Also die Ursache liegt vor allem im englischen Einfluß bzw. später englischen Herrschaft über die ganze Insel bis zur Unabhängigkeit. Seit dem 16. Jahrhundert hat England sich Irland Stück um Stück unterworfen, bis es ab 1801 ganz im Vereinigten Königreich Großbritannien und Irland aufging. Die Engländer haben alles daran gesetzt, das Englische zu verbreiten. In der Schule wurde nur Englisch benutzt.
Die Armut und vor allem die Hungersnot von 1845 bis 1849 ließ bei den Iren den Eindruck entstehen, daß man nur mit Englisch weiterkommen oder sogar überleben kann. So galt Irisch als Zeichen von Rückständigkeit und Armut. So haben die Eltern ab rund 1850 fast nur noch Englisch mit ihren Kindern gesprochen, um ihnen einen (angeblich) leichteren Einstieg ins Leben und in Nordamerika oder England, wohin sie womöglich auswandern müssen, zu geben.
So kam es, daß das Irische vor allem ab 1850 rasend schnell an Boden verlor, nachdem es bis dahin langsam aber sicher schon an Boden verloren hatte. Es gab viele Landstriche, wo unter den Erwachsenen noch die Mehrheit Irisch sprach, aber kaum noch Kinder. Nur in einigen abgelegenen Landbezirken, der heute noch bestehnden Gaeltacht, hat diese Entwicklung nicht oder kaum stattgefunden, weil man durch fehlende Verbindungen nach außen wenig mit dem Englischen in Berührung kam.
Die Gälische Liga hat ab Ende des 19. Jahrhunderts die Entwicklung mit Sorge betrachtet und sich dafür eingesetzt, um das schlechte Ansehen der Sprache wieder zu verbessern und die Sprache am Leben zu erhalten. Das ist ihr zum Teil durchaus auf lange Sicht gelungen. Die Gälische Liga hat es durchgesetzt, daß alle Iren in der Schule Irisch als Fach haben. Leider hat das Irische, vor allem als Muttersprache, in den meisten Landesteilen so stark an Boden verloren, daß viele sich schon mit dem Englischen als gewöhnliche Alltagssprache abgefunden haben und das Irische in der Schule als etwas empfinden, was wenig mit ihrem täglichen Leben zu tun hat.
Dennoch würde ich nicht sagen, daß die Lage heute hoffnungslos ist. Es ist der Gälischen Liga durchaus gelungen, das Ansehen der Sprache wieder zu verbessern. Das Irische gut zu beherrschen gilt vor allem in gebildeten Schichten als Zeichen guter Bildung. Es gibt ein paar Irischschulen für Jugendliche zum Eintauchen in die Sprache mit fast 100-jähriger Tradition. Der Irischunterricht in der Schule sorgt dafür, daß es einige Schüler bis zur fließenden Beherrschung bringen.
Sehr hoffnungsvoll stimmt mich aber folgendes: Seit etwa 15 Jahren gibt es immer mehr irischsprachige Schulen im ganzen Land. Ich habe es selbst erlebt, wie sich (ehemalige) Schüler von solchen Schulen untereinander ganz selbstverständlich auf Irisch unterhalten. Vor allem in den Städten Galway, Dublin und Belfast gibt es Sprachaktivisten, die die Sprache bewußt pflegen und manche von ihnen sprechen es auch mit ihren Kindern.
Unter den Städten ist Galway die Stadt, wo das Irische noch am meisten verbreitet ist. Man sieht immer wieder irisch- oder zweisprachige Schilder auf Pubs und Geschäften. Ich habe es sogar schon auf der Straße in Galway gehört. Eine Rolle spielt dabei, daß Galway an die Conamara-Gaeltacht grenzt. Das führt dazu, daß ein höhere Anteil von Schülern das Irische auch außerhalb der Schule anwendet als in anderen Städten. Es gibt hier auch mehr als eine irischsprachige Schule. Wenn man in Galway Leute einfach auf Irisch anspricht, wird man viel öfter als in anderen Städten auch eine Antwort oder Gegenfrage auf Irisch erhalten. Immer wieder habe ich in Galway ein paar Sätze auf Irisch mit dem Gegenüber wechseln können. Das war im Internetcafe, in Geschäften, in einer Bäckerei und in Pubs. In einem Pub, wo die meisten Bediener fließend Irisch sprechen, bin ich während meiner Ferien Stammgast.
Das Irische wird bestimmt nicht aussterben. Es gibt einige Sprachen in Europa, um die es viel schlechter steht. Sorgen macht man sich um die Gaeltacht-Gebiete, weil das Englische als Alltagssprache in den letzten Jahren immer mehr Einzug gehalten hat. Das ist auch nicht verwunderlich, wenn eine Sprachminderheit ständig mit einer Weltsprache wie Englisch in Berührung kommt. Es ist ein Wunder, daß sich überhaupt noch Gaeltacht-Gebiete bis heute gehalten haben. Hilfreich wären hier ähnliche Ansätze wie in Katalonien, wo es Bestrebungen zur Einsprachigkeit im öffentlichen Leben gibt.
Ich selber kann übrigens etwas Irisch sprechen, weshalb ich über eigene Erfahrungen berichten kann.