Zwei Fragen zu Adam Smith?
Ich lerne gerade für einen Test, und bin mir in diesen Punkten nicht mehr sicher. Ich habe es wie folgt verstanden:
Adam Smith hat zwei bedeutende Werke geschrieben, einmal "Theorie der ethischen Gefühle" und zum anderen "Wohlstand der Nationen". Im ersten geht es im Wesentlichen um die Sympathie als eine jedem Menschen angeborene Fähigkeit, mit der er richtig und falsch unterscheiden kann. "Wohlstand der Nationen" dagegen beschreibt jeden Menschen als einen sogenannten Nutzenmaximierer, also jemanden, der versucht, bestmöglich seine persönlichen Präferenzen zu befriedigen und dabei auch der Allgemeinheit hilft (unsichtbare Hand).
Das eigentliche Problem ist jetzt, wie die beiden Theorien miteinander zu vereinbaren sind, da Egoismus und die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen, erst einmal sich zu widersprechen scheinen. Dieses Problem lässt sich dadurch lösen, das man die Sympathie, anders als die Nutzenmaximierung, nicht als Grund für Handlungen sieht, sondern lediglich als Bewertung dessen, was geschehen ist, ob das gut oder böse war. Ist das in soweit richtig?
So, und noch eine zweite Frage: Auf meinem Arbeitsblatt steht unter anderem auch folgendes: "Er (also Adam Smith) betrachtete die Wirtschaft vor allem aus der Sicht des Konsumenten und beobachtete deshalb Fabrikanten und Kaufleute mit großer Skepsis. Er sah in ihnen zuweilen "Verschwörer", die die Preise hochtreiben und die Löhne niedrig halten." Nun frage ich mich, ob das nicht im Gegensatz zur unsichtbaren Hand steht, da diese ja die Preise möglichst niedrig hält?
1 Antwort
Wenn das, was ich bei Dir lese, die aus einem Schulbuch fließende Erkenntnis ist, dann wäre es besser, solche blöden Schulbücher wären nie gedruckt worden, weil so ziemlich alles entstellt ist. Adam Smith war eng mit David Hume befreundet, zwei wichtige Figuren der englischen Aufklärung. Die englische Aufklärung, das hat man in Deutschland noch nicht so wahrgenommen, war die einzige, die politisch einen Demokratisierungsprozess geschafft hat. In Deutschland ist sie im Idealismus und intellektueller Selbstüberschätzung (Hegel, Schopenhauer, Fichte) untergegangen. In Frankreich ist sie im moralisch aufgeheizten Chaos untergegangen und nach Selbstzerstörung vom Kaiser Napoleon übernommen worden. Hume und Smith waren noch mit den franz. Enzyklopädisten befreundet und mit Thomas Jefferson, einem Gründungsvater der USA. Sie lebten VOR der französischen Revolution.
Zu dieser Zeit herrschte noch der Feudalismus, der nur in England langsam zurückgedrängt wurde. Nutzenmaximierung ist eine viel spätere ökonomisch Theorie. Das Buch von Smith hieß "Wohlstand der Nationen" und nicht "Maximaler Wohlstand der besten Egoisten." Die Aufklärer dieser Zeit waren in gewisser Weise Idealisten, indem sie - wie übrigens Kant in seinem kategorischen Imperativ - davon ausgingen, dass die antike Erkenntnis, dass Menschen gesellschaftliche Wesen sind, ihren gesunden Egoismus nie übersehen lässt, dass niemand allein gegen alle glücklich werden kann. In dieser Einsicht liegt die Brücke zwischen beiden Büchern von Smith. Bei den Märkten, die Smith vorschweben, geht es um FAIREN Handel, und da Menschen keine Heiligen sind, ist es eine Grundaufgabe eines demokratischen Staates, fairen Handel zu gewährleisten. Den gab es zu Smith Zeiten noch nicht und er war eine Utopie, keine Realität. Nur im fairen Handel und Wettbewerb findet ein ausgleichender Austausch der Wünsche und Möglichkeiten statt.
Die Schrift von Smith wie die Schriften seines Freundes Hume sind vor allem Propagandaschriften für mehr Demokratie und weniger Despotie von Adel und Kirche. Die Vorstellungen von Smith gehen von freien Bürgern aus, sowohl als Konsumenten wie als Anbieter. Er wendet sich gegen die feudalistische Wirtschaftsform des Merkantilismus. Der hat in Frankreich zu extremer Armut der einfachen Menschen geführt und exzessivem Reichtum des Adels. Bei Smith können noch keine marxchen Analysen zu finden sein, da es zu seiner Zeit einen Kapitalismus noch nicht gab. Die Industrialisierung nahm erst in der durch die Aufklärung freigesetzten Wissenschaft und ihre Anwendungen ihren Anfang. Im Gegenteil: Smith stellt gegen die Vertreter des Merkantilismus fest, dass die Arbeit der Menschen, auch der einfachen Menschen, Werte schafft. Auf seine Werttheorie stützt sich später Marx. Wie es aussieht hat Marx den Smith besser gekannt als unsere heutigen Schulbuchautoren.
Was Smith da schreibt ist eine neutrale Beschreibung menschlichen Verhaltens in der Arbeitsteilung seit deren Beginn. Arbeitsteilung, dass jeder das als Grundlage seines Lebensunterhalts macht, was er am besten kann, ist der reinen Eigenversorgung weit überlegen und hat sich schon in der Steinzeit in einfachen Formen durchgesetzt. Da Arbeitsteilung auf Austausch der Produkte von mehr und mehr Spezialisierten besteht, aber alle leben, d.h. ihre Produkte auch an Kunden verkaufen wollen, fragen Produzenten nicht, was will MaierA und MaierB sondern, was will meine Kundschaft, d.h. sie orientieren sich an anonymisierten Durchschnittserwartungen. Der Metzger, der Bauer und der Bäcker orientieren sich an den über den Verkaufserfolg feststellbaren Erwartungen der Kundschaft. Das schließt nicht aus, dass er einige davon persönlich kennt und auf deren Wünsche besonders eingeht, doch handelt es sich bei der Arbeitsteilung um Geschäftsbeziehungen, weniger um private Wohlwollensveranstaltungen. Der Bäcker lebt davon, dass er das anbietet, was die meisten seiner potentiellen Kunden wollen, nicht was er einzelnen zugedenken will. Die Moral in dieser Arbeitsteilung ist, dass das fair und ehrlich geschieht und nicht verfälscht von Betrug und Gewalt.
Dieser von Smith beschriebene ungestörte Austausch zwischen freien und eigenständigen Marktteilnehmern ist aber von Anfang an gestört durch das Einwirken politischer Machtstrukturen, die den freien Austausch bis in die Zeit des Feudalismus zu ihren Gunsten verbiegen, zu ihrem privaten Vorteil manipulieren. Das Gegenstück des freien Austauschs ist die Manipulation, die immer wieder mehr oder weniger dem freien Austausch autonomer Menschen übergestülpt wird und sie mitmanipuliert. Nutzenmaximierung ist ja nichts schlechtes, wenn ich meinen Nutzen, besser meine Wünsche unmanipuliert von anderen erreichen kann. Das Wort Maximierung mag ich deswergen nicht, weil zuviel Kalkulation drinsteckt und sich im normalen Austausch die Menschen so nicht verhalten. Kalkulation ist ein idealisierter, überheblicher Begriff, der ausblendet, dass Menschen sich in der Arbeitsteilung und im Marktverhalten bestenfalls am Vergangenen, am Gegenwärtigen orientieren können geleitet von ungewissen Wünschen und Erwartungen in die Zukunft. Kalkulation in die Zukunft wäre nur erfüllbar, wenn man sie manipulieren könnte. Die Sehnsucht dazu besteht, weshalb allerlei Wahrsager immer wieder Zulauf haben. Wenn aber in einem fairen Markt alle Teilnehmer gleich unsichere Zukunftserwartungen haben, ist der Begriff "Kalkulation" fehlam Platz. .
Nun, ich danke dir für deine ausführliche Erklärung, habe aber dennoch eine weitere Frage: In meinem Schulbuch und auch in diversen anderen Quellen wird immer wieder folgendes Zitat gebracht: " Nicht vom Wohlwollen des Metzgers, Brauers und Bäckers erwarten wir das, was wir zum Essen brauchen, sondern davon, dass sie ihre eigenen Interessen wahrnehmen. Wir wenden uns nicht an ihre Menschen-, sondern an ihre Eigenliebe, und wir erwähnen nicht die eigenen Bedürfnisse, sondern sprechen von ihrem Vorteil." Für mich deutet das deutlich auf einen Nutzenmaximierer hin, wo also liege ich falsch?