Was sind intellektuelle Ambitionen?

1 Antwort

Hoffentlich politische!! Oder nicht?

Intellektuelle und Politik – das ist die Geschichte einer unglücklichen Liebe.

 

Das fängt schon in der Antike an. Der große Staatsdenker Platon erlebte ein Debakel, als er seine Philosophie mit dem praktischen politischen Leben zu verbinden versuchte. 367 v. Chr. ging er nach Sizilien, um den neuen Herrscher von Syrakus, Dionysios II., in der Regierungskunst zu unterweisen. Das Experiment scheiterte, und Platon musste von einem Freund auf dem Sklavenmarkt freigekauft werden.

 

In Deutschland hat sich der Graben zwischen Politik und Kultur besonders tief eingeprägt. 

 

Das hängt mit der "verspäteten Nation" zusammen. Lange bevor die Deutschen politisch eine Nation waren, begriffen sie sich als Kulturnation. 

 

(Das sehe ich anders: damals hiess "Kultur" lediglich Lese- und Bücherzirkel oder Bibelkreis, weshalb auch -anders als in England u.v.a. Frankrich- die Aufklärung bzw. der Widerstand gegen ein Obrigkeits- und Kaiser/Führer- Gehorsam so lange ausgeprägt blieb... bis zur Katastrophe 1938 ff)

 

Viele deutsche Intellektuelle begrüßten die "Französische Revolution", um sich entsetzt von ihrem "Terreur" abzuwenden. In seiner "Ästhetischen Erziehung" entwickelt Friedrich Schiller die Vision, wie der Mensch nicht mit Gewalt, sondern mit Kunst zu bessern sei. 

 

Der deutsche Intellektuelle hielt Politik für ein schmutziges Geschäft. Sein Ideal war die "machtgeschützte Innerlichkeit", um in Schillers Sinne den "inneren Menschen zu veredeln".

 

Nietzsche brachte die Politik-Verachtung der Intellektuellen nach der Reichsgründung 1871 auf den Punkt: 

 

"Ich fürchte, das war das Ende der deutschen Philosophie. 

Die Politik verschlingt jetzt allen Ernst für wirklich geistige Dinge."

 

Thomas Mann nannte 1918 seine anti-demokratische Streitschrift für die deutsche Kultur gegen die welsche Zivilisation "Bekenntnisse eines Unpolitischen". Bruder Heinrich formuliert im Essay "Geist und Macht" einen scharfen Gegensatz zwischen den politischen Denkern und den Machthabern.

 

Nach dem zweiten Weltkrieg gaben Intellektuelle wie Rudolf Augstein oder Ralf Dahrendorf eher kurze Gastspiele in der Politik.

 

Auch wenn uns die Abgehobenheit der Intellektuellen über die Tagespolitik heute obsolet erscheint – eins bleibt bedenkenswert: Sie sind dazu da, die Politik ohne Rücksicht auf Partei und Proporz, auf Demografie und Denkverbote zu reflektieren und zu kritisieren. Wechseln sie zu den Machern, sind Enttäuschungen unausweichlich. (aus der netzzeitung)