Wieso wird Zar Nikolaus II. in Russland so angeheiligt,obwohl er sein Volk derart brutal unterdrückte/verhungern ließ?

11 Antworten

Es gab schlimmere russische Staatsführer als den Zar Nikolaus. Ich denke mal, weil er und seine Familie ermordet wurden, galten sie als Märtyrer. Andere Herrscher wie z.B. der deutsche Kaiser, der österreichische, spanische, griechische, italienische usw. wurden ins Exil geschickt. Denen trachteten die nachfolgenden Herrscher nicht nach dem Leben. Die Zaren galten ja auch als Nachfolger der Cäsaren und als Nachfolger der Herrscher von Ostrom. Die hatten wohl auch eine enge Verbindung zur russischen Kirche, die auch nach dem Tod des Zaren vom Regime extrem unterdrückt wurde.

Wieso wird Zar Nikolaus II. in Russland so angeheiligt,

Es ist ja nicht nur der Zar selbst, sondern auch seine Familie, die verehrt wird. Warum? Nun, er war ein politisches Opfer, und nicht nur er, sondern auch seine Frau, sein Sohn und seine Töchter. Es waren Verbrecher, die diese Morde befahlen, und ganz besonders niederträchtige, die sich auch an unschuldigen Kindern austobten - Lenin und seine Handlanger. Diese schrecklichen Umstände trugen und tragen dazu bei, dass nach dem Ende des Kalten Krieges und der wieder ungehindert praktizierten kirchlichen Frömmigkeit die orthodoxe Kirche, die dem Zarentum immer nahestand, das feierliche Zeremoniell der Beisetzung der sterblichen Überreste der Zarenfamilie genutzt hat, die Zarenfamilie zu popularisieren und damit für sich selbst zu werben.

obwohl er sein Volk derart brutal unterdrückte/verhungern ließ?

Nikolaus II. war nicht Iwan der Schreckliche! Er war ein zurückhaltender, schüchterner Mensch, auf seine schwere Aufgabe als Zar überhaupt nicht vorbereitet und auch von seiner Begabung her nicht fähig, diese Aufgabe zu bewältigen. Er war abhängig von seinen Ratgebern und Ministern, hat selbst kaum Politik betrieben, sondern sich bevormunden lassen. Er strebte nicht danach, sein Volk "brutal zu unterdrücken" und hat es auch nicht absichtlich "verhungern" lassen. Solche Gräuel hatten später, nach dem Sturz des Zaren, die Sowjetdiktatoren zu verantworten! Was die Sowjets ihm und seiner Familie angetan haben, war unverdient. 1917 hat er klaglos seine Absetzung akzeptiert und sich den Anordnungen seiner Gefangenenwärter widerstandslos gebeugt. Das grausame Schicksal, das er und seine Familie erleiden mussten, war unverdient. Nikolaus II. war niemals ein Tyrann wie ein Lenin oder Stalin! Und deshalb wird er in Teilen des russischen Volkes immer noch verehrt.

Bleibt gesund und vernünftig!

Arnold

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung

Anastasia65  23.10.2021, 00:20

Der einzige von Wissen geprägte Beitrag, den ich bisher hier gelesen habe, danke!

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Weil er und seine Familie, auch die treuen Diener, als Märtyrer starben, und ein Märtyrertod hebt die Fehler, die zuvor gemacht wurden, gewissermaßen auf. Außerdem war der Zar nicht alleine schuld am Elend seines Volkes, er war im Gegenteil ein freundlicher und liebenswerter Mensch, aber nach eigener Einschätzung leider unfähig zu regieren.

"Kanonisation: Die russisch-Orthodoxe Kirche im Ausland sprach die Zarenfamilie bereits 1981 heilig. Im August 2000 wurde Nikolaus auch von der Russisch-Orthodoxen Kirche zusammen mit seiner Frau Alexandra, Kronprinz Alexis und seinen Töchtern Großfürstin Olga, Großfürstin Tatiana, Großfürstin Maria und Großfürstin Anastasia und ihren Gefährten sowie zusammen mit 855 weiteren Märtyrern des 20. Jahrhunderts heiliggesprochen - nicht wegen seiner katastrophalen Politik, sondern ausdrücklich wegen seines Lebenswandels und seines Martyriums."

https://www.heiligenlexikon.de/BiographienN/Nikolaus_II_Alexandrowitsch.html

Die Heiligsprechung erfolgte übrigens auf Druck des Volkes, das Nikolai schon vorher zu einem der volkstümlichsten Heiligen - ohne Heiligsprechung - gemacht hatte, während der hohe Klerus eher reserviert war.

https://www.youtube.com/watch?v=rri_E4BKjUE

"Man hat ihm viele Fehlentscheidungen und Missgriffe vorgeworfen, die diesen Zusammenbruch vielleicht beschleunigt haben; doch übersieht man dabei meistens, dass er beseelt war von einer hohen Auffassung seiner Berufung als christlicher Herrscher und vom aufrichtigen Wunsch, das "Heilige Russland" zu retten. Er lebte bescheiden und machte großzügigen Gebrauch von seinem persönlichen Vermögen, um Almosen zu verteilen und Wohltätigkeitseinrichtungen zu gründen. Er achtete die kleinen Leute, die er als die einzige feste Stütze der Monarchie betrachtete."

https://www.orthpedia.de/index.php/Nikolaus,_Hl._Zar

Es gibt überall Leute die behaupten, dass früher alles besser war. Nach dem Krieg haben die bei uns behauptet, dass Hitler von der Verfolgung der Juden nichts gewusst hat und dass unter den Nazis nicht alles schlecht war. Unterhielt man sich mit diesen Leuten ein wenig, kam heraus dass damals sogar alles besser war. Nach dem Ende der DDR erleben wir heute noch immer das gleiche dumme Gequatsche, nur mit umgekehrtem Vorzeichen. Auch in der DDR war angeblich alles besser. Dieses Phänomen findet man überall auf der Welt. Da werden gnadenlose Zaren zu Heiligen und blutrünstige Diktatoren mit ihren Millionen Todesurteilen zu Menschenfreunden.


44blues  18.07.2020, 20:31

In der DDR war nicht alles besser. Ich hatte aber ein besseres Leben.

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Fuchssprung  18.07.2020, 20:35
@44blues

Wirklich? Musstest du nicht 12 Jahre auf ein Auto aus Pappe warten? Musstest du nicht wenigstens einmal in der Woche Schlange stehen? Hast du sofort eine Wohnung bekommen, auch wenn du nicht verheiratet warst? Warst du frei in deiner Meinung und deiner Weltanschauung? Hat man dich die Welt anschauen lassen? Oder warst du genau wie ich eingesperrt? Oder hattest du wie ich "Lebenslänglich" in der DDR ohne dass du etwas verbrochen hattest?

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44blues  18.07.2020, 20:51
@Fuchssprung

Ich glaube, Du verwechselst da was. Die Aufzählung mag ja für viele zutreffen. Das trifft aber alles nicht auf mich zu. Na gut, ich drösel das mal auf: Ich wollte kein Auto. Habe fast nie in einer Schlange gestanden (Berlin!). Ich hatte mit 18 eine Wohnung (Vater war in der Partei). Die freie Meinung haben wir auf dem Bau immer gepflegt, kein Blatt vor den Mund genommen. Ich reise nicht gern. Habe mich nicht eingesperrt gefühlt. Meine persönlichen Lebensumstände waren nun mal besser in der DDR. Da Du mich nicht kennst, solltest Du das akzeptieren.

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luibrand  23.10.2021, 08:37
@44blues

Mag ja für Dich zutreffend gewesen sein. Dann stelle es aber bitte nicht so dar, als sei das grundsätzlich so gewesen. Das war es nämlich nicht !

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angeheiligt??

Vermutlich meinst du die Beziehung mit Rasputin, dem russischen Wandermönch?

Das hat aber nichts mit Heilikeit zu tun, sondern eher mit der Bluterkrankeit seines Sohnes, die Rasputin, dem sugsetive Eigenschaften nachgesagt wurden, mit Erfolg bekämpfte.

Seine Frau, die Zarin Alexandra, übrigens eine Deutsche, die vom Protestantenismus zum Orthodoxen Glauben übergetreten ist, war in Glaubenssachen viel rigoroser und die treibende Kraft.

Aber diese Gläubigkeit haben ja Gottseidank die Bolschiwiki mit Erfolg beendet, indem sie die ganze Familie einfach ermordet haben.

Buchtipp :UND DIE ERDE WIRD ZITTERN - RASPUTIN UND DAS ENDE DER ROMANOWS von Douglas Smith


Anastasia65  23.10.2021, 00:16

De haben gar nichts beendet, sondern die Grundlage für die Heiligsprechung der Zarenfamilie geschaffen!

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