Wie soll das weiter gehen mit der Wirtschaft in Europa?
Hallo zusammen
Zunehmend frage ich mich immer mehr wie das mit der Wirtschaft weiter gehen soll. Ich habe den Eindruck, dass unser jetziges Wirtschaftssystem zunehmen an die Grenzen kommt respektive vielleicht bald am Ende sein wird. Ich denke, das hat verschiedene Gründe:
- Globalisierung: Mittlerweile ist eigentlich alles geografisch ersetzbar geworden. Weite Transportwege sind kein Hindernis mehr und an vielen Orten auf der Welt gibt es mittlerweile gut ausgebildete Personen. Die ökologische Belastung durch absurden Transport kommt hinzu.
- Neoliberalismus: Die Liberalisierung von beinahe allem führt meiner Meinung nach primär zu einer Verschlechterung der Qualität und Mehrkosten gesamtheitlich betrachtet.
- Nachhaltigkeit: Eigentlich sämtliche Wirtschaftsleistung basiert auf Wachstum, Unternehmen haben kein Interesse mehr an Langlebigkeit und Qualität. Die Folgen dieser Wegwerfgesellschaft sind mittelfristig ökologisch kaum tragbar.
- Arbeit und Anstrengung lohnt sich zunehmend weniger: Viele haben realisiert, dass sie auch trotz vielen Abschlüssen und Ausbildungen den Lebenstandard ihrer Eltern nicht erreichen können. Entsprechend nimmt auch die Arbeitsmoral und -qualität ab.
- Akademisierung: Ich habe das Gefühl, dass zunehmend immer mehr im Dienstleistungssektor arbeiten, ohne dass die Qualität und Menge an Dienstleistungen wirklich zugenommen haben. Das Sparbuch ist immer noch ein Sparbuch, die Behörden erbringen immer noch die gleichen Dienstleistungen und mein Auto fährt auch einfach, obwohl beim Hersteller ein viel grösserer Anteil im Büro arbeitet als früher. Meiner Meinung nach ist dies eher eine versteckte Abnahme der Produktivität.
- Bürokratisierung: Vieles wird immer komplizierter und aufwendiger. Manchmal habe ich den Eindruck, sämtliche Effizienzgewinne durch die Digitalisierung sind duch die Zunahme der Bürokratisierung wieder wett gemacht worden.
Ich möchte nicht politisch irgend jemandem etwas vorwerfen und habe auch nicht Wirtschaft studiert. Irgendwie sind dies einfach meine Beobachtungen, die ich in meinem noch jungen Berufsleben gemacht habe. Es würde mich interessieren, wie ihr das seht?
2 Antworten
Im Grunde ist das, was du aufzählst nicht von der Hand zu weisen. Aber so wollten wir es doch auch seit Jahrzehnten! Wir haben wohl zu wenig an kausale Folgen gedacht bzw. sie nicht wahr haben wollen.
Beispiel, sinnbildlich.
Wenn man über Jahrzehnte hinweg ein Haus baut, damit einen gewisser Status und gewisse Privilegien erreicht hat wollen wir noch mehr. Ein Ferienhaus in der Toskana z.B.
Ist es schwer zu konstatieren, dass dann ein relativer Stillstand erreicht ist und man Angst hat, weil ich nicht auch noch ein Hotel in Kanada bauen kann, geht es abwärts?
Man hat eine Zeit lang dagegen gewirkt. Indem die Häuser schneller zerfallend gebaut wurden, als es möglich ist, sie stabiler zu bauen. Das hatte Vorteile für die Wirtschaft. So muss nach wenigen Jahren wieder neu gebaut werden.
Heute ist jeder in der westlichen Welt in noch nie dagewesenem Luxus und Versorgung unterwegs. Klar, es gibt ein Gefälle von überreich (mehr, als ich brauche) und gerade so versorgt (ich bin im sozialen Netz).*
Bürokratisierung hat dazu bei getragen. Sie abzuschaffenn bedeutet auch weniger Auflagen, ein Haus zu errichten. Beim nächsten Sturm ist es schneller in alle Winde verweht. In der Türkei z.B. fallen Häuser schneller in sich zusammen, weil die Bauvorschriften ein Greuel sind, Bürokratie quasi eine Nötigung.
Etwas weg werfen hat doch den Vorteil, dass man es neu produzieren und kaufen muss. Kurbelt die Wirtschaft an. Kauf ich mir eine doppelt so teure Waschmaschine, hält die u.U. auch doppelt so lang - man verkauft weniger.
Dass ein heutiger junger Bürger nicht den Lebensstandart der Eltern erreicht ist vollkommen falsch beurteilt. Während die Eltern das Haus unter Entbehrungen bauen mussten, erbt man es ohne Aufwand heute. Bitte verwechsle Lebensstandard nicht mit der einberechneten Progression, mehr als die Eltern zu haben, so wie ihre Eltern mehr bekamen als die Großeltern.
Die Mehrzahl hat heute immer noch das Mehrfache der Großeltern, die nach dem Krieg fast nichts hatten.
Und jetzt das Wichtigste:
Wer mutig und ehrlich und intelligent nachdenkt kommt zum Fazit: Junge, Junge (oder moderner: hey Alter) wie geht es uns im Vergleich zu unseren Vorfahren gut!
*Den meisten ging es nicht mal so gut, wie heute den sozial Schwächsten, die im sozialen Netz aufgefangen sind.
Oder nicht? ;-)
Vielen Dank für Deine Einschätzungen, ich gebe die in vielen Punkten recht.
Betreffend dem Lebensstandard: Ich denke viel hat sich verschoben. Den sozial schwächeren geht es besser und die reichen profitieren, die Mittelschicht wohl eher weniger. Die Zeiten in denen es reicht, dass jemand arbeitet und die ganze Familie ernähren kann oder man sich als Handwerker Wohneigentum leisten kann, das bis zur Rente abbezahlt ist, sind schon vorbei. Hinzu kommt, dass es halt nach dem Weltkrieg eigentlich lange bergauf ging und wir m. E. etwa seit der Jahrtausendwende an einem Punkt sind, an dem finanziell betrachtet, gerade für die Mittelschicht, vieles immer schwieriger wird.
Bürokratisierung ist schon ein nicht zu unterschätzendes Problem. Mal überlege mal, wie einfach man es in Europa haben könnte, wenn man nen Home Office Job hat und dann einfach dort lebt, wo man möchte. Aber falsch gedacht, da schieben einem die deutschen Behörden einen Riegel vor, der Wohnsitz muss in D sein, ansonsten entstehen komplizierte Steuerprobleme und die Versicherung ist auch so eine Sache - und dabei sind wir schon in der EU. In den USA wäre das alles kein Thema, da halten wir uns mit der Bürokratie selbst klein. Ist zwar alles möglich, aber eben seeeehr kompliziert. So kompliziert, dass viele dann die Stellen beschränken.
was bleibt sind dann relativ schlecht bezahlte Stellen in einem relativ teuren Land. Dabei könnte man von einem deutschen Gehalt in Bulgarien super leben, durch die wegziehenden Leute würde auch der Druck im Wohnungsmarkt abnehmen und Europa könnte über die Generationen hinweg immer stärker zusammenwachsen.
Nicht unbedingt, denn mit der gestiegenen Kaufkraft im Beispielland Bulgarien könnte man auch mehr Produkte dorthin verkaufen, bzw. expandieren (Lidl und Co). Der Mensch mit dem entsprechenden Geld ist ja noch immer im Markt.
... und du hast sicher daran gedacht, dass das Geld, das man in Bulgarien, den Phillipinen oder Indien ausgibt eben den deutschen Markt nicht bedient, heißt, weniger Umsatz hierzulande! Oder?