Welches Metrum liegt vor (Sehnsucht, Heinrich Heine)?
Welches Metrum wurde in dem Gedicht ,,Sehnsucht” von Heinrich Heine verwendet?
3 Antworten
Es geht hier nicht um Ausnahmen von der Regel, sondern nur von dem Grundschema des Gedichtes.
Jedweder Geselle, sein Mädel am Arm,
schon die erste Zeile kann kein Jambus oder Trochäus sein
ubuubuubuub
Das ist ein Daktylus mit Auftakt.
Durchwandelt die Lindenreih’n;
ubuubub
hier hat man am Anfang wieder einen Daktylus mit Auftakt, am Ende hat man dann einen Trochäus.
Das ist typisch für Heine, der sich häufig nicht an die festen Vers-Schemata hält.
Den Rest müsste man sehr sorgfältig untersuchen, die Frage ist nur, was das bringt, wenn Heine selbst offensichtlich eine ganz eigene Vorstellung vom Rhythmus gehabt hat.
Danke für den Hinweis. Aber das sind Definitionsfragen - und das Schöne ist, dass jeder intelligente Mensch seine eigene Definition machen kann, wenn sie denn zur Wahrheitsfindung beiträgt. Wie erklären Sie denn den Rhythmus der Zeile, nicht des einzelnen Taktes? Übrigens: Danke für den Hinweis auf den „gewöhnlichen“ Gebrauch, so etwas nennt man normalerweise Norm und die setzt sich auf Dauer durch. Somit bleibt noch ein bisschen Hoffnung für meinen Ansatz ;-)
Mit dem "gewöhnlichen" Gebrauch meine ich ganz genau die unkritische Übernahme der Heuslerschen Verslehre, die auf der nicht nachvollziehbaren Identifikation von Musik und Sprache beruht. Ob mit dieser trägen "Norm" die "Hoffnung" eines "intelligenten Menschen" verbunden werden kann, überlasse ich Ihnen - für mich kommt das Nietzsches Wahrheitsbegriff sehr entgegen.
Auch "Rhythmus" ist ein höchst komplexer und kontroverser Begriff (s. Henri Meschonnic), eine Auseinandersetzung scheint mir hier nicht möglich. Nur so viel: ein einzelnes Wort (Jedweder) durch Auftakt zu halbieren und damit zu entstellen, scheint mir nicht angebracht.
Wenn schon Auftakt, dann wohl nur im Falle von nicht sinntragenden Elementen, etwa:
"Es kam ein Ritter hergesprengt"
Durch den Auftakt wird der Jambus zur Trochäus... Wird der "Rhythmus" dadurch wesentlich anders? Das kann doch nur für diejenigen ein Gewinn sein, die jedem Versdmaß eine bestimmte, fixierte Bedeutung zuschreiben, und ich glaube nicht, dass das in Ihrem Sinne ist.
Danke für die ausführliche Klarstellung, wir müssen das tatsächlich hier nicht weiter diskutieren, weil es sich hier meiner Ansicht nach um - im positiven Sinne des Wortes - eine kleine Auseinander-Setzung handelt, bei der von verschiedenen Positionen, aber auch von verschiedenen Zielen ausgegangen wird. Ich finde es gut, dass hier im Netz verschiedene Level angeboten werden. Ich selbst gehe eher Von unten, d.h. vom im Schillerschen Sinne „naiven“ Betrachter an die Fragen heran und versuche, Schülern Mut zu machen zur eigenen Betrachtung und damit die Distanz zwischen Fachwissenschaft und einfachem Leser zu verringern. :-)
Hier hat jemand übrigens mal in einem Video gezeigt, wie man mit Rhythmus Chaos umgehen muss:
Rhythmus-Chaos im Gedicht? Was tun? (Beispiel: Mörike, „Das verlassene Mägdlein“)
Wenn dir die Grundlagen der Bestimmung des Rhythmus noch nicht so ganz klar sein sollten, hilft dir vielleicht das folgende Video weiter:
Rhythmus im Gedicht? So einfach erkennt man ihn!
Abgesehen von Ausnahmen:
x X x x X x x X
Also Jambus + Anapäst
Die Ausnahmen von der Regel sind in der Kunst doch eigentlich immer das Spannende ;-)
Es geht hier nicht um Ausnahmen von der Regel, sondern nur von dem Grundschema des Gedichtes (aus Versehen als Antwort gepostet).
"schon die erste Zeile kann kein Jambus oder Trochäus sein"
Das ist schon wieder das gewöhnliche, falsche Verständnis des Auftaktes:
"Der Auftakt ist in der Verslehre der akzentuierenden Metrik der Teil des Verses bzw. des Versmaßes vor der ersten Hebung. Dementsprechend sind trochäische und daktylische Verse auftaktlos, jambische und anapästische Verse dagegen auftaktig." (Wiipédia).
Daher haben prominente Forscher den Auftakt-Begriff auch scharf kritisiert.