Wie fotografiert man Zeit?

18 Antworten

Vom Beitragsersteller als hilfreich ausgezeichnet

Dürft ihr wirklich "nur" fotografieren, oder dürft ihr auch nachbearbeiten, überzeichnen, collagieren? Das wäre wichtig, um die Bandbreite der Möglichkeiten mal abzugrenzen.

Es kamen ja schon sehr viele schöne Ideen, denen ich noch ein paar kleine Dinge hinzufügen will:

Solltest du Gelegenheit dazu haben, an einem schönen Wasserfall oder Fluß vorbeizukommen, dann vergiss nicht dein Stativ. Das sind immer sehr schöne Langzeitbelichtungen (um die 30 Sekunden evtl mit Graufilter). Am besten mit Breitwinkel-Objektiv und dann könnte man ja am Rand jemanden in verschiedenen Posen von Baum zu Baum gegenstromwärts gehen lassen. Später kurz durch Photoshop und Lightroom, dann entstehen da unglaublich tolle Bilder. Könnte man auch als HDR-Image machen - würde sicher stark aussehen. Ist halt zeitaufwendig.

Im Portrait machen sich einfach alte Leute mit sehr, sehr faltiger Haut und dünnen Haaren gut. Man könnte beispielsweise eine (Ur)Großmutter ein Baby füttern lassen. Nahaufnahme von beiden Gesichtern, eine Hand ein Löffel aus dem unteren Bildrand. Unbedingt Schwarz-Weiß, detailreich, Blende auf ca. F2.0. In Photoshop ziehst du dann einfach die Helligkeitsbereiche extrem kontraststark und verdickst die Detaillinien, so bekommt das Bild eine tolle Tiefe. Das wäre eine sehr schnell durchführbare Lösung.

Als Einzelbild vielleicht ein wenig schwach, aber vielleicht kannst du es irgendwie einbauen, weiterverarbeiten (falls du das darfst): Eine zerbrochene Sanduhr.. Sowas muss aber Gewicht haben.. Die muss richtig gut aussehen, am besten aus dunklem Holz, das man etwas aufraut und alt aussehen lässt (könnte man auch in PS, wenn man zu faul ist). Toll könnte ich mir so ein Bild auch am Strand im Sand liegend vorstellen. Dass sich praktisch der Sand der zerbrochenen Zeit wieder mit dem Sand des Meeres verbindet. Untere Hälfte schräg die zerbrochene Sanduhr (Fokus drauf, detailreich), Blende nicht zu weit aufmachen, damit in der oberen Hälfte der Strand immer unklarer ins Unendliche hineinzulaufen scheint.

Schulterblick beim Schachspiel zwischen zwei alten Männern (oder als Generationenunterschied wieder Kind und Großvater). Natürlich auch schwarz-weiß dann.

Stark wäre sicher auch ne "Heroin-Szene", die ist ja nicht all zu schwer nachzustellen.. Grad beim Schuss setzen mit geschlossenen Augen und dann ganz viel mit Schärferelationen arbeiten und das Bild nach Außen hin total verschwommen und grell zulaufen lassen, dass es in den Augen weh tut, Innen noch mehr das Geschehen. Um den Zeitgedanken könnte man noch einen Wecker oder so auf den Tisch daneben stellen mit "5 vor 12" oder so.

Wenn du richtig fit mit Photoshop bist, könntest du auch ein Vektorbild von einem Menschen machen, der nur aus Uhren besteht (Portrait oder Ganzkörper - allerdings maximal in enger Unterwäsche, glatte Oberflächen sind wichtig). Ich weiß nicht, ob du sowas schon mal probiert hast oder überhaupt tun darfst. Hab dir mal ein Bild drangehängt, wie ich es meine. Das könnte man auch mit Uhren statt Tribals machen. Gibt gute Tutorials für sowas.

Hab noch ein paar Ideen, aber muss jetzt echt ins Bett. Ich hoffe, dir gefällt ein bisschen was davon.

Liebe Grüße, Balu

Tribal - (Schule, Foto, Kunst)

Darfst du die Fotos auch nachträglich bearbeiten? Wenn ja, dann habe ich gerade Fogendes im Kopf: Ein Häuserblock, der sich über das ganze Bild erstreckt. Auf der einen Seite ist das Bild schwarz/weiß, rechts ist es farbig und in der Mitte ist ein fließender Übergang zu sehen.

Sonnenauf bis Sonnenuntergang

Mondsichel bis zum Vollmond

Verpuppung eines Schmetterlings und

alles was mit der Uhr zu tun hat

Kannst auch eine Muschel in Essigessenz legen und die Zeit in Bildern festhalten bis sie sich komplett aufgelöst hat und nichts mehr zu sehen ist.

Vielleicht das bekannte mathematische Paradoxon mit Achilles und der Schildkröte fotografisch umsetzen. Aufgrund dieses mathematischen Paradoxons ist es ja bekanntlich unmöglich, daß der schnelle Achilles die langsame Schildkröte einholen kann. Denn immer dann, wenn Achilles den aktuell erreichten Punkt der Schildkröte aufgeholt hat, ist die Schildkröte ja in der Zwischenzeit wieder ein Stück weitergekrochen.

Also z.B. eine Schildkröte neben der Strasse vor einem Sportwagen so fotografieren, daß die Schildkröte im Vordergrund riesengroß ist und mit einem Gesichtsausdruck, als wollte sie sagen: "Ich führe das Feld an... !" :)

Ist ja schonmal gut, dass ihr mehrere Bilder erstellen dürft.
Also mal ein bisschen Brainstorming.

  • Wachstum / Entwicklung: Ein ausgelutschtes Thema, ja. Aber das wohl nicht umsonst. An Wachstum erkennt man, "wie die Zeit vergeht" - ob nun bei einer Pflanze oder einer Fotostrecke Baby - Kindergarten - Einschulung - Abschluss usw., oder auch in Form von einer Darstellung von Unterschieden zwischen früher und heute, z. B. bei Personen (Kind / Greis), in einer Gesellschaft (Sitten) etc.
  • Vergänglichkeit / Zerfall: Ebenso typisch wie das Thema Wachstum, aber man kann es ja trotzdem nennen. Der Alterungsprozess bei Lebewesen und auch der Zerfall von lange ungenutzten Gebäuden könnten hier im Mittelpunkt stehen; dazu evtl. auch Methoden, um solche Prozesse aufzuhalten, sprich Renovierung, Restaurierung von Fresken oder Gemälden, "Anti-Aging"-Produkte etc. - natürlich mit der letztendlichen Erkenntnis, dass die Zeit nie stehenbleibt und man ihr ständiges Voranschreiten nicht aufhalten und gegen die damit einhergehenden Spuren nicht immer etwas unternehmen kann
  • Zeitmessgeräte: Die Zeit wird durch den Menschen messbar gemacht. Deshalb sollte, denke ich, in der Bilderstrecke auf jeden Fall mindestens eines der Messgeräte auftauchen, um diese Tatsache zu verdeutlichen. Da gibt es viele interessante Geräte, die sich gut in Szene setzen lassen würden.
  • Nostalgie: Alte Fotos, Filme, Orte, Freunde, Bekannte, Gefühle von Leichtigkeit, Freiheit, Abenteuerlust; Erinnerungen an die guten alten Zeiten.
  • Reue: "Hätte ich mich bloß getraut ...", "Hätte ich bloß das gesagt..." - Reue, ob mitten im Leben oder auf dem Sterbebett, dazu die ganz bewusste Erkenntnis, dass manches zwar reversibel ist, sich die Zeit aber nie zurückdrehen lässt.
  • Flüchtigkeit: Eben noch erlebt, schon ist der Moment vergangen. Schnelllebigkeit, Eile, Hektik. Könnte evtl. auch mit Nostalgie verbunden werden und mit dem Gedanken, dass "alles" viel zu schnell geht.
  • Zeitreisen: Zu abgespaced? Vergangene Zeiten beobachten, erleben und verändern zu können sind eigentlich Wünsche, die schwer im Magen liegen können. Kommt ganz drauf an, wie man es darstellt.
  • Selbstverständlichkeit: Vielleicht auch Zeit im Alltag. Ein kurzer Blick auf die Uhr; im Schulunterricht Koordinatensysteme mit einer Achse, die die Zeit beschreibt; Stoppuhren; Kalender; ... obwohl sie ein faszinierendes "Konstrukt" ist, ist die Zeit kaum etwas Besonderes. Sie ist eben da.

Das waren erst mal spontane Anstöße - keine ganz ausgefeilten Ideen, sorry. Darüber würde ich mir selbst tage- und wochenlang den Kopf zerbrechen. ;-) Musste bei dem Thema allerdings an eine Passage denken, die ich letztens erst gelesen habe. Vielleicht bringt sie dir was, auf welche Weise auch immer (ich finde sie sehr schön):

"Gleich kommt der Refrain: den liebe ich besonders, und die abrupte Art, mit der er sich vorwärtswirft, wie eine Klippe gegen das Meer. Im Augenblick wird Jazz gespielt; keine Melodie, nur Noten, eine Myriade von kleinen Stößen. Sie kennen keine Ruhe, eine unbeugsame Ordnung lässt sie entstehen und zerstört sie, ohne ihnen je Muße zu lassen, sich zu besinnen, für sich zu existieren. Sie rennen, sie drängen sich, sie treffen mich im Vorbeieilen mit einem kurzen Schlag und vergehen. Ich würde sie gern aufhalten, aber ich weiß: wenn es mir gelänge, einen von ihnen zu stoppen, bliebe zwischen meinen Fingern nichts weiter als ein ordinärer und schmachtender Ton. Ich muss ihren Tod akzeptieren; ich muss ihn sogar wollen, diesen Tod: ich kenne wenige Eindrücke, die herber und stärker wären. [...]
Wenn ich diese schöne Stimme liebe, dann vor allem deswegen: nicht wegen ihrer Klangfülle, nicht wegen ihrer Traurigkeit, sondern weil sie das Ereignis ist, das so viele Noten so lange vorbereitet haben, die gestorben sind, damit es geboren werde."
(Jean-Paul Sartre - "Der Ekel")

... Irgendwie passend. Nicht unbedingt ein konkretes Motiv für ein Foto, aber zumindest eine kleine Hilfe, um sich in das Thema weiter einzufühlen.

Im Anhang noch ein paar Bilder, die ich gerade parat hatte und mit diesem Thema - ob direkt oder im entfernteren Sinn - verbinde.

freedom - (Schule, Foto, Kunst) old - (Schule, Foto, Kunst) wonderful - (Schule, Foto, Kunst) things - (Schule, Foto, Kunst) wecker - (Schule, Foto, Kunst) nostalgia - (Schule, Foto, Kunst) memories - (Schule, Foto, Kunst)

BaluDerTanzbaer  25.10.2012, 23:40

Das mit dem "Bild im Bild" und die "Pistole" find ich am besten. Richtig stark! Auch beide nicht allzu schwierig umzusetzen. Ein wenig Vorsicht sollte man wahrscheinlich bei den Bildern mit Schriftaussage haben, denn da muss der Dozent auch richtig ticken. Mir sind da schon einige über den Weg gelaufen "Kunst abzufotografieren ist keine Kunst!" Punkt, Ende - dann ist das Bild für ihn nichts wert. Das gilt genauso für Graffitis oder andere Zeichnungen, für geschriebenes Wort - bei solchen Sachen bin ich immer sehr vorsichtig, auch wenn ichs selber mag :-)

0
scopie  26.10.2012, 02:10
@BaluDerTanzbaer

Auf jeden Fall. Hatte auch Bedenken, ob ich dieser Antwort überhaupt Bilder beifügen sollte, weil konkrete Bilder ja auch ab und an die eigene Kreativität hemmen - Hoffe aber einfach mal, dass der / die Fragende es auch einfach nur als kleine Quelle der Inspiration sehen kann ;-)

0