das Geld muss man erst mal durch das Mehrgehalt vom Master wieder reinholen.
Für den Master sprechen allerdings die besseren Einstiegschancen und Aufstiegschancen im Vergleich zum Bachelor.
Also die Wahl deines Sohnes den Wirtschaftsingenieur zu machen, ist eine gute und vor allem zukunftssichere Entscheidung, sofern er daran wirklich Interesse hat und sich später im klaren ist, dass sein Job mehr in einem Büro und im Anzug stattfinden wird als im Betrieb oder der Forschung. Ansonsten den "normalen" Ingenieur machen und hat später weiterbilden.
Wobei es den "richtigen" Ingenieur eh nicht gibt. Wir haben alle nur Halbwissen. Ist ja auch unmöglich alles im Studium zu lernen. Im Studium lernt man nur das Lernen und die Methoden. Keiner weiss in welchem Bereich er später arbeiten wird und den richtigen Job lernt man eh erst wenn man angefangen hat zu lernen.
Ich bin Ingenieur für Verfahrenstechnik und ich wusste nach dem Studium genau weniger als 1 % aber ich habe gelernt mich einzuarbeiten, zu lernen und Probleme zu lösen. Wer weiss schon, ob er später in einem Zementwerk oder einer Schokoladenfabrik arbeiten wird. Erst im Job beginnt das richtige Lernen. Da nützt auch nicht die gelernte Fähigkeit Differenzialgleichungen zu lösen, wenn man zu Beginn im Unternehmen nicht mal weiss voraus denn überhaupt Schokolade gemacht wird :-D
Also Halbwissen oder Virtelwissen bei Ingenieuren oder Wirtschaftsingenieuren ist völliger Blödsinn, denn sobald das Studium aus ist, haben wir alle keine Ahnung was uns erwartet und jeder startet so ziemlich bei null.