Wie ist das verhältnis zwischen dem Ich und dem Du in dem Gedicht?

2 Antworten

Vom Beitragsersteller als hilfreich ausgezeichnet

Die beiden gedachten Rollen gehören einander und besitzen sich gegenseitig. Insofern behandelt das Gedicht eine ausgeglichene Liebe, aber mehrheitlich spricht das Ich davon, dass es das Du im eigenen Herzen gefangen halte und eine Ausflucht völlig unmöglich sei, weil niemand das Schloss zu dem Herzen des Ich, welches ja das Du gewissermaßen zu verwahren scheint, mehr öffnen werde, seit der Schlüssel zu ihm verloren sei.

Es überwiegt somit aus der Sicht des Ichs die eigene Beherrschung des Dus. "dû muost ouch immer dâr inne sîn" ist eine mehrdeutige Aussage, weil müezen mehrere Bedeutungen hat. Bei den alten Vätern hieß es immer "dürfen" im Sinne von "die Erlaubnis haben", im Mittelalter hingegen heißt es in den meisten Fällen "göttlich bestimmt müssen", und ich meine, dass diese Bedeutung im obigen Gedicht vorwiegt, d.h. die letzte Zeile ließe sich dem Sinn gemäß mit "Es ist dein Schicksal, immer darin zu sein" übersetzen. Andererseits schwingt sicherlich auch eine Erlaubnis ("du darfst") und eine Aufforderung ("du sollst") mit. Wir lernen das Ich also als einen Teil der gedachten Beziehung kennen, der sich seiner Fähigkeit, das Du an sich (oder vielmehr in sich) zu binden, wohl bewusst ist und von dieser Fähigkeit gerne und unverhohlen Gebrauch macht.

Man könnte die Schlüsselmetaphorik als Mittel der Verniedlichung oder Verzärtelung betrachten, andererseits hat sie auch etwas Hämisches, weil es dünkt, dass das Ich dem Du geradezu vorhält, wie der Schlüssel ewig verloren sei. Dass Liebe im Mittelalter nicht immer nur mit Glück und Frieden gedacht wird, wissen wir sehr gut aus unzähligen Minneklagen, die die zum Teil als sehr grausam dargestellte Gewalt der Liebe betonen. Es ist durchaus denkbar, dass die Endgültigkeit des Verschlusses andeutet, dass das Ich das Du jederzeit, auch gegen seinen Willen, festhalten kann und wird.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Ich studiere Germanistik mit dem Schwerpunkt Mediävistik.

Du bist mein, ich bin dein,

denn das solltest du gewiss sein,

du bist beschlossen in meinen Herzen

verloren ist das schlüsselein,

du musst auch immer drinne sein.


BBHD345 
Beitragsersteller
 05.12.2021, 16:30

die übersetzung kenne ich bereits, deshalb hilft mir das leider nicht weiter. Denn wie ist den jetzt das verhältnis zwischen dem ich und du. Das ist mir noch nicht ganz klar.

0