Was tut der Rettungsdienst, wenn man genau vor deren Augen umkippt (bewusstlos)?

10 Antworten

Hallo Jenny,

also ich würde sagen, als erstes würde man versuchen, dich anzusprechen und leicht zu rütteln, um festzustellen, ob du ansprechbar bist oder du tiefer bewusstlos bist.

Bleibst du weg getreten, werden deine Vitalfunktionen überprüft, deine Atemwege kontrolliert und oft auch der Blutzuckerspiegel gemessen. Wenn dann immer noch keine Reaktion folgt, wird je nachdem wie deine Vitalfunktionen sind gehandelt.

Sind Puls und Atmung normal, wirst du wohl unter Überwachung ins Krankenhaus gebracht.

Sind deine Vitalfunktionen gestört, sagen wir mal du hast Probleme bei der Atmung, was sich ja auf den gesamten Kreislauf auswirkt, dann würde man dich wahrscheinlich intubieren um im Notfall die Atmung von außen zu gewährleisten.

Was Medikamentös gemacht werden würde, dafür reicht mein Wissen leider nicht aus, doch das wären wohl die ersten und wichtigsten Schritte.

So ganz pauschal kann man das nicht beantworten, da die Maßnahmen letztendlich immer nach dem Gesundheitszustand des individuellen Notfallpatienten und nach der Verdachtsdiagnose getroffen werden. Es gibt jedoch ein Schema für die Erstversorgung von Notfallpatienten, das ABCDE- Schema, dieses Schema hilft, dass an der richtigen Stelle die richtigen Untersuchungen und Notfallmaßnahmen eingeleitet werden.

A: Airway (Atemwege). Hier wird geschaut, ob die Atemwege frei sind, feste Fremdkörper werden mit einer speziellen Zange entfernt, flüssige Fremdstoffe werden mit einer Absaugpumpe abgesaugt. Danach werden die Atemwege gesichert/freigehalten, dazu stehen einfache Maßnahmen wie die stabile Seitenlage aber auch spezielle Hilfsmittel (Tuben) zur Verfügung, davon gibt es sogenannte Rachentuben, supra-/extraglottische Atemweghilfen und Endotrachealtubuen, was davon zur Anwendung kommt ist abhängig vom Einzelfall und von der Qualifikation der durchführenden Person.

B: Brathing (die Atmung): Hier wird die Atemfrequenz pro Minute, die Atemtiefe und der Atemrhythmus beurteilt, die Lunge wird auskultiert (mit dem Stethoskop abgehört), der Patient bekommt ein Pulsoxymeter an seinen Finger (damit wird der Sauerstoffgehalt des Blutes und gleichzeitig der Puls gemessen) und bei Verletzungen wird hier noch der Brustkorb auf Verletzungen hin untersucht. An sichernden Maßnahmen stehen Sauerstoffgabe und Beatmung zur Verfügung (Beatmung im Rettungsdienst nicht Mund- zu Mund oder Mund- zu Nase sondern mittels eines Beatmungsbeutels oder mittels eines Beatmungsgerätes. Desweiteren können zum Beispiel bei Asthmaanfällen Medikamente vernebelt werden, welche die Bronchien wieder erweitern und der Patient wieder besser Luft bekommt.

C: Circulation (Kreislauf). Hier wird der Puls gefühlt, der Blutdruck gemessen, die Hautfarbe beurteilt und zumindest ein kleines EKG geschrieben, dass dann je nach Zustand auf ein "großes" 12- Kanal EKG erweitert wird. Notfallmedizinische Maßnahmen sind Blutungsstillung, angepasste Lagerung, venöser Zugang und Infusion und ggf. medikämentöse Therapie.

D: Disabled (neurologischer Zustand). Hier gibt es ein Untersuchungsschema bei Verdacht auf Schlaganfall (FAST- Test), es wird eine Blutzuckermessung durchgeführt, in die Pupillen geschaut und bei Knochenbrüchen werden Durchblutung, Motorik und Sensibilität überprüft. Beim Schlaganfall entscheidet man sich für den Transport in ein Krankenhaus mit einer Spezialabteilung dafür (sogenannte Stroke- Unit), bei einer Unterzuckerung bekommt der Patient Glucose über einen intravenösen Zugang verabreicht.

E: Environment. Wärmeerhaltung, Versorgung von kleinen Verletzungen, weitere Maßnahmen nach Bedarf.

Mfg.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Rettungsdienst🚑, sehr großes Interesse an Notfallmedizin.

Tamtamy  01.11.2019, 23:08

Sehr informative Antwort!

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Hey

sie werden deine Beine in einen 90 Grad Winkel aufstellen sodass dein Blut wieder zurück in den Kopf langsam fließt

des weiteren werden sie dir eine Infusion legen und gegebenenfalls Blut abnehmen und dich in ein Krankenhaus fahren. Wenn du wieder bei Bewusstsein bist kannst du evtl. sogar einen Wunsch äußern welches Krankenhaus der Stadt (so läuft das bei uns) ausgenommen sind Patienten die in Lebensgefahr schweben

dann wirst du nur noch den Schwestern übergeben und die kümmern sich um dich


RedPanther  01.11.2019, 10:49
sie werden deine Beine in einen 90 Grad Winkel aufstellen sodass dein Blut wieder zurück in den Kopf langsam fließt

Einmal: 90° wäre die Yoga-Figur "Kerze". Das lernt man sicher nirgends.

Außerdem sollte man als jemand, der das (semi-)professionell macht, wissen dass das ein sehr zweischneidiges Schwert ist. Man erhöht durch diese Maßnahme schlagartig die Vorlast des Herzens , und wenn die Bewusstlosigkeit das Symptom einer kardialen Problematik ist, kann es sein dass die Pumpe daraufhin direkt den Dienst quittiert.

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Hi,

im Prinzip hat RedPanther schon alles wesentliche genannt - der Ablauf orientiert sich an entsprechenden Schemata, allen voran das (x)ABCDE-Schema. Vom Grundsatz her macht es absolut keinen Unterschied, ob es im Beisein des Rettungsdienstes erfolgt oder eben vor dem Eintreffen.

Bei Auffinden einer bewusstlosen Person gilt - analog zur Ersten Hilfe - Ansprechen, Anfassen, Atemkontrolle! Bei nicht normaler Atmung wird reanimiert, bei ausreichender Spontanatmung wird entsprechend dem (x)ABCDE weiterverfahren. Bei einer Bewusstlosigkeit erfolgt zudem die Nachforderung eines Notarztes.

(x) - offensichtliche, starke Blutungen nach außen werden gestillt, z.B. mittels Druckverband oder Tourniquet

A - Sicherung der Atemwege. Primär erfolgt das im Erstangriff mittels Guedeltubus und Absaugbereitschaft, je nach Situation auch der stabilen Seitenlage. Im Verlauf kann auch eine endotracheale Intubation durch den Notarzt notwendig werden.

B - Belüftung. Sind beide Lungen belüftet? Gibt es auffällige Atem(neben)geräusche? Sind gestaute Halsvenen oder eine Zyanose erkennbar? Pauschal wird beim Bewusstlosen zur hochdosierten Sauerstoffgabe (heißt: 15 l/min über Maske mit Reservoir) geraten.

C - Kreislauf. Wie ist der Hautstatus? Wie sind die peripheren Pulse? Wie ist die Rekapillarisierungszeit ("Recap")? Gegebenenfalls auch im Erstangriff schon Messung des Blutdrucks. Gibt es Anzeichen für eine Einblutung in große Blutungsräume (Bauch, Becken, Oberschenkel)? Spätestens hier erfolgt auch die Anlage von zumindest einem großlumigen venösen Zugang und die Applikation einer balancierten Vollelektrolytlösung.

D - neurologischer Status. Es wird die GCS erhoben und neurologische Defizite bestimmt. Eine Pupillenkontrolle gehört hier genauso dazu wie eine Blutzuckermessung.

E - schnelle Ganzkörperuntersuchung, auch "Bodycheck" genannt. Sind weitere Verletzungen erkennbar? Gibt es Anzeichen für Frakturen, Wirbelsäulenschädigungen etc.? Ferner erfolgt der Wärmeerhalt und die Versorgung "kleinerer" Wunden.

In der Regel werden parallel dazu Messwerte und eine Fremdanamnese erhoben sowie zumindest das Standardmonitoring (EKG, Pulsoxymetrie) durchgeführt.

Anhand der gewonnenen Erkenntnisse wird eine (oder mehrere) Verdachtsdiagnosen gestellt, anhand derer die Dringlichkeit, das weitere Vorgehen bis zur Auswahl einer geeigneten Klinik festgelegt werden.

LG

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Notfallsanitäter, Blogger, Medizinstudent

Das kann man pauschal nicht sagen.

Es kommt auf den Einzelfall und die Gegenheiten an.


Venire  01.11.2019, 10:32

Es kommt nicht auf den Einzelfall an. Rettungsdienstler haben eine Garantenpflicht und müssen helfen.

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Landvogt1987  01.11.2019, 10:47
@Venire

Klar müssen sie das. Aber die Fragestellerin fragt nach dem genauen Ablauf (s. Beschreibung zur Frage). Dieser Ablauf ist aber individuell. Also kommt es doch auf den Einzelfall.

Ein Notfall ist nichts, was nach "Schema F" abläuft, wie eine Waschmaschine, die du anstellst.

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Landvogt1987  01.11.2019, 10:48
@Venire

Vielleicht solltest du dir angewöhnen, Fragen und Antworten genau zu lesen. Das hilft oft beim Verständnis.

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RedPanther  01.11.2019, 15:53
@Landvogt1987

Da möchte ich widersprechen. Im Rettungsdienst wird eigentlich recht streng nach Ablaufschema bzw. Algorithmus gearbeitet. Das ist auch gut so, denn gerade in der "Chaosphase", so die ersten 3-4 Minuten, ist es besser wenn man sich nicht großartig absprechen muss, sondern weiß was man selbst und der Kollege jetzt nacheinander tun. Und zwar, was wichtig ist: Auch, wenn man die erste gemeinsame Schicht hat!

Für eine Palette von definierten Notfallszenarien werden also buchstäblich Algorithmen gepaukt und abgearbeitet.

Für die Fälle, die das Lehrbuch nicht vorsieht (das sind meist die weniger schweren Fälle), gibt es dann noch eine Art Grundgerüst für ne strukturierte Vorgehensweise. Beispielsweise das bekannte "Treat first what kills first", was zum (C)ABCDE (Critical bleedings, Airway, Breathing, Circulation, Diseases, Exposure) führt. Das wird quasi Schritt für Schritt so abgearbeitet.

Individuell wird es dann eigentlich nur noch innerhalb des Schemas: Der eine Mensch atmet frei, der andere schnarcht und der dritte bekommt eindeutig keine Luft. Was dann eine entsprechende Vorgehensweise nach sich zieht.

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Landvogt1987  01.11.2019, 15:58
@RedPanther

Ok, das ist mir neu.

Aber machst du das wirklich streng nach Ablaufplan?

Also um das auf das Thema Waschen zu übertragen:

Ich nehme fünf Pullover und drei Hosen, wiege genau so und so viel Gramm Waschpulver ab, gebe die und die Menge Waschpulver dazu etc.?

Einen ähnlichen Ablauf gibt es da auch?

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RedPanther  01.11.2019, 16:42
@Landvogt1987

Das (c)ABCDE mache ich zu Beginn des Einsatzes tatsächlich 1:1 so. Das geht beim wachen Menschen relativ einfach: kritische Blutungen würden einem sofort auffallen, wenn der Mensch normal mit mir spricht, bekommt er gut Luft, und die Hautfarbe und ein kleiner Druck auf seinen Fingernagel sagen mir schon einiges über seine Kreislaufsituation. Bei der gegenseitigen Vorstellung und Nachfrage, was los ist, fällt dir auch auf ob der Mensch klar im Kopf ist, und ob er friert, merke ich auch recht einfach.

Das sind 2 min, die automatisch ablaufen und mir schonmal grundsätzlich sagen, wie es dem Menschen geht. Und klar: Wenn er blitzeblau angekaufen ist, offensichtlich keine Luft bekommt und vor ihm der Teller Goulasch steht, kümmere ich mich erstmal um die Atemwege, bevor ich nach dem Kreislauf gucke.

Das geht automatisch, und in der Zeit kann ich im Kopf erstmal ankommen und mir einen Überblick verschaffen, was wohl das Problem ist. Und dann hole ich quasi den entsprechenden Ablaufplan raus. Zum Beispiel: "ist gegen Nüsse allergisch, hat versehentlich einen Nussriegel gegessen, jetzt zusammengebrochen und schwarz vor Augen" -> anaphylaktische Reaktion.

Das Schema sagt:

  1. wenn möglich, Allergen entfernen.
  2. wenn nötig, Notarzt nachalarmieren.
  3. wenn kreislaufinstabil: sofort 0,5 mg Adrenalin intramuskulär injizieren (pauschale Dosis beim Erwachsenen).
  4. wenn Atemwege verschwollen: 3 mg Adrenalin per Sauerstoffmaske vernebeln.
  5. einen, besser zwei großlumige intravenöse Zugänge legen.
  6. Vollelektrolytlösung anschließen, bei bei schwachem Kreislauf unter Druck infundieren.
  7. weiteres Adrenalin vorbereiten, bei weiterem Rückgang des Blutdrucks in 0,1mg-Schritten dosieren
  8. Fenistil und Cortison für den Notarzt vorbereiten.
  9. Wärmeerhalt sicherstellen.

Damit bist du zu zweit erstmal beschäftigt. Aber du weißt eben, dass es läuft. Du magst mit deinem Kollegen noch nie einen Einsatz abgearbeitet haben, aber du weißt, dass er sich ebenfalls an dieses Schema halten wird - die Kommunikation, die dabei stattfindet, beschränkt sich auf "wir spritzen i.m.", "ich verneble", "gib mir 'ne graue Nadel" und "ist der Doc eigentlich mitalarmiert?". Und beide Teammitglieder wissen, was gemeint ist.

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