Was meint Knigge mit diesem Satz?
"Wenn die Regeln des Umgangs nicht bloß Vorschriften einer konventionellen Höflichkeit oder gar einer gefährlichen Politik sein sollen, so müssen sie auf die Lehren von den Pflichten gegründet sein, die wir allen Arten von Menschen schuldig sind, und wiederum von ihnen fordern können. – Das heißt: Ein System, dessen Grundpfeiler Moral und Weltklugheit sind, muss dabei zum Grunde liegen."
Wollte er damit ausdrücken, dass die Höflichkeit der Leitfaden zur einer gerechten Gesellschaft sein sollte und dass es die Pflicht von allen Menschen sein sollte, höfflich zu sein egal bei welcher Situation? Und das die Moral die Stütze für diese Gesellschaft ist?
Ich verstehe es nicht ganz :(.
5 Antworten
Höflichkeit versus Etikette und starren (gelernten) Regeln. Bedeutet Höflichkeit, "Bitte" und "Danke" zu sagen und einer älteren Person die Tür aufzuhalten oder seinen Platz im Bus anzubieten ? Nein, sagt Knigge. Höflichkeit ist (wie auch die Dankbarkeit Dankbarkeit ist nicht nur die größte aller Tugenden, sondern auch die Mutter von allen. - Gefunden auf: https://www.myzitate.de/marcus-tullius-cicero/ ) eine Haltung, eine Entscheidung für eine moralische Haltung. Der höfliche Mensch leugnet soziale, kulturelle Unterschiede nicht, er respektiert die Ungleichheit – und erklärt sie im selben Moment als unerheblich für die Verständigung. Die Höflichkeit ist die einzige gemeinsame Sprache, die über alle sozialen und kulturellen Gräben und Grenzen hinweg verstanden wird.
Eine schöne Parabel gibt es bei https://www.freiherr-knigge.de/knigge-a-z/hoeflichkeit. : Die Anekdote erzählt, daß ein Bürger aus kleinen Verhältnissen seiner Verdienste wegen zu einem Bankett am Hof von Madrid geladen war. Neben seinem Teller stand eine Schale mit Waschwasser für die Hände, und da er sich nicht auskannte, setzte er die Schale an den Mund und trank. Der König hatte das bemerkt, genauso wie ihm die spöttische Mißbilligung auf den Gesichtern der anderen Gäste nicht entgangen war, nahm seine eigene Wasserschale und setzte sie ebenfalls an den Mund und trank auch – woraufhin alle Anwesenden, nach einem Augenblick des Zögerns, seinem Beispiel folgten.Das ist wahre Höflichkeit: Alle Etikette in den Wind schlagen, wenn man einem Menschen dadurch eine Blamage ersparen kann. Man sieht – die Unterschiede bleiben. Aber sie lassen sich verwischen.Moritz Freiherr Knigge sagt: „Die Höflichkeit braucht sich weder dem Zwang zur Gleichheit noch dem Zwang zum Individualismus zu beugen. Sie balanciert alle Arten von Ungleichgewicht aus und hält sie für die Dauer der Begegnung in der Schwebe. Wer höflich ist, der gibt dem anderen zu verstehen: Ich weiß um den Unterschied zwischen uns, aber ich will nicht, daß er unserer Verständigung im Wege steht.“
Es bedeuted, dass wir diese Manieren nicht verlieren sollten. Wenn wir das tun würden, würde unser System zusammenbrechen. Das Problem ist, das jeder eine Ansicht von Manieren, basierend auf seiner Zufriedenheit aufbaut.
Manieren sind also ein Spiegel der Gesellschaft.
Höflichkeit ist nicht der Leitfaden einer gerechten Gesellschaft. Das Thema Gerechtigkeit ist wesentlich komplexer. Wenn sich Knigge auf Moral und Weltklugheit beruft, passt m.E. Kants Kategorischer Imperativ als Basis: "Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde." Auf dieser Basis kann man Verhaltensregeln definieren.
" ... so müssen sie auf die Lehren von den Pflichten gegründet sein, die wir allen Arten von Menschen schuldig sind, und wiederum von ihnen fordern können."
Das ist im Grund nur eine andere Formulierung des kategorischen Imperativs von Kant https://de.wikipedia.org/wiki/Kategorischer_Imperativ , oder einfacher gesagt:
Was du nicht willst, dass man dir tu'
das füg' auch keinem andern zu.
Der entscheidende Punkt ist die Unterscheidung zwischen den Letztlich beliebigen Regeln und den Grundpflichten eines jeden Menschen gegenüber dem anderen. Knigge will also letztlich, dass man nicht erst Regeln gibt und dann fragt, warum sie gelten sollen. Sondern er möchte, dass man sich erst klarmacht, wie das Verhältnis der Menschen untereinander sein soll und dann macht man regeln. Das ist so etwas wie der Paragraph eins der Straßenverkehrsordnung, der all das regelt, was nicht in einzelnen Regeln festgelegt wird.
Ich habe noch etwas dazu gefunden: Auf der folgenden Seite wird gezeigt, wie man sich ein solches Zitat erschließen kann: