Ich weiss, die Frage ist schon ewig her aber ich antworte trotzdem. Ist mir egal. Ich finde die Frage einfach interessant. Und die Fragen und ihre Antworten sind ja immernoch auffindbar.
Also ich denke, dass der Mensch keineswegs frei ist. Das ist ein riesengroßer Haufen Scheiße, dies zu denken.
Nur Menschen, die dieses System in dem wir leben, als das einzig mögliche betrachten und es voll integriert und akzeptiert haben, können mMn eigentlich die einzigen sein, die ernsthaft glauben und behaupten wir wären frei. (Mit "System" meine ich die Gesellschaft in der wir leben, z.B. mit ihrem Geld-System, das ja einen Mangel kreiert. Und was eben alles so dazu gehört, um einen kleinen Teil zu nennen: Arbeit, Verhaltens-NORMEN dieser Gesellschaft, das Bildungssystem, usw. usf..)
Es wird einfach vorausgesetzt, dass jeder mit dieser Gesellschaft klar kommen muss. Dass es Menschen gibt, die womöglich sogar darunter leiden, wie unsere Gesellschaft aufgebaut ist, das wird einfach gar nicht in Betracht gezogen. Friss oder stirb.
In dieser Gesellschaft ist nur Geld = Freiheit! Die Superreichen sind die einzigen die wahrhaftig frei sind innerhalb dieses Konstrukts. Mit Geld erkaufst Du Dir Lebenszeit und Lebensqualität. Je mehr Geld, desto mehr hast Du von beidem. Je weniger, desto mehr musst Du Dich abmühen und dabei rum kommt kaum was. Dass wir alle dieselben Chancen hätten, ist mMn eine Lüge.
Es ist hier vielleicht einfacher, als in anderen Ländern der Erde. Aber auch in der westl. Welt ist es nicht einfach von Nichts zu etwas zu kommen. Denn das kann nur unter optimalen Bedingungen passieren. U.a. dass Du schon sehr früh weisst wer Du bist und welche Ziele Du hast. Aber wer weiss das schon im Alter eines Grundschulkindes? (Denn bereits ab Ende der 4.Klasse könnten die Weichen falsch gestellt sein.)
Selbst im Alter von 16 bis 25 vielleicht sogar mit 30 wissen es viele noch nicht. Und gehörst Du zu den wenigen die schon sehr früh bestimmte Dinge erkannt haben, dann musst Du, wenn Dir nicht alles zufliegt, dir alles hart erarbeiten, was die Reichen sich oftmals erkaufen, indem sie grosszügig spenden. Ausserdem gehören noch so viele andere Faktoren zu diesen optimalen Bedingungen. Wohlwollende Menschen. So eine Art Mentor, dem Du vertraust und der Dich kennt, an Dich heran kommt. So eine Art Mensch braucht ein junger Mensch möglicherweise öfter in seinem unerfahrenen Leben. Und nicht erst ab Studium. Lehrer könnten sowas sein. Aber bei 25 bis 30 Kindern in der Klasse? Wie sollen sie da jeden auffangen? Auch mit zusätzlichem Vertrauenslehrer ist das nicht zu schaffen.
Auch fühle ich mich gefangen in diesen gesellschaftlichen Verhaltens-Normen. Um das kurz mit einem kleinen Beispiel zu veranschaulichen. Ich kenne einen schwerstbehinderten Mann, der fängt auf der Straße zu tanzen an und zu machen worauf er Lust hat. Mit diesem Mann gehe ich des öfteren spazieren. Und wenn er dann anfängt mitten auf dem Bürgersteig zu tanzen, dann beobachte ich oft, wie die Passanten kurz irritiert (manchmal auch mit leichter Verunsicherung oder eben auch Häme) innehalten, um dann (fast erleichtert) festzustellen, dass dieser Mann ja krank ist. Und in dem Moment, wo sie bemerken, dass er krank ist, erst da kommt dann meistens ein verständnisvolles, manchmal mitfühlendes Lächeln. Und das finde ich persönlich sehr schade.
Denn warum können nicht auch gesunde Menschen einfach ihre Freude oder was auch immer so zum Ausdruck bringen, indem sie auf der Straße tanzen? Wieso kann sich nicht jeder so verhalten in der Öffentlichkeit wie er mag, so lange er dabei keinem auf den Schlips tritt? Aber nein, man muss heute krank sein, um als Erwachsener seinen inneren Gefühlen Ausdruck geben zu können.
Das ist doch traurig, dass es anscheinend niemanden gibt, der innerlich so viel Freude empfindet, dass er einfach nur jemanden bei den Händen fassen und tanzen möchte oder auch vor Wut mal laut brüllen? Ich finde, die Menschen sind so abgeschnitten voneinander und jeder versucht nur seine Illusion nach Aussen aufrecht zu erhalten, es wäre alles perfekt. Bei NIEMANDEM ist alles perfekt. Trotzdem fühle ich mich dazu gezwungen dabei mitzumachen..dieses ewige Trugbild: "Nein neiiiin....hier gibt's nichts zu sehen..alles perfekt. Ich funktioniiiiere...bitte weitergehen!!! Bloss nicht genauer hinsehen." Das schlimme ist, dass ich vermute, dass die meisten Menschen das sogar für normal halten und gar nicht kapieren in welchem Hamsterrad sie stecken.
Ich jedenfalls kenne im Verwandten- und Bekanntenkreis viele solcher Menschen. Ich wohne in einer Mietwohnung. Auch da bekommt man so einiges mit bei den Nachbarn. Spätabends und am nächsten Tag sieht man sie im Flur als wäre nichts gewesen, mit einem gekünstelten, möglichst unauffälligen Lächeln auf den Lippen.