Was wollte Platon mit seinem Höhlengleichnis sagen? Wie kann man das Bild deuten?
Höhlengleichnis richtig verstehen
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Ein Gleichnis ist eine der Veranschaulichung dienende (oft bildhafte) Gegenüberstellung von Dingen, die unter einem gemeinsamen Gesichtspunkt (tertium comparationis; «das Dritte des Vergleichs») miteinander verknüpft werden und mindestens teilweise verhältnismäßig ausführlich beschrieben werden. Es gibt Entsprechungen (Analogien), indem etwas, das im Gleichnis vorkommt, für etwas steht.
Bei Platon ist das Höhlengleichnis mit einer großangelegten erklärenden Theorie verbunden, die dahinter steht. Das berühmte Höhlengleichnis, das Platon in seinem Werk «Politeia» - im Zusammenhang einer näheren Erläuterung der Erziehung/Bildung (παιδεία [paideia]) der Philosophinnen/Philosophen - geschrieben hat (514 a – 517 a), ist nach anschließend gegebenen Hinweisen (517 a – 521 b und 532 a– 535 a) im Zusammenhang mit dem Sonnengleichnis (508 a – 509 d) und dem Liniengleichnis (509 d – 511 e) zu deuten. Dies ist eine methodische Hilfestellung des Autors selbst.
In der Abbildung werden links Dinge auf der Gleichnisebene aufgelistet, rechts das, wofür sie stehen. (und was im Sonnengleichnis und im Liniengleichnis vorkommt).
In der bildlichen Darstellung dazwischen ist eine Höhle zu sehen, in derem unteren Teil sich zwei gefesselte Menschen befinden. Ein Feuer im oberen Höhlenbereich ist eine Lichtquelle. Dadurch erscheint ein über eine kleine Mauer herausragender Gegenstand als Schatten auf der Wand. Die Menschen sehen diesen Schatten, nicht den Gegenstand selbst.
Draußen, oberhalb der Höhle ist eine Landschaft zu sehen, in der ein Mensch steht. Eine hohe Pflanze wird in einem Gewässer gespiegelt. Hoch im Himmel scheint strahlend die Sonne als Lichtquelle.
Aussagen darüber, was Platon mit seinem Höhlengleichnis sagen wollte, sind zum Teil Ergebnis einer Deutung der Philosophie Platons insgesamt.
Platon bezieht sich mit dem Höhlengleichnis auf:
a) die Beschaffenheit der Wirklichkeit/des Seienden (Ontologie), mit verschiedenen Seinsstufen/Wirklichkeitsbereichen
b) die Möglichkeit einer Erkenntnis der Wirklichkeit (Erkenntnistheorie)
c) ethische Gesichtspunkte, besonders auch pädagogische
Aussageabsichten Platons
- Mangelhaftigkeit eines Stehenbleibens bei einem bloßen Anschein, den Sinneswahrnehmung gibt: Die Menschen sind gewöhnlich dem, was sie sehen (allgemeiner genommen: der bloßen Sinneswahrnehmung) verhaftet und glauben, die Dinge seien so, wie sie erscheinen. Dies führt zu einer Beschränktheit und Mangelhaftigkeit (nur ein Ausschnitt/Teil des Ganzen und an eine bestimmte Perspektive gebunden) der Erkenntnis, die durch Fixierung/fehlende Bewegungsmöglichkeit entsteht. Es gibt eine Unvollkommenheit von Abbildern im Vergleich zur wahren Wirklichkeit. Wer auf einen einzelnen Augenschein beschränkt bleibt, erkennt nicht die wahre Wirklichkeit. Eine Übertreibung wäre, daraus eine Auffassung Platons abzuleiten, wir lebten alle in einer Scheinwelt (à la Matrix) und die Außenwelt sei nicht real.
- Hinweis auf Seinsstufen/Wirklichkeitsbereiche und darauf bezogene Erkenntnisstufen
- Forderung eines (mit Befreiung verbundenen) Aufstiegs zur Erkenntnis der Ideen bis hin zur Idee des Guten als Höchstes
- Umgewöhnungschwierigkeiten, die beim Übergang von einer Stufe zu einer anderen auftreten
- Bedeutung von Lernen/Erziehung/Bildung: Die innere Ausrichtung ist nach Platon wichtig. Gegenüber einem unkritischen Verhaftetsein am Schein ist zur Befreiung eine Neuorientierung nötig. Das Entdecken der Welt ist eine Erfahrung und Denkleistung, die von den einzelnen Personen selbst zu vollziehen ist. Das Gewinnen von Erkenntnis, echter Einsicht, kann mühsam und schwierig sein. Hilfe durch andere kann weiterführen, erfordert aber Bereitschaft zum Einlassen auf andere Sichtweisen und zum Umdenken. Platon nimmt bei gewöhnlichen Menschen/den meisten keine Befreiung aus bloßer Eigeninitiative an. Einzelnen mit besonders großen Fähigkeiten kann eine Neuorientierung aus eigener Kraft gelingen. Die meisten Menschen sind nicht so begabt und bedürfen eines Anstoßes und einer Unterstützung von außen. Der Übergang erfordert in beide Richtungen Vorsicht und Behutsamkeit, weil die Menschen ohne richtige Erkenntnis sich an ihren Zustand gewöhnt haben und erst einmal kaum etwas verstehen (der Gewinn, den Philosophie bringen kann, ist für sie nicht offensichtlich) und die Umgewöhnung anstrengende und unangenehme Seiten haben kann, auch für die zu Einsichten Vorgedrungenen bei einer Rückkehr zu Verhältnissen ohne ausreichende Erkenntnis, in die Welt des Scheins.
- Verbindung von Theorie und Praxis: Der philosophische Weg ist zunächst der Aufstieg in den Bereich des Denkbaren, in die Welt der Ideen, und das Gewinnen von Erkenntnis, dann die Rückkehr/der Abstieg in die Höhle zu den ehemaligen Mitgefangenen, die noch an den bloßen Anschein des Gesichtssinns gefesselt sind, und ihre Befreiung durch Vermittlung des Wissens. Das Höhlengleichnis verdeutlicht die schwierige Aufgabe, nicht in reiner Ideenschau zu leben, sondern nach dem Aufstieg - der eigenen Befreiung und einer Umwendung der Seele (ψυχῆς ττεριαγωγή Platon, Politeia 521 c) zur erhellenden Erkenntnis - zu den noch in Unkenntnis befindlichen Menschen zurückzukehren und für ihre Befreiung tätig zu sein. Eine Philosophenherrschaft ist nach Auffassung Platons der einzige Weg, einen Staat größtmöglicher Gerechtigkeit zu verwirklichen. Der Aufstieg philosophisch Veranlagter zu den Ideen bis hin zur Idee des Guten (ἡ τοῦ ἀγαθοῦ ἰδέα Politeia 517 b) ist für Platon die Bedingung der Möglichkeit der Befreiung von Staaten als ganzer aus Übeln/einer schlechten Lage (Politeia 473 c - 473 e) und einer Umsetzung des von ihm in einem Entwurf dargestellten gerechten Staates. Diese (nach Platons Annahme eine eher kleine Anzahl, eine Elite) sollen die Lenkung des Staates erhalten. Nach dem Aufstieg zum Licht der Sonne (steht für die Idee des Guten) sieht Platon nicht eine rein theoretische Lebensweise vor, sondern eine Hinabsteigen zurück in die Höhle zu den anderen, eine Hinwendung auch zur Praxis. Platon begründet diese Aufgabe auch mit dem Glück der Gesamtheit, auf das es ankommt.
Entsprechungen im Höhlengleichnis
a) die Höhle: Sie steht für das gewöhnliche Dasein der Menschen. Sie ist der Bereich der Sinneswahrnehmungen und der Beschränkung auf den Anschein bei einer Erfahrung. Das Umschließen symbolisiert die Begrenztheit, die Dunkelheit die mangelnde Klarheit und das fehlende Wissen.
b) die Gefangenen: Sie sind Menschen, die an den Anschein in einer Sinneswahrnehmung gefesselt sind. Ihre Lage ist ähnlich wie die der normalen Menschen („sie gleichen uns“). Sie sind einem einzigen Blickwinkel verhaftet (wegen der Fesselung an Hals und Schenkeln können sie weder Kopf noch Rumpf drehen). Sie meinen aber, etwas zu wissen.
c) die Schatten: Die Schatten von Figuren in der Höhle stehen für Abbilder von sichtbaren Gegenständen (Spiegelungen, Schattenbilder). In Bezug auf Ethik gehören dazu falsche Meinungen, z. B. über die Gerechtigkeit. Die Schatten in der Welt draußen stehen wohl für mathematische Gegenstände und Formen.
d) die Gegenstände in der Höhle: Sie stehen für Ideen, deren Abbilder sie sind (wobei künstlich hergestellte Gegenstände Nachahmungen von Lebewesen oder anderen natürlichen gegentsännden sein können).
e) das Feuer: Es steht für die Sonne, die mit ihrem Licht das Sehen ermöglicht.
e) die Mauer: Sie steht für etwas, das verbirgt und an Erkenntnis hindert. Zwischen dem Feuer in der Höhle und den Gefangene befindet sich entlang eines quer verlaufenden Weges eine kleine Mauer. Diese Mauer ist ähnlich wie vor den Menschen (den Zuschauern/dem Publikum) aufgestellte Brüstungen/Schranken/Sichtblenden der Gaukler/Taschenspieler/Puppenspieler (ὥσπερ τοῖς θαυματοποιοῖς πρὸ τῶν ἀνθρώπων πρόκειται τὰ παραφράγματα Platon, Politeia 514 b; θαυματοποιός ist jemand, der Wunderdinge/Wunderwerke tut/Bewunderung bzw. Verwunderung hervorruft), die darüber Wunderdinge/Kunststücke zeigen. Innerhalb der Szenerie der Höhle werden die Leute, die Geräte und Kunstwerke (künstlich hergestellte Gegenstände/Artefakte) tragen, die über die Mauer hinausragen, benötigt, damit Schattenbilder von diesen Gegenständen entstehen. Die Mauer verhindert ein Hereinkommen des Sonnenlichtes von oben in die Höhle hinein und verbirgt offenbar die Träger von Gegenständen vor den Gefangenen. Sie steht für das, was von klarer Erkenntnis trennt und am Erfassen von Zusammenhängen hindert.
f) die Welt außerhalb der Höhle: Sie ist der Bereich der Ideen, des Denkbaren und mit der Vernunft Einsehbaren. Dort ist Erkenntnis möglich und Menschen können die Wahrheit entdecken.
g) die Sonne: Sie steht für die Idee des Guten.
Wirklichkeitsbereiche
1) sinnlich wahrnehmbare Welt/Erscheinungswelt/Sinnenwelt/empirischer Bereich (von Platon genannt: ὁϱατὸς τόπος [horatos topos] = sichtbarer Bereich, auch τὸ ὁϱατόν [to horaton] = das Sichtbare, ὁϱατὸν γένος [horaton genos] = sichtbare Art)
a) Abbilder von durch Sinneswahrnehmung erfahrbaren Dingen (Gegenstände/Lebewesen)
b) durch Sinneswahrnehmung erfahrbare Dinge selbst (Gegenstände/Lebewesen selbst)
2) denkbarer Bereich/geistig erfaßbarer Bereich/durch Vernunft einsehbarer Bereich/intelligible Welt/Welt der Ideen (von Platon genannt: νοητὸς τόπος [noetos topos] = denkbarer Bereich, auch τὸ νοητόν [to noeton] = das Denkbare, τὸ γνωστόν [to gnoston] = das Erkennbare, νοητὸν γένος [noeton genos] = denkbare Art)
a) mathematische Gegenstände und Formen
b) Ideen, mit der Idee des Guten an der Spitze
Erkenntnisstufen
1) Meinung (δόξα [doxa]), bloß auf Sinneswahrnehmung beruhend
a) Mutmaßung (εἰκασία [eikasia])
b) Fürwahrhalten/Überzeugung (πίστις [pistis])
2) Erkenntnis/Wissen der Vernunft (νοῦς [nous] = Vernunft, Geist, Denkkraft, Einsicht)
a) Verstand/hin- und herlaufendes (diskursives) Denken (διάνοια [dianoia])
b) einsehendes/geistig erfassendes Denken (νόησις [noesis]), mit Hilfe von begrifflichem Denken - von Platon Dialektik/dialektische Kunst genannt (Politeia 532 – 534) - Erkenntnis der Ideen
Die Wirklichkeitsbereiche und Erkenntnisstufen können auch von 1 - 4 durchgezählt werden, nämlich 1) a) = 1; 1) b) = 2) ; 2) a) = 3; 2) b) = 4).
Aus der obersten Stufe kann die Idee des Guten und die darauf bezogene Erkenntnis noch einmal als allerhöchste Stufe herausgehoben werden. Erst mit dem Sehen der Sonne (= geistige Schau der Idee des Guten) ist der Aufstieg aus der Höhle (= Befreiung von einer Beschränkung auf bloße Sinneswahrnnehmung) nach Platons Darstellung ganz vollendet.
Schwächen bloßer Sinneswahrnehmung
Es gibt nach platonischer Auffassung bestimmte Schwächen/Anfälligkeiten der Sinneswahrnehmung bzw. einer zu unkritischen Überbelastung mit Leistungen, für die sie angeblich alleine schon eine ausreichende Grundlage ist:
a) Bei der Sinneswahrnehmung können Sinnestäuschungen vorkommen.
b) Bei einer einzelnen Sinneswahrnehmung kann eine Blickverengung/eine Fixierung auf eine einzige Perspektive zu einer falschen Gesamtbeurteilung führen.
c) Die Sinneswahrnehmung kann etwas an Einzeldingen erfassen, aber sie neigt zu unmittelbarer Verallgemeinerung, ohne einen Sachgehalt (etwas Bestimmtes in seiner Sacheinheit) richtig abzugrenzen und zu erfassen. Dies leistet erst begriffliches Denken. Bei den Dingen gibt es etwas, das seinem Wesen nach zur Sache selbst gehört, und etwas, das nicht dazugehört (bei einem Tisch können z. B. Form und Material unterschiedlich sein, aber es gibt eine Grundfunktion bei jedem Tisch, etwas daraufstellen zu können). Die Sinneswahrnehmung gewährleistet keine angemessene Unterscheidung dazwischen.
Platon will nicht die Sinneswahrnehmung als Mittel beseitigen und empirische Wissenschaft abschaffen, sondern auf die Beschränktheit eines einzelnen Sinneseindruckes hinweisen. Die Sinne sind für das Unterscheiden in der Wahrnehmung zuständig. Es geht ihm darum, für Erkenntnisse die Sinneswahrnehmung durch Denken zu erweitern. Der Aufstieg aus der Höhle steht für den Schritt dazu.
zur platonischen Ideenlehre, Erkenntnistheorie und ihrem Verhältnis zum Empirismus:
Gyburg Radke, Platons Ideenlehre. In: Klassische Fragen der Philosophiegeschichte I: Antike bis Renaissance. Herausgegeben von Franz Gniffke und Norbert Herold. Münster ; Hamburg; London : Lit Verlag, 2002 (Münsteraner Einführungen - Philosophie; Bd. 3/I), S. 17 – 64
Arbogast Schmitt, Platonismus und Empirismus. In: Gregor Schiemann/Dieter Mersch/Gernot Böhme (Hrsg.), Platon im nachmetaphysischen Zeitalter. Darmstadt : Wissenschaftliche Buchgesellschaft : Darmstadt, 2006, S. 71 – 95
Jan Szaif, Epistemologie. In: Platon-Handbuch : Leben, Werk, Wirkung. Herausgegeben von Christoph Horn, Jörn Müller und Joachim Söder. Unter Mitarbeit von Anna Schriefl und Simon Weber. Stuttgart ; Weimar : Metzler, 2009, S. 112 – 130
Ideenlehre
Eine Idee ist nach der Lehre Platons ein durch Denken einsehbares wahrhaft Seiendes, etwas Bestimmtes (nämlich rein die Sache selbst), das besondere und in sich selbst immer gleiche Wesen einer Sache. Eine Idee kann als innere Form, die spezifische (besondere) Natur (das Wesen) einer Sache verstanden werden. An der Spitze dieses geistig erfaßbaren Bereiches steht die Idee des Guten.
Von diesem Bereich unterscheidet Platon eine Welt der Erscheinungen, die durch die Sinne wahrgenommen werden, ein Bereich des Werdens und Vergehens (vergänglich).
Einzeldinge sind teils Idee, teils Nicht-Idee (etwas, das nicht dem Wesen nach notwendig zu dem bestimmten Etwas, welches die Idee ist, gehört). Ideen sind nur rein die bestimmte Sache selbst und stehen damit auf einer höheren Seinsstufe als die Erscheinungen. Einzeldinge haben an Ideen Anteil. Die Einzeldinge haben zu den Ideen eine Verbindung, die in bildlich-übertragener Ausdrucksweise ein Urbild-Abbild-Verhältnis genannt werden kann (ein Muster/Vorbild [παράδειγμα] und ein Abbild [εἰκών; εἴδωλον]). Platon schreibt von einer Teilhabe (μέθεξις) der Einzeldinge an den Ideen. Im Einzelding gibt es eine Anwesenheit/Gegenwärtigkeit (παρουσία) der Idee. Zwischen Idee (ἰδέα) bzw. anders ausgedrückt Form (εἶδος) und ihr zugehörigem Einzelding gibt es eine Gemeinschaft (κοινωνία).
Ohne Ideen gibt es nach Platons Lehre kein Wissen, keine Erklärung der Wirklichkeit und kein begründbares moralisches Handeln. Das Denken kann nur etwas erfassen, das etwas Bestimmtes ist. Platon versteht diese bestimmte Wesenheit, die Idee (ἰδέα oder εἶδος genannt), als grundlegend. Die Idee ist vom Sein her vorrangig.
einige Literatur (sie enthält Hinweise auf weitere):
Michael Erler, Platon. Originalausgabe. Beck : München, 2006 (Beck`sche Reihe: bsr - Denker; 573), S. 143 - 185
Michael Erler, Platon (Grundriss der Geschichte der Philosophie. Begründet von Friedrich Ueberweg. Völlig neu bearbeitete Ausgabe. Herausgegeben von Helmut Holzhey. Die Philosophie der Antike - Band 2/2). Basel ; Stuttgart : Schwabe, 2007, S. 392 – 440
Jens Halfwassen, Der Aufstieg zum Einen : Untersuchungen zu Platon und Plotin. 2., um einen Forschungsbericht erweiterte Auflage. München ; Leipzig : Saur, 2006, S.220 – 265
Rudolf Rehn, Sonnen-, Linien und Höhlengleichnis. In:
Platon-Handbuch : Leben, Werk, Wirkung. Herausgegeben von Christoph Horn, Jörn Müller und Joachim Söder. Unter Mitarbeit von Anna Schriefl und Simon Weber. Stuttgart ; Weimar : Metzler, 2009, S. 330 – 334
Benedikt Strobel, Transzendenz. In: Platon-Handbuch : Leben, Werk, Wirkung. Herausgegeben von Christoph Horn, Jörn Müller und Joachim Söder. Unter Mitarbeit von Anna Schriefl und Simon Weber. Stuttgart ; Weimar : Metzler, 2009, S. 339 – 342
Thomas Alexander Szlezák, Das Höhlengleichnis (Buch VII 514 – 521 b und 539 d – 541 b). In: Platon, Politeia. Herausgegeben von Otfried Höffe. 3., bearbeitete Auflage. Berlin : Akademie-Verlag, 2005 (Klassiker auslegen ; Band 7), S. 155 - 173
Idee des Guten
Die Idee des Guten (ἡ τοῦ ἀγαθοῦ ἰδέα [he tou agathou idea]) gilt für Menschen als kaum/mit Mühe (geistig) zu schauen (Platon, Politeia 517 b – c).
Die Idee des Guten ist nach Platon das oberste Prinzip. Sie ist Grundlage, Ursprung, Voraussetzung, Ursache und Maßstab des Seienden, der Wahrheit, der Erkenntnis, des Guten, des Richtigen und des Schönen. Sie ist von unübertrefflicher Schönheit und Ziel allen Strebens.
Sie ist voraussetzungsloser Ursprung/Anfang (ἀνυπόϑετος ἀϱχή [anhypothetos arche] Platon, Politeia 511 b), ein unbedingtes Prinzip, das nicht auf etwas Höheres zurückgeführt werden kann.
Das Erfassen mittels der Kraft von Dialektik geht bis zum voraussetzungslosen Ursprung/Anfang des Ganzen und nach dem vollständigen Erfassen mit seinen Zusammenhängen steigt es schließlich die Ideen hindurch hinab. Der Aufstieg zur Idee des Guten geschieht über eine Erkenntnis von Ideen, in einer geistigen Zusammenschau zu einer Einheit, die ihnen gemeinsam ist und die sie ermöglicht.
Die Idee des Guten (ἡ τοῦ ἀγαθοῦ ἰδέα) ist nach Platons Auffassung sowohl Seinsgrund als auch Erkenntnisgrund. In Wahrheit und Erkenntnis wie auch im Erkenntnisvermögen in der Seele (Geist/Vernunft) ist etwas von der Art der Idee des Guten enthalten. Ein geistiges Licht (in einer Doppelnatur als Wahrheit und Sein) ist das vermittelnde Dritte, das Bedingung der Möglichkeit von Erkennen ist. Dem Erkannten wird von der Idee des Guten Dasein und Wesen zuteil.
Nach einer Aussage bei Platon ist die Idee des Guten kein Sein/kein Wesen/keine Seiendheit/keine wesenhafte Bestimmtheit (οὐσία [ousia]), sondern das Gute selbst liegt jenseits des Seins/des Wesens/der Seiendheit/der wesenhaften Bestimmung und übertrifft es an Alter/Würde und Kraft (οὐκ οὐσίας ὄντος τοῦ ἀγαθοῦ, ἀλλ' ἔτι ἐπέκεινα τῆς οὐσίας πρεσβείᾳ καὶ δυνάμει ὑπερέχοντος Platon, Politeia 509 b). Mit diesem Überragen/Übersteigen (Transzendenz) ist wohl gemeint, die Idee des Guten sei nicht Sein/Wesen/Seiendheit/wesenhafter Bestimmtheit (οὐσία [ousia]) gleichzusetzen, was aber nicht bedeutet, ihr Sein/Wesen/Seiendheit/wesenhafte Bestimmung (οὐσία [ousia]) in jeder Hinsicht abzusprechen.
Die Idee des Guten gehört einerseits zu den Ideen, ist aber andererseits auch ihre Quelle/ihr Ursprung/ihre Ursache und steht noch eine Stufe darüber. Sie ist gewissermaßen die Idee der Ideen/das Prinzip der Ideen.
Die Idee des Guten verursacht als begründende Kraft:
1) Erkennen der Seele
2) Erkanntwerden des Denkbaren/Einsehbaren
3) Einheit von Denkendem und Gedachtem (den Ideen), Denken und Sein, im Erkenntnisvorgang
Die Idee des Guten ist das Prinzip, das Einheit stiftet und Gutes ermöglicht.
Die Idee des Guten erleuchtet und gibt Denken und Handeln Richtung. Das Wissen der Idee des Guten macht alles andere Wissen nützlich und vorteilhaft (Platon, Politeia 505 b).
Die Idee des Guten verleiht nach Platon den Tugenden/Vortrefflichkeiten Funktion und Zweck. Für die das Gerechte Wählenden ist sie das Ziel allen Strebens und Handelns (Platon, Politeia 505 d – e; vgl. Platon, Gorgias 468 b; 499 e; 500 a; Symposion 205 e – 206 a, Platon, Philebos 20 d). Die Idee des Guten ermöglicht ein wertvolles Leben, ein Erfüllungsglück richtiger Lebenswahl. Lust ist in ihr eingeschlossen, wobei sie aber Maß und Begrenzung schafft.
Die Idee des Guten gewährt der Gerechtigkeit Brauchbarkeit und ist auf gewisse Weise (Platon Politeia 516 c) Ursache der ausgezeichneten Seinsweise und Erkennbarkeit der Ideen.
Die Voraussetzung dafür, daß ein Seiendes zu seinem Wesensvollzug brauchbar, tauglich, nützlich und heilsam ist, liegt in seiner Einigkeit und Übereinstimmung mit sich selbst.
Prinzipienlehre
Platon hat nach antiken Zeugnissen eine Prinzipienlehre (griechisch ἀϱχή = Prinzip) vertreten, zu der es in den schriftlichen Dialogen nur einige andeutende Hinweise gibt. Platon hat sie mündlich vorgetragen („ungeschriebene Lehre“; darunter ein öffentlicher Vortrag „Über das Gute „ [Πεϱὶ τἀγαθοῦ]) und mit anderen erörtert. Als Prinzip der Einheit verleiht das Eine (τò ἕν) als Idee des Guten allem Grenze und Bestimmung und damit Existenz und Erkennbarkeit. Zu diesem ersten Prinzip tritt – ihm auf gewisse Weise untergeordnet – als ein zweites Prinzip die unbegrenzte/unbestimmte Zweiheit (ἀόϱιστος δυάς), von der die Vielheit abgeleitet ist. Dieses Materialprinzip für Ideen und Sinnendinge wird auch als Groß – Kleines (μέγα καὶ μικϱόν) bezeichnet
Erhaltene schriftliche antike Zeugnisse, die sich auch auch auf die mündliche Lehre beziehen (Aristoxenos, Στοιχεῖα ἁρμονικά (Grundzüge der Harmonielehre; lateinischer Titel: Harmonica) 40, c; Aristoteles, Eudemische Ethik 1, 8, 1218 a 20 -21 und 25 – 26; Aristoteles, Metaphysik, 14, 4, 1091 b 13 – 15), legen eine Gleichsetzung der Idee des Guten mit dem Einen nahe (wobei klärungsbedürftig ist, inwiefern bzw. auf welche Weise).
was ist das für nen komisches bild?
ganz einfach? der weg zur erkenntnis ist steinig.
zuerst sieht man die schatten, um die "realität" zu sehen, muss man sich vom konventionellen denken lösen... und man sieht und versteht die wahren dinge die sich hinter den schatten verbergen. wenn man diesen schritt überwunden hat, ist man bereit in die welt der ideellen dinge zu gehen.
die höchste stufe im höhlengleichnis kommt meiner meinung nach etwa der erleuchtung von buddha nahe... ist zu hoch für mein verständnis... es ist quasi die wahrhaftigkeit, die erkenntnis des ganzen...
vllt das was die physik als weltformel deklariert
warum mach ich mir hier so ne mühe...ich dachte daraus erwächst eine philosophisch debatte ;(
Hallo du :) Kurz und einfach: (Fast alle) Menschen glauben nur das,was sie sehen. Palton hat einen Menschen für einen gewissen Zeitraum in einer Höhle verschiedene Gegenstände in Form von Schatten gezeigt.
Der Mensch hat sich an diese gewöhnt und als man diesen in die Freiheit schickt,würde er der eigentlichen Realität keinen Glauben schenken.
Er würde nur das,was er an der Wand gesehen hat,glauben und das für das Richtige halten.
Ich hoffe,dass ich dir helfen konnte. LG :)
Sie sind von der Geburt an in der Höhle gefesselt mit dem Gesicht zur Wand. Es ist nicht möglich für sie, sich umzudrehen und die Puppenspieler, die hinter ihnen stehen und da sind um die Gefesselten zu unterhalten, zu sehen. Sie sehen lediglich die Schatten der hinter sie Stehenden und sehen und kennen nur das, was ihnen durch das Feuer hinter ihnen an der Wand reflektiert wird. So ungefahr ist die Deutung der Zeichnung...