Wie kann es sein, dass einige Genies (z.B. in Mathe) schlecht (darin) in der Schule waren?

30 Antworten

Moin eustreet!

Ich würde mich nicht als Genie bezeichnen, aber ich denke, dass es bei Hochbegabung recht ähnlich ist. Ich versuche dir mal zu erklären, wie die Probleme in der Schule aussehen.

Ich habe im Alter von 3-4 völlig selbstständig angefangen mir das Lesen und Schreiben beizubringen. Dazu reichte es aus, dass ich wusste, was einige Wörter bedeuteten. Ich habe zum Beispiel meine Eltern bei jedem Ortsschild gefragt, was da steht. Selbst die Grundrechenarten habe ich ohne Probleme selbst verstanden. Natürlich habe ich, als ich mit 5 eingeschult wurde sehr viel Langeweile gehabt. Ich habe einfach in den ersten Wochen alle Aufgabenhefte für das Schuljahr durchgearbeitet. Dafür gab es dann natürlich auch erst einmal direkt Anschiss von den Lehrern... Auf der anderen Seite wäre es eventuell hilfreich gewesen, wenn meine Eltern dem Überspringen der zweiten Klasse zugestimmt hätten oder mir nicht erklärt hätten, dass eine Schule für Hochbegabte meine Geschwister dumm aussehen lässt und die Nachbarn dann auch alle lästern würden. Fragen die ich gestellt habe wurden mit Antworten abgetan wie "Darum geht es grade nicht".

Also ist ein Hauptgrund wohl, dass der Drang nach Wissen sehr schnell als "Stören des Unterrichts" angesehen wird und auch so in meinem Zeugnis steht.

Das andere Problem ist etwas komplizierter und mir war bis zum 18 Lebensjahr nicht einmal klar, dass es bei mir anders ist. Die Art des Denkens ist anscheinend grundlegend anders. Ich kann dir bis heute nicht unbedingt sagen, was nun ein Adjektiv oder ein Verb ist. Formeln in Mathematik sind für mich auch völlig ohne Aussage. Ich bin zwar in der Lage Regeln anzuwenden, aber ich kann dir nicht zwingend benennen, was nun was ist.

Das liegt daran, dass im Unterricht der Inhalt seriell vermittelt wird. Wenn ich Probleme "Schritt für Schritt" betrachte, dann brauche ich etwa 10 Mal so lange für die Lösung. Im Grunde fällt es mir sogar teilweise so schwer, dass ich keine Lösung finde. Alles wird in Regeln formuliert, die keine realen Bezug haben. Hinzu kommt noch, dass ich bei unzähligen Klausuren die gleiche Diskussion hatte. Ich ging zum Lehrer und sagte ihm, dass meine Antwort richtig ist... Die Antwort: "Ja, aber du hast in deiner Formulierung nicht die Wörter aus dem Buch benutzt", "Du hast zwar Inhaltlich die richtige Antwort, aber das ist nicht die Antwort, die erwartet wurde", "Du hast nicht die Fachausdrücke verwendet", ... usw usf. Es geht also nicht darum abzufragen, ob ein Schüler den Stoff kann, sondern, ob er den Inhalt der Bücher replizieren kann. Für mich ein unmenschlicher Aufwand, da ich nicht im Geringsten Texte auswendig lernen kann.

Das wirkt sich außerdem auf das Verständnis aus. Ich habe sehr oft Fragen gestellt um den SINN zu verstehen. Die Fragen wurden natürlich auch als Störung oder Unsinn angesehen. Also habe ich viele Dinge in der Schule nie verstanden. Extrem schwierig wurde es dann bei Aussagen des Lehrers, die einfach nicht richtig waren. Das nur zu erwähnen führt natürlich sofort dazu, dass du den Rest der Stunde vor der Klasse sitzen darfst, da du versuchst den Lehrer zu beleidigen und Uneinsichtig bist. Dementsprechend kommt dann zu dem schlechten Sozialverhalten auch noch das Problem hinzu, dass es einfach unmöglich ist Unsinn zu lernen. Baut nachfolgender Stoff auf diese falschen Behauptungen auf, dann kannst du das Fach im Prinzip gleich völlig vergessen.

In einigen Fächern habe ich mich nach der Schule noch mit den Themen beschäftigt. Mit meinen Methoden war es kein Problem alle Schuljahre in 6-18 Monaten nebenbei zu lernen.

Hätte ich früher erkannt, dass ich nicht so funktioniere wie meine Mitschüler, dann hätte ich zu Hause sicherlich selbst alles lernen können. Leider wird dir in der Schule eine Lernmethode aufgepresst, die eventuell für serielle Denker besser sein mögen, aber für assoziativ-visuelle Denker ist das in etwa so, als ob man von "normal denkenden" Personen verlangt sich zwei Maschinen anzusehen und anhand der Beobachtung eine neue bauen soll, welche Eigenschaften von beiden verbindet.

Soll heißen, es ist nicht im geringsten ein Problem nur durch Vermutungen und Beobachtungen genug Informationen zu haben um eigenes Wissen zu produzieren. Beispielsweise bin ich in der Lage einem Gesprächspartner nach einer Weile Fehler in seinem Fachgebiet aufzuzeigen, auch wenn ich mich bei dem Gespräch zum ersten Mal mit dem Thema befasse.

Ein anderes Beispiel für diese Art des Denkens wäre die Zeit beim Fachabi. Ich habe bis dahin nie Bücher zur Programmierung gelesen, da es mir reichte zu wissen, welche Schlüsselwörter eine Programmiersprache hat. Als uns dann im Unterricht "Altbewährte Routinen und Paradigmen" vermittelt wurden habe ich in 5% der Fälle etwas neues gelernt. Was die anderen lernen mussten, war für mich völlig automatisch der sinnvollste Weg, ohne, dass ich das irgendwo lesen muss.

Fortsetzung im Kommentar...


Sasatux  16.09.2013, 19:58

So. Zur Übersicht liste ich noch einmal kurz die bisherigen Punkte auf:

  1. Keine serielle Verarbeitung von Informationen
  2. Informationen werden nie auswendig gelernt, lediglich das Muster wird verstanden
  3. Das Gehirn denkt in Symbolen, nicht in Bezeichnungen oder Wörtern. Wird vom Lehrer keine sinnvolle Erklärung gegeben, kann es nicht verstanden werden
  4. Realer Wissensdurst wird als provokatives Verhalten angesehen
  5. Replizieren gibt gute Noten, Inhaltliches Verständnis wird als falsche Antwort angesehen
  6. Lehrer und Mitschüler merken durchaus, dass man nicht dumm ist, aber werten methodische Probleme als Faulheit(Ich habe sogar erlebt, dass ich 2(!) Noten schlechter bewertet wurde mit der Aussage: Du wusstest das schon vorher, die anderen mussten sich anstrengen)

Nach der Schule wurde mir dazu einiges klar. Ich habe sehr oft von Verwandten und Bekannten zu hören bekommen: "Woher weißt du das eigentlich alles? Hast du ein Lexikon auswendig gelernt". Anfangs hat mich die Kränkung etwas mehr beschäftigt, aber irgendwann habe ich selbst mal über diese Frage nachgedacht. Dabei fiel mir auf, dass ich womöglich ständig absoluten Unsinn geredet habe. Denn ich konnte mich tatsächlich in den seltensten Fällen erinnern, dass ich den Inhalt meiner Antwort irgendwo gehört oder gelesen hätte. Ich habe geantwortet bevor ich die Frage überhaupt wirklich realisiert habe. Nachdem ich etwa 1-2 Jahre - nach meiner Antwort - immer nachgelesen habe, ob ich überhaupt die Wahrheit sage war ich dann tatsächlich verwirrter als vorher.

Ich habe das inzwischen einfach akzeptiert. Ich habe gelernt mit meinem Gehirn umzugehen ohne Fragen zu stellen, wieso es so ist. Desto weniger ich mich damit beschäftigt habe, wie ich zu einer Antwort komme, desto schneller konnte ich neue Dinge lernen. Inzwischen kann ich es einfach nur so erklären, dass ich ein Problem oder eine Frage kurz ins Bewusstsein rufe und mich danach einfach nicht mehr damit beschäftige. In etwa so, als würde ich Essen in die Mikrowelle stellen. Sind genug Assoziationen im Gehirn vorhanden sehe ich dann einfach irgendwann die Antwort/Lösung. Fehlen Informationen, dann sehe ich hunderte von möglichen (Zwischen-)Lösungen.

Je nach Themengebiet sind diese Lösungen in der Art Verallgemeinert, dass sich parallelen zu bekannten Beobachtungen ziehen lassen. Dementsprechend verfolgt jede Lösung dann tiefer gehende Fragen auf der potentiellen Lösung. Der Großteil versiegt sehr schnell in unmögliche Schlussfolgerungen. Die übrigen laufen weiter, bis parallelen in fehlenden Informationen entstehen. Dementsprechend wird so nicht unbedingt eine Lösung gefunden, aber sehr schnell ersichtlich, welche Informationen nötig sind um eine Antwort zu finden. Bei vielen Dingen ist es aber möglich anhand von Naturgesetzen und Wahrscheinlichkeiten die fehlenden Informationen ad-hoc zu generieren.

Eine gravierende Folge davon ist, dass man als Kind permanent an "Magische Regeln" der Erwachsenen stößt. Dinge die "einfach so sind". Egal, ob diese aus keiner möglichen Perspektive Sinn ergeben. Dementsprechend schwankt man als Kind zwischen dem Willen es so zu verstehen, wie alle anderen und dem Zweifel an seiner Intelligenz.

Auch wenn das gewisse Vorteile hat, führt diese Art zu Denken auch zu einigen - von "normal denkenden" empfundende - Defiziten. Sobald du einen Atlas siehst wird dein Gehirn dir auf Ewig verweigern zu speichern wo welches Land liegt. Die Assoziation Land? -> Atlas/Karte ist so mächtig, dass es geradezu schmerzhaft wirkt sich diese Namen/Positionen einzuprägen. Also sind Namen und Bezeichnungen allgemein ein Problem, aber der Optimierungswahn kennt teilweise überhaupt keine Grenzen. Manchmal habe ich das Gefühl überhaupt keinen Einfluss darauf zu haben, was ich lernen will. Außerdem habe ich nach der Schule lernen müssen mich zu bändigen. Es kann vorkommen, dass ich in einen Trance-Artigen zustand verfalle und nur noch in meiner Gedankenwelt lebe.

Auf der einen Seite ist das natürlich eine der Dinge, die ich sehr liebe. Beim Lesen von Geschichten die Protagonisten wie im Traum zu begleiten ist zum Beispiel sehr angenehm. In der Schule führte das oft aber auch dazu, dass ich nicht sicher war, welche Antwort der Lehrer hören will, da es in meinen Augen unglaublich viele richtige Antworten gab.

Ich könnte das noch ewig weiter ausführen, aber ich denke, dass nun klar sein sollte, dass das Klischee vom gelangweilten Superhirn mehr als Oberflächlich und Diskriminierend ist.

Auf der einen Seite sind es die Methoden, die meiner Meinung nach aber allgemein schlecht sind. Ich bin mir sicher, dass die Vermittlung von Wissen durch kreative Ansätze wirkungsvoller ist. Auf der anderen Seite ist Hochbegabung als Kind eine Mischung aus "Statt Drei-Rad direkt in den Rennwagen ohne zu wissen was man macht" und "Sich selbst im Weg stehen".

1

Du wirst feststellen, dass Menschen, die besonders gut in der Schule waren selten herausragende Stellungen im späteren Leben einnehmen. Das liegt daran, dass in unserem Schulsystem nicht das kreative Denken gefördert wird, sondern das Abhaken bestimmter Informationen. Ich bezeichne unsere Schulen als Verblödungskästen und ein Gymnasiallehrer nannte sie hier bei gf sehr treffend Denkgefängnisse.

Da ich als Kind sehr viel arbeiten musste hatte ich praktisch keine Zeit für die Schule und entwickelte mir deshalb eine eigene Lernmethode, mit der das Lernen sehr viel einfacher geht, was zur Folge hat, dass ich Spaß am Lernen bekommen habe und bis heute einfach als Hobby immer noch etwas dazu lerne oder irgendeinen Abschluss mache.

Kreativ oder eine Genie werden kannst Du nur, wenn Du die vorgegebenen Schienen überspringst. Ein Harvardprofessor erinnert sich an seine Schüler Zuckerberg und Gates und sagt darüber, sie waren zwar da aber man hatte das Gefühl, dass sie doch nicht da waren sondern mit ihren Gedanken andere Wege gingen.

Das Zuckerberg dennoch gute Noten hatte liegt wohl mehr daran, dass er zum emotionalen Autismus tendiert und deshalb weniger abgelenkt wurde.

Servus, ein Genie ist ein schöpfender Mensch, egal welchen Alters - mit einem Gehirn, das Gelerntes mit speziellen Gedanken, Ideen, Visionen zielgerichtet, formgebend verknüpfen, und dadurch Neues entstehen lassen kann... Aber ich kenne keine allgemeinbildende Schule, die diese Gehirne dann besonders fördern könnte, das müssen andere Institutionen bei Menschen im Schulalter versuchen, z. B. Wettbewerbe wie "Jugend forscht" oder "Jugend musiziert".

Es gibt eben Menschen, die sich extrem schnell irgendetwas merken oder nachahmen, dann zum Erstaunen anderer reproduzieren können - das sind aber keine Genies, sondern eben Hochbegabte der Lern- und Gedächtnisleistung! Es gibt z. B. unzählige technische Genies, doch leider ersinnen sehr viele auch für die Allgemeinheit sinnlose Dinge... Grüße.

Guten Tag eustreet,

die Benotung in der Schule ist die der gerechten oder ungerechten Beurteilung durch die Lehrer. Mit unterschiedlichen Gründen.

Wenn ich mich richtig erinnere, war es der Mathematiker Leonhard Euler, welcher in der Schule im Rechnen den Lehrer schockte. Um die Kinder zu beschäftigen, ordnete der Mathematiklehrer an, die Schüler sollten die Summe aller Zahlen von 1 bis 100 ausrechnen. Der Leo saß nach 10 Minuten etwa da und starrte Löcher in die Luft, während die anderen Schüler fleißig addierten (zusammenzählten). Der Lehrer fragte, ob Euler die Aufgabe nicht verstanden hätte. Er antwortete, dass die Summe genau 5050 sei. der Lehrer beschäftigte sich mit seiner Lösung. 100 + 1 = 101, 99 + 2 = 101... genau 50 solche Paare gibt es. 50 x 101 = 5050 - richtig?

Was weiter geschah, weiß ich nicht. Der Name des Lehrers ist vergessen. Herrn Euler kennen nicht nur die Mathematiker der ganzen Welt.

Frau Merkel ist vielleicht nicht eben ein Genie. Aber sie hat in Physik promoviert und es immerhin mit ihrer Intelligenz geschafft, deutsche Kanzlerin und einer der einflussreichsten Menschen dieser Welt zu werden. Dafür kann ich ihr meine Achtung nicht versagen - auch wenn ich andere politische Ansichten habe als sie.

Bleibe recht gesund!

Siegfried

Könnte an Unterforderung liegen, die dann in Trägheit ausufert.