Welches Instrument spielt den Basso-continuo Part?

2 Antworten

Vom Beitragsersteller als hilfreich ausgezeichnet

Hallo Alice,

das Concertino besteht hier aus 2 Violinen und einem Violoncello.
Das Ripieno besteht aus 1. Violinen, 2. Violinen, Violen (Bratschen), Violoncelli und Kontrabass.
Das Cembalo spielt 'durch', gehört also zu beiden Gruppen.

Der Basso continuo wird somit in den Concertino-Abschnitten von einem Cello und Cembalo gespielt, in den Tutti-Passagen von allen Celli, Kontrabass und Cembalo.

Verwirrend könnte sein, dass die Cembalostimme an einigen virtuosen Stellen vereinfacht und nicht ganz identisch mit den Streicherstimmen ist, z. B. auf den Seiten 4 und 5.

LG
Arlecchino


Grobbeldopp  25.02.2022, 22:55

Hi

Bitte nicht als Nörgelei, Besserwisserei oder Angriff missverstehen.

Ich find es aber recht interessant.

12 Concerti grossi, Op.6 (Corelli, Arcangelo) – IMSLP

imslp hat das Stimmmaterial. Daraus ergibt sich kein Basso continuo part wie in dem Video oben, es sei denn man spielt trotz Vorhandensein eines Grosso aus dem Violoncello del concertino part und vereinfacht dabei die Celloläufe.

Dabei ist vielleicht interessant, dass auf dem Cover nicht die Rede ist von einem Cembalo des Concertino, aber das grosso als "ad arbitrario" bezeichnet wird. Ich würde das zumindest möglicherweise so lesen, dass es gute Praxis wäre das Concertino mit exakt 3 Instrumenten ohne Continuo zu spielen und demnach also auch gar kein Continuo im Wortsinne zu haben, sondern ein Cembalo des Basso del C. grosso.

Oder eben 2 Cembali. Aber da steht wortwörtlich "duoi violini e violoncello" für das Concertino und die Bezifferung des Violoncello macht auch Sinn wenn man das Stück ohne grosso zu dritt oder viert spielen will.

Alice740 
Beitragsersteller
 23.02.2022, 20:43

Darf ich Ihnen noch eine Frage stellen, die mit Barock zusammenhängt?

Alice740 
Beitragsersteller
 23.02.2022, 20:55
@Alice740

Ich habe ebenfalls mit dem Kanon D-Dur von Pachelbel ein paar Schwierigkeiten:

Den Aufbau habe ich vestanden: Bass spielt zwei Takte, die sich immer widerholen (Ostinato)

Dann hat man noch drei Violinen. Es ist doch so, dass die Violine nach zwei Takten eine neues Motiv spielt, dass die anderen beiden wiederholen.

Ich weiß nicht wie ich folgende Fragen beantworten soll und bin ziemlich verzweifelt:

1.) Vergleichen sie die Einsätze mit der Länge der Melodiephasen.

2.) Wie erreicht Pachelbel eine Steigerung/Beruhigung in der Musik?

Hier musste ich an die Lautstärke denken aber um ehrlich zu sein, habe ich keine Ahnung. Ich würde sie gerne haben, weil mein Musiklehrer letztes Jahr meinte: "Musik LK ist schon was für dich." Aber jetzt bin ich einfach nur verzweifelt, nicht zuletzt deswegen, dass ich mich mit Streichinstrumenten weinig auskenne.

https://www.youtube.com/watch?v=JvNQLJ1_HQ0

Arlecchino  23.02.2022, 21:56
@Alice740

Der Kanon von Pachelbel vereint zwei Kompositionsprinzipien: Die Chaconne und den Kanon.
Die Chaconne ist ein Stück, das - wenn es streng durchgeführt ist - vom ersten bis zum letzten Ton über einer gleichbleibenden Basslinie oder einer gleichbleibenden Akkord-Folge entwickelt wird. Das ist hier der Fall.

Der Kanon ist ein Stück, das aus nur einer Melodie besteht. Die Mehrstimmigkeit entsteht dadurch, dass mehrere Stimmen diese Melodie zeitversetzt spielen oder singen. Das ist hier in den 3 Violinstimmen der Fall.

Vergleichen sie die Einsätze mit der Länge der Melodiephasen.

Die 'Zeitverschiebung' der Einsätze ist mit der Länge der sich wiederholenden Harmoniefolge identisch. So funktioniert ein Kanon, auch wenn es zu den Kanon-Stimmen keine zusätzliche Bassstimme gibt.

Wie erreicht Pachelbel eine Steigerung/Beruhigung in der Musik?

Durch die Zu- und Abnahme der Bewegung, nichts anderes. Bewegung bedeutet (1) die empfundene Zu- und Abnahme an Geschwindigkeit, die durch kleinere Notenwerte bewirkt wird. Und (2) die Expansion des Tonumfanges: Die Extreme: Takt 3ff. ruhige Viertelnoten, die stufenweise geführt werden, T 19ff. 32-tel-Noten immer wieder mit Oktavsprüngen.

Hier musste ich an die Lautstärke denken...

Das ist ein Ausdrucksmittel, ohne das die Musik ab der Klassik nicht mehr denkbar ist. Im Kanon von Pachelbel gibt es keine dynamische Angabe.

Alice740 
Beitragsersteller
 24.02.2022, 06:00
@Arlecchino

Ich weiß wirklich nicht, wie ich Ihnen danken soll! Haben Sie vielleicht einen Tipp wie ich an meinem musikalischen Gehöre arbeiten könnte?

Arlecchino  24.02.2022, 06:32
@Alice740
wie ich an meinem musikalischen Gehöre arbeiten könnte?

Die 'natürliche' Methode: Selbst Musik machen (singen oder ein Instrument lernen) und dabei nicht stumpf Töne produzieren sondern sich aufmerksam zuhören.

Die pädagogische oder Holzhammer-Methode: Sich immer wieder Töne vorspielen lassen und diese dann benennen. Kleine Musikdiktate schreiben. Dafür braucht man allerdings jemanden, der das Leistungsvermögen einschätzen kann und jeweils mit leichten Aufgaben beginnt und dann immer anspruchsvollere stellt.

Es gibt so etwas auch im Netz, hier sind ein paar Apps, da kannst Du sehen, ob etwas für Dich dabei ist. Ansonsten - es gibt mehr, auch 'Gehörbildung' kann man googlen.

Ich weiß wirklich nicht, wie ich Ihnen danken soll! 

Du könntest bei dieser Frage 'nacharbeiten'.

Ich wünsche Dir einen schönen Tag!

Ich weiß überhaupt nicht woran ich das erkennen kann und komme generell durcheinander, wenn das ganze Orchester spielt.

Das kann man durch Hören auch fast gar nicht erkennen und es ist überhaupt nicht eindeutig zu sagen, wer Basso continuo spielt. Basso continuo wird ursprünglich manchmal nur das genannt was das Continuo realisiert also vollstimmig spielt, manchmal (vor allem heute) auch alle Bassinstrumente. Oder etwas dazwischen.

Hier in den Noten wo du verlinkt hast ist unten ein Part der Basso continuo heißt. Der wird von einem Cembalo gespielt.

Im Erstdruck gibt es diesen Part nicht. Da sind 2 Bassparts dabei.

Die "Überschrift" auf dem Cover einer Druckausgabe von 1714

IMSLP40726-PMLP28008-corelli_op6.pdf

Lautet: Con duoi Violini e Violoncello di concertini obligato

e duoi altri violini, viola e basso di concerto grosso ad arbitrio, che si potranno radoppiare

Also: Für 2 Violinen und Violoncello (Concertino obligato)

und 2 weitere Violinen, Viola und Bass (Concerto grosso) ad libitum, ad libitum zu verdoppeln.

Da heißt also keine Stimme Basso continuo. Die Basstimme des Concertinos heißt Violoncello und ist beziffert, die Bassstimme des Concerto grosso heißt Basso und ist beziffert.

Das Violoncello ist hier tendenziell kein Continuoinstrument. Man könnte 2 Cembali oder auch andere Instrumente (insbesondere Orgel und Theorbe) benutzen. Man könnte es ohne Continuoinstrumente spielen. Man könnte das Violoncello ohne Continuoinstrument spielen lassen- das würde ich in der Tat so machen.

Man könnte sagen dass der Kontrabass und die Violoncelli die im Video den Bass des Concerto grosso spielen auch Basso continuo spielen oder sagen dass nur das Cembalo Basso continuo spielt.

 Ich habe übrigens gedacht, dass das Violoncello auch zum Concertino gehören würde

Das Violoncello gehört auf jeden Fall zum Concertino.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – in der Schule haben wir Lieder gesungen (z.B. über Ponys)

Alice740 
Beitragsersteller
 26.02.2022, 16:14

Vielen Dank für Ihre Antwort! Sie haben sich sehr viel Mühe gegeben!!

Arlecchino  25.02.2022, 23:47

Den zeitgenössischen Druck zu betrachten ist aufmerksam. Allerdings ziehst Du daraus einige falsche Schlüsse. Ich habe meine Antwort mit dem Druck abgeglichen, sie ist korrekt.

und es ist überhaupt nicht eindeutig zu sagen, wer Basso continuo spielt.

Doch ist es. Alle Celli, Kontrabass und Cembalo, ggf. auch Laute oder Theorbe.

Da heißt also keine Stimme Basso continuo. 

In dem zeitgenössischen Druck ist nicht 'B. c.' oder 'Continuo' vermerkt, das ist auch nicht ungewöhnlich. Durch die Bezifferung ist es jedoch eindeutig. In der Alten Musik ist vieles nicht notiert, das den Zeitgenossen ganz selbstverständlich war.

Das Violoncello ist hier tendenziell kein Continuoinstrument.

(s. o.) Das Cello, auch das des Concertino, ist durchgehend Continuo-Instrument. Die Stimme des Concertino-Cellos hat durchgängig Bass-Funktion, auch wenn es stellenweise die Basslinie des Ripieno figuriert.

Man könnte es ohne Continuoinstrumente spielen. Man könnte das Violoncello ohne Continuoinstrument spielen lassen- das würde ich in der Tat so machen.

Nimmt man diesen Abschnitt wörtlich, würde der Basso continuo vollständig entfallen. Meinst Du "Man könnte es ohne Cembalo/Theorbe spielen", dann würde das der Praxis der Zeit nicht entsprechen, und der Bezifferung des Basses würde es widersprechen.

Grobbeldopp  26.02.2022, 05:27
@Arlecchino
 Allerdings ziehst Du daraus einige falsche Schlüsse.

Well, I don't think so. Wie du dir denken kannst.

Ich habe meine Antwort mit dem Druck abgeglichen, sie ist korrekt.

Deine Antwort ist nicht falsch. Das war auch nicht mein Punkt. Der Punkt den ich bringen will ist: Genaugenommen haben Barockkomponisten, insbesondere bei Konzerten und anderer Kammermusik, öfter recht wörtlich zu nehmende Bezeichnungen für diverse Bassparts verwendet. Und weiter, der Bass eines Werkes wurde in der Barockmusik meistens nicht einfach so Basso continuo genannt und auch nicht als solcher aufgefasst.

Doch ist es. Alle Celli, Kontrabass und Cembalo, ggf. auch Laute oder Theorbe.

Nach heutigem Verständnis unter Umständen. Aber nicht dem damaligen Verständnis gemäß.

Heute häufig folgendes Verständnis auch bei HIP Aufführungen: Die tiefste Stimme ist der Basso continuo. Der Basso continuo wird von vollstimmigen Instrumenten (Theorbe, Orgel, Cembalo) und reinen Bassisntrumenten aufgeführt. Dabei wird Cembalo + Violoncello als "wenig" und Cembalo + 1-2 Violoncelli + Kontrabass + ggf. Theorbe + ggf. Fagott als normal bei mittlerer Besetzung angesehen.

Das gilt aber nicht für die Concerto-Literatur und auch die Kantaten-Literatur des frühen 18. und späten 17. Jahrhunderts.

Da gibt es ganz verschiedene Bezeichnungen für Bassstimmen:

  • einfach nur die Instrumente nennen: "Orgue, Basse de Violon et Bassons" z.B. oder Violone o cembalo
  • Basso continuo (idr. wenn ein oder zwei Instrumente ausreichen)
  • Basso (idr. wenn es nur eine Bassstimme gibt)
  • Basso per l'Organo oder Basso per il cembalo
  • Cembalo

usw.

Obwohl diese Bezeichnungen angesichts der Austauschbarkeit der Bassausführung nicht als absolute Vorschriften zu sehen sind verraten sie doch weit mehr als nichts. Zumindest tendenziell verraten sie etwas über die Erwartungen der Komponisten. Das kann man dann mit Ikonographie und erhaltenen Aufführungsmaterialien vergleichen.

So weit ich so etwas gesehen habe ist es recht klar; bei Concerto-Repertoire waren die Bassgruppen historisch sehr oft kleiner als man das heute üblicherweise zu hören bekommt, und die meisten als Basso continuo bezeichneten Stimmen meinen ein oder zwei Instrumente.

Basso continuo meint idr. nur das Aussetzen des Basses, allenfalls noch ein weiteres mitgehendes Instrument, meist Violone, seltener Violoncello oder Gambe.

In vielen Concerti wird zwischen Continuo und Violoncello oder wesentlich seltener Continuo und Violone getrennt.

Grobbeldopp  26.02.2022, 05:45
@Arlecchino
In dem zeitgenössischen Druck ist nicht 'B. c.' oder 'Continuo' vermerkt, das ist auch nicht ungewöhnlich. Durch die Bezifferung ist es jedoch eindeutig. In der Alten Musik ist vieles nicht notiert, das den Zeitgenossen ganz selbstverständlich war.

Den Zeitgenossen war aber manches nicht selbstverständlich, was heue in der Barockmusikszene noch eher selbstverständlich ist, selbst bei Kammermusik.

Vor allem war nicht selbstverständlich, dass man

  • die Stimmbezeichnungen in Partitur und Stimmen nicht ernst nimmt, sondern als Basso continuo immer ein bestimmtes merhköpfiges Standardensemble annimmt
  • immer einen Kontrabass mitlaufen lässt
  • das Cembalo als Basso continuo fast immer mit einem Violoncello doppelt
  • den Violone als Basso continuo immer mindestens mit einem Cembalo doppelt
  • die doppelchörige Konzeption eines Werkes missachtet

Guck mal hier: Einige andere Überschrifen einfach nur von Werken Corellis. Die sind ziemlich präzise

File:Corelli - Op. 6, Preface No. 1.pdf – IMSLP

Hier über die brandenburgischen Konzerte und wie es da Sinn macht die verschiedenen Bassbesetzungen wörtlich zu nehmen

Brandenburg lecture for ISB 2007. Peter McCarthy (2) (2).pdf

(Ich hoffe die Verlinkung klappt wenn nicht: Das findet man auch im Netz unter Peter McCarthy the violone in Bach's Brandenburg concertos)

Das Cello, auch das des Concertino, ist durchgehend Continuo-Instrument. Die Stimme des Concertino-Cellos hat durchgängig Bass-Funktion, auch wenn es stellenweise die Basslinie des Ripieno figuriert.

Dazu: Sind die Fagotte in der Feuerwerksmusik Continuoinstrumente? Wenn man es ohne Cembalo oä aufführt? Ist es eine Basstimme, die funktional nur den Bass singt trotz Solo? Wie noch in Buxtehudes Kantaten üblich?

Nimmt man diesen Abschnitt wörtlich, würde der Basso continuo vollständig entfallen. Meinst Du "Man könnte es ohne Cembalo/Theorbe spielen", dann würde das der Praxis der Zeit nicht entsprechen, und der Bezifferung des Basses würde es widersprechen.

Nein, würde es nicht.

Es gibt 7 Stimmen im Stimmensatz, davon haben zwei die Funktion Bass.

Die zwei Stimmen heißen: Violoncello del Concertino und Basso

Was der Praxis vielleicht nicht widersprechen würde aber ungewöhnlich wäre wäre wenn man gar kein Instrument den Bass aussetzen lässt (= Basso continuo).

Aber ich finde es sowohl sinniger, mit 2 Cembali zu spielen als auch mit dem Cembalo die "Basso" Stimme zu spielen.

Stell dir vor du bist Cembalist und zwar der einzige und kannst nur aus den 7 parts wählen die gedruckt wurden.

Was bist du? Bist du ein Violoncello? Nein. Bist du ein Basso? Ja bist du. Du würdest den Basso part des Concerto grosso spielen. Das würde auch den Kontrast zwischen Concertino und Grosso wesentlich schöner herausbringen.

Dass die Violoncello-Stimme auch beziffert ist macht total Sinn auch wenn kein Cembalo sie in Anwesenheit einer Grosso-Gruppe mitspielt, da das Werk im Titel und von der Konzeption her die Option offen lässt, das ganze Grosso wegzulassen.

Die Bezifferung des Celloparts könnte also hauptsächlich dazu dienen, das Werk auch mit 3-4 Spielern aufzuführen. Oder mit 2 Cembali, wie man meint, aber am unwahrscheinlichsten erscheint mir die Option, das einzige Cembalo die Cellostimme geschweige denn eine vereinfachte Cellostimme spielen zu lassen wenn ein Grosso Satz vorhanden ist.