Welches Menschenbild gab es in der antiken Philosophie?

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Die Menschenbilder der Antike waren genauso verschieden, wie sie heute sind, nur dass ihre existentielle Grundlage mit der heutigen nicht vergleichbar ist. Insgesamt gab es eine viel größere Abhängigkeit von Natur und Umwelt. Das Leben war - außer für relativ wenige - voll und ganz mit Versorgungsfragen ausgefüllt. Das meiste musste selbst und von Hand gemacht werden. Es gab keine Wachstumsbeschleuniger, sodass die Erträge extrem viel niedriger waren und der Aufwand zur Herstellung von Lebensvoraussetzungen (Kleidung, Wohnen, Sicherheit, Medizin, Bildung usw.) viel, viel zeitaufwendiger. Der Mangel an Kenntnissen über das Wirken natürlicher Gesetze war erheblich und führte zu einer großen "Augenschein-Leichtgläubigkeit" aus Mangel an Wissen über die wrklichen Wirkkräfte. Die Götterwelt repräsentierte hintergründig die unterschiedlichsten Naturkräfte, denen man ausgeliefert war. Diese Erfahrungen wurden in Geschichten gebettet, in denen die Naturkräfte mit menschlichen Verhaltenseigenschaften verknüpft wurden.

Die Reaktion der Philosophen darauf war nicht viel anders als heute. Da gab es diejenigen, die die Naturkräfte erforschen wollten (Naturphilosophen) und gar nicht mehr an Götter glaubten (Materialisten) und andere, die dennoch am Götterglauben festhielten (z.B. Aristoteles). Da gab es welche, die den Glauben an höhere Mächte idealistisch überhöhten (Platon) und welche, die nur innere Widersprüchlichkeiten der Göttergeschichten ausräumen wollten (Plutarch). Da gab es welche, die die Kräfte der Natur als eine höhere Ordnung mit geistigem Ursprung darstellten (Stoa) und welche, die auf naturalistischer Welt- und Menschensicht das Verhältnis der Menschen zur Natur und zu sich selbst teils "wissenschaftlich" und teils psychologisch einordneten (Epikureer). Und natürlich gab es auch welche, die einen Standpunkt "Hauptsache gut leben" vertraten (Hedonismus des Aristipp). Zu guter letzt gab es dann auch noch die "Allesbezweifler" (Pyrrhonisten). Und wie immer gab es die vielen dazwischen.


katjakatja18 
Beitragsersteller
 16.01.2014, 16:28

Eine echt super Antwort! Sehr schön. Danke sehr!

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Sehr sehr grob kann man die antike griechische Philosophie unterscheiden in:

(I) Die vorsokratische Philosophie: zu ihr zählen die Naturforschungen (1) der Milesier (Thales, Anaximander, Anaximenes) (2) der Pythagoreer (Pythagoras und seine "Schule"), (3) der Eleaten (Xenophanes, Parmenides, Zenon von Elea) und des Heraklit, (4) die Systematiker und Theoretiker des 5. Jh.s (Empedokles, Anaxagoras, die "Atomisten" Leukipp und Demokrit).

(II) Die Sophistik (Protagoras, Prodikos, Hippias, Gorgias).

(III) Sokrates und die Sokratiker (Platon und die Akademie; Aristoteles und der Peripatos; die älteren Kyniker (Antisthenes); die Kyrenaiker (Aristippos aus Kyrene).

(IV) Die Philosophenschulen des Hellenismus: (1) die (ältere) Stoa, (2) die Kyniker, (3) der Epikureismus, (4) die Skepsis.

(V) Die Philosophie der römischen Kaiserzeit.

Zwei wichtige Entwicklungen im (ethisch-moralischen) Menschenbild war

(1) der Beginn der spekulativen und später empirisch-rationalen Naturbetrachtung, wodurch der traditionelle mythologische Glaube an die Götter infragegestellt wurde; und

(2) die Umbruchsphase seit der Mitte des 5. Jh.s, als die Sophisten und Sokrates begannen, das Dilemma um die Frage von Werden und Sein, in das die Naturphilosophen (s.o. I,3-5) geraten waren, links liegen zu lassen und den Menschen und die menschliche Sphäre (Politik, Religion, Ethik, Rhetorik, Sprache) in den Mittelpunkt zu stellen. Cicero sagt über Sokrates, er habe die Philosophie vom Himmel herabgeholt und in den Städten der Menschen angesiedelt. (Cicero, Tusculanae disputationes 5,10f.) Das gilt auch für die Sophisten. Da die Denker zur Zeit der Sophisten und des Sokrates zum ersten umfassend über den Menschen und das Menschliche diskutiert haben, sollte man sich zuerst durch diese Zeit durcharbeiten.

Zum Überblick und zur Orientierung:

  • Krefeld, H. (Hg.): Hellenika, Berlin 2002, 202-229. (Kap. "Die Philosophie")

Als Lektüre empfehlen sich:

  • Sophokles, Antigone 332ff.
  • Herodot, 3,80-84 (Verfassungsdebatte der Perser);
  • Thukydides 2,35-46 (die Rede des Perikles auf die Gefallenen [sog. "Epitaphios" – "Leichenrede");
  • Thukydides 5,84-116 (der Melier-Dialog);
  • Platon, Gorgias 482b ff.; 491e ff. (die νόμῳ-φϝσει –Debatte, das Recht des Stärkeren);
  • Platon, Politeia 514a-518c; 519c-520d (das Höhlengleichnis).

Hilfreiche www-Seiten zum Thema, mit teils knappen, teils ausführlichen Erläuterungen, Aufgaben und teilweise Übersetzungen:

  • gottwein.de/Eth/Eth-Inh.php
  • gottwein.de/Grie/vorsokr/VSSophist01.php

Ein ganz gutes und über´n bisschen Hüftgold hat sich niemand beschwert.

Die menschen waren von den Göttern so voll abhängig und so

Ich hätte meine Frage besser formulieren sollen. Welches moralische Menschenbild gab es ?