Wird der Bundestag seinen Aufgaben (Kontrollfunktion, Artikulationsfunktion, Gesetzgebungsfunktion) gerecht?

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Hm...

In der deutschen Geschichte hatten wir schon deutlich üblere Parlamente.

Und sehr viele andere Länder haben solche Teile heute noch.

Insofern muss ich zugeben: Der Bundestag ist sicher eines der besten Parlamente, die es je irgendwo gegeben hat.

Als Note käme bei mir trotzdem nur ein "mangelhaft" heraus.

Die Kontrollfunktion bekommt Probleme damit, dass alle Gremien proportional zur Fraktionsstärke im Bundesstag besetzt sind. Das heißt, wer die Regierung stellen kann, kann sie auch selbst kontrollieren (und die Opposition erfolgreich ausbremsen). Untersuchungsausschüsse sollten eventuell nur zu Hälfte aus Mitgliedern der Regierungsparteien bestehen dürfen.

Das mit der Artikulation zielt auf die Repräsentation. Im Bundestag sind überwiegend Juristen und Beamte vertreten. Fast jeder hat wenigstens Abitur. Andere Bevölkerungsgruppen sind unterrepräsentiert. Leute mit Hauptschulabschluss. Hausfrauen oder Hausmänner gibt es dort soweit ich weiß gar nicht. Oder Arbeitslose. Oder Hartz-IV-Empfänger.

Okay... das beißt sich scheinbar ein wenig, weil Abgeordnete ja deutlich über Hartz-IV bezahlt werden, aber es kandidieren auf den Listen wohl aller Parteien kaum Menschen, die Erfahrungen damit haben, auf unterstem Level leben zu müssen. Und entsprechend Verständnis für andere Menschen aufbringen könnten, denen es ähnlich geht.

Oder für die Menschen, die trotz eigener Arbeit auch kaum mehr Geld als Hartz-IV haben. (Man spielt sie gerne und sehr erfolgreich gegen die Hartz-IV-EmpfängerInnen aus..."Divide et impera...")

Der Bundestag ist alles andere als repräsentativ. Aber mir fällt kein Vorschlag ein, das sinnvoll zu verbessern.

Das mit der Artikulation könnte man vielleicht fördern, wenn die Sitzungsleitungen ("Präsidium") jede Sitzungswoche alternieren würden und so auch eine Minderheit alle paar Wochen mal die Tagesordnung bestimmen darf.

Wobei: Es wird im Bundestag tatsächlich vieles an spannenden Alternativen formuliert (und dann von der Mehrheit ignoriert).

Ich habe jahrelang die "Woche im Bundestag" gelesen und wurde so zum Gysi-Fan, obwohl ich seine Partei eigentlich nicht sonderlich mochte.

Er hat viele vernünftige Vorschläge formuliert und viele vernünftige Anträge gestellt. Sie wurden halt grundsätzlich ignoriert und ohne große Diskussion abgelehnt, weil sie aus der falschen Ecke kamen. Aber sie wurden immerhin "artikuliert".

Die Gesetzgebungsfunktion...

Hm. Der Bundestag erschafft viele Gesetze. Leider ist es deutsche Tradition, dass damit bewusst ein unüberschaubares Chaos produziert wird. Punktuell sind in Deutschland wohl sogar noch einzelne Gesetze aus dem Kaiserreich gültig, weil man vergessen hat, sie zu ändern. Das Grundgesetz verweist auf immer noch gültige Gesetze der Weimarer Republik. Und darauf, dass nach der Wiedervereinigung eine neue Verfassung beschlossen werden soll.

Okay... das ist gerade mal ein Vierteljahrhundert her. Also kaum länger, als eine Kohl- oder Merkel-Kanzlerschaft.

Fazit:

Die deutsche Demokratie ist eine der besten der Welt. Aber bei weitem nicht gut genug, um für soziale Gerechtigkeit zu sorgen.

Die meisten Vorschläge, das zu ändern, wirken in meinen Augen aber nicht, als würde damit irgendwas besser. Eher im Gegenteil.

Man sollte unbedingt über Verbesserungsmöglichkeiten reden. Und dann GANZ GRÜNDICH nachdenken und sich die Auswirkungen ausmalen. Auch die ganz extremen.

Und darüber offen reden.

Aber dann tatsächlich was tun.

Liebe Grüße,

Tanja

Bosbach hat einmal gesagt, dass der Bundestag in seiner Zusammensetzung der deutschen Bevölkerung entspricht. Das heißt, es gibt dort sehr fleißige und kompetente Leute und auch Kollegen, die nicht das hellste Licht auf der Torte sind.Ich finde, das trifft es wohl recht gut.

Ansonsten muss man sehen, dass die Welt sehr kompliziert geworden ist. Hier etwas ändern was allem gerecht wird, ist fast unmöglich.

Ja. Im Großen und Ganzen schon.