Welche Überlegungen sind für die vernichtung der Juden in der Neuzeit verantwortlich zu machen?

9 Antworten

Die Neuzeit beginnt 1500 oder 1600 n. Chr. Hier gab es aus religiösen Gründen eine Distanzierung zwischen Juden und Nicht-Juden. Zunächst waren für Christen Geldgeschäfte mit Zinsen verboten. Das war eine wirklich gute Idee, denn sich daran zu bereichern, dass jemand anderes Geld benötigt, ist nicht wirklich fair und führt zu massiven Ungleichverteilungen. Juden war das nicht verboten, die Mitgliedschaft in Handwerksgilden aber schon. Hier gab es also damals schon Vorurteile und Separationen, ich nehme an aus simpler Furcht vor Fremdem. Dass nun die Juden die Finanzgeschäfte übernommen haben, weil ihnen nicht viel anderes übrigblieb, wurde ihnen dann angekreidet - der typische Neid eben. Diese Werturteile blieben erhalten, als die Zinsgeschäfte auf für Christen legal wurden. Hier spielt wohl die Macht der Gewohnheit eine Rolle. Das ist heute ja nicht anders: Da haben wir gerade mal 30 Jahre über Bill Gates geschimpft, weil er miserable Computerprogramme mit fiesen Mitteln verbreitet und sich maßlos daran bereichert hat, dann wird er ja wohl auch für die Corona-Epidemie verantwortlich sein...

Die Idee, diese Judenfeindlichkeit tatsächlich für einen Massenmord zu nutzen, hatten die Nazis im dritten Reich. Hier ging es wohl darum, den inneren Zusammenhalt zu stärken, indem ein äußerer Feind erfunden und bekämpft wird. Weiterhin brauchten die Nazis das beschlagnahmte Vermögen für die Rüstung.

Der Ausdruck "Vernichtung der Juden" ist nicht korrekt: Das hat ja zum Glück nicht funktioniert. Viele Juden wurden getötet, aber nicht das Judentum.


Trande  26.05.2020, 12:02

Habe einen kleinen Kritikpunkt: ich denke nicht, dass die Nazis die Juden als scapegoat auserkoren haben, sondern wirklich überzeugte Antisemiten waren, und das deswegen aus Überzeugung durchgeführt haben.

1
mjutu  26.05.2020, 12:47
@Trande

Da hast du wohl recht. Hier gab es offenbar einen Rückhalt in der Bevölkerung und überzeugter Antisemitismus war salonfähig. Danke für die Präzisierung.

Sinti, Roma und Homosexuelle passen auch in dieses Schema, dienten aber nicht vordringlich der Bereicherung.

0

Das hatte wohl eher sozialphsychologische Gründe. Man brauchte einen Sündenbock, den man für alles verantwortlich machen konnte, auf den man hinabschauen konnte und den man darüberhinaus auch noch finanziell ausnehmen konnte.

Treiber dieses Gedankenguts waren bei den Nazis vor allem Leute wie Alfred Rosenberg, Julius Streicher und auch Hitler selbst. Zunächst wollte man die Juden ja nur vertreiben, aber mit zunehmendem Kriegverlauf ab 1941 und vor allem der extremen Brutalität der deutschen Einsatzkräfte hinter der Front gegenüber der Zivilbevölkerung hatte alle moralischen Bedenken hinweggespült.

Nach der Atlantik-Charta vom 14.8.41 wusste Hitler sehr wohl, dass der Krieg für ihn verloren war. Sein brutales Racheziel war ab diesem Zeitpunkt die "Ausrottung der jüdischen Rasse". Es ist ja wohl klar, dass der Mann jähzornig und hysterisch was.

Wenn es nur bei den theoretischen Überlegungen geblieben wäre.

Geldgier der Nazis.

Neid auf den Teil des Judentums, der es zu etwas gebracht hatte (Aerzte, Anwälte, Unternehmer).

Die Vernichtung von angeblich minderwertigen Menschen. (Nur schon dieser Satz kling abscheulich). Randbemerkung: Es aber über durchschnittlich viele jüdische Nobelpreisträger.

Dolchstosslegende. Wobei um die 100.000 Juden im 1. Weltkrieg auf Seiten der deutschen Armee gedient haben. Es gab nur sehr wenige hohe Offiziere jüdischen Glaubens.

Keine. Nicht einmal "theoretisch" wird das jemend überlegen.


Trande  26.05.2020, 11:41

Antisemitische Gruppen im 19. Jhd haben schon theoretisch überlegt, was man denn machen könnte, um ihren Wahn zu stillen.

0
Trande  26.05.2020, 11:59
@Kometenstaub

Man kann die Neuzeit auch von 1500 bis heute sehen. Aber das ist Definitionssache. Am Beginn der Neuzeit gab es allerdings keinen Antisemitismus, sondern Antijudaismus.

0

ich bin jetzt auch kein profie aber ich denke das es daran lag das sie einfach anders waren ,so wurden ja auch z.b schwule u.s.w auch teil der massenvernichtung waren .

auserdem waren die juden andersdenkende und teilten nicht umbedingt die gleichen interessen

denoch bin ich der meinung das es eigendlich kein grund sein sollte so etwas zu tun

ich hoffe ich konnte dir helfen


Bodesurry  26.05.2020, 12:27

...es gab nicht DIE Juden. Genauso wie es nicht DIE Christen gab. Von liberal bis strenggläubig, von arm bis reich, von mit ganzem Herzen Deutscher sein bis Hoffnung auf Auswanderung .... es gab einfach alles.

2
mjutu  26.05.2020, 11:34

Wieso sollten die Juden "anders" sein und anders als wer? Wieso meinst du, dass sie Andersdenkende waren - oder sind? Unter Juden findet man weniger Antisemiten, aber ansonsten sind das ganz normale Menschen, die einen anderen Glauben haben als Nicht-Juden.

1
soccergirl2006  26.05.2020, 11:38
@mjutu

ich meinte damit das damals einige leute gedacht haben sie seien anders und nicht das ich es glaube .den für mich sind alle menschen gleich

1
Trande  26.05.2020, 11:43
@mjutu

Antisemitmus beruht auf die rassifizierung von Juden. Da ist es völlig irrelevant, ob jemand religiös ist, es reicht einen jüdischen Vorfahren gehabt zu haben, etc.

2
mjutu  26.05.2020, 11:46
@Trande

Da hast du recht. Und für die Nicht-Antisemiten sind Juden Menschen mit jüdischem Glauben.

Es wird Zeit, dass das Wort "Halb-Jude" so sinnfrei wird wie "Halb-Christ". Wir haben 2020 und die antisemitischen Weltsichten aus dem dritten Reich sollten nicht unser heutiges Sprachbild oder unsere Wahrnehmung dominieren.

0
Trande  26.05.2020, 11:58
@mjutu

Das stimmt aber auch einfach nicht mehr. Israel ist zB ein säkularer Staat, trotzdem sind die Bewohner Juden. Durch Zionismus und Säkularisierung ist Juden zu einer kulturellen Ethnie(?) geworden. Sehr spannend, aber auch sehr kompliziert.

0
mjutu  26.05.2020, 15:42
@Trande

74% der Israelis sind Juden, 20% nicht-jüdische Araber. Insofern ist "trotzdem sind die Bewohner Juden" nicht korrekt. Ich stimme dir zu, dass das sehr kompliziert geworden ist. Zudem ist es ein Pulverfass, denn Kritik an der israelischen Staatspolitik wird viel zu oft als anti-jüdische Meinung aufgefasst.

Wenn ein isrealischer Politiker Herrn Gauland von der AfD kritisieren würde, käme niemand auf die Idee, es stünde eine anti-christliche Gesinnung dainter.

Ein sachlicher Umgang mit dem Thema ist schwierig.

0
Trande  26.05.2020, 16:18
@mjutu

Ja, aber Juden müssen nicht religiös sein um Juden zu sein. Das ist der Punkt.

1
mjutu  26.05.2020, 16:23
@Trande

Ja, ich verstehe dich schon. 100% korrekte Formulierungen sind verblüffend schwierig hier.

1