Was ist die konservativste christliche Kirche?


13.04.2020, 13:32

Insbesondere gehört für mich dazu den Wortlaut der Bibel als absolut und als unabänderliches Wort Gottes zu sehen an dem es nicht zu interpretieren gibt. Also eine Gruppe die die Bibel als einziges absolutes Gesetz sieht

11 Antworten

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Welche christliche Kirche ist ähnlich konservativ in Bezug auf die Bibel wie die islamischen Salafisten bezogen auf den Koran?

Nun, die Bibel ist so vielfältig, dass es wohl keine Kirche gibt, die sich in jeder Hinsicht daran hält, auch wenn es Kirchen gibt, die sich darum bemühen.

Von den Zeugen Jehovas weiß ich, dass sie sich streng an Gottes Wort halten

Stimmt nicht, die ZJs sind da eher wie die katholische Kirche: Sie richten sich nicht wirklich nach der Bibel, sondern haben Grundsätze (rkk: "Tradition", ZJs: Lehre ihrer "theokratischen" Leitung), die bestimmen, wie die Bibel auszulegen ist, und wenn diese Grundsätze der Bibel widersprechen, wird getrickst. Beispielsweise steht sogar in der Bibelübersetzung der ZJs (die häufig auch schon trickst), dass der Teufel, das Tier und der falsche Prophet für immer und ewig m brennenden See gequält werden, aber weil die ZJs was Anderes lehren, darf das nicht bedeuten, dass sie für immer und ewig gequält werden ...

Insbesondere gehört für mich dazu den Wortlaut der Bibel als absolut und als unabänderliches Wort Gottes zu sehen an dem es nicht zu interpretieren gibt.

Was denkst du denn, wenn du "interpretieren" hörst? Interpretieren heißt, die Bedeutung eines Textes zu erarbeiten. Wenn du ihn wörtlich nimmst, ist das ein wörtliche Interpretation - und auch das ist eine Interpretation.

Jeder Text muss interpretiert werden, auch deine Frage hier ;) Es geht nie um "interpretieren oder nicht", sondern immer um "richtige oder falsche Interpretation".

Es gibt Teile der Bibel, die garantiert nicht wörtlich zu nehmen sind, beispielsweise die Gleichnisse von Jesus, die ja gerade erzählt werden, um sie übertragen zu verstehen. Wer Gleichnisse wörtlich nimmt und z.B. aus Lk 19,27 eine Aufruf zur Gewaltanwendung herausliest, der interpretiert falsch (der Vers bezieht sich auf das "jüngste Gericht").

Ein Text kann auch mehr als eine richtige Interpretation haben. beispielsweise erzählt Jesus in Jh 10,1-6 ein Gleichnis von Schafen, Schafstall mit Tür und Hirte, und liefert dann zwei verschiedene Interpretationen: "Ich bin die Tür zu den Schafen" (V.7-10) und "Ich bin der gute Hirte" (V.11ff). Das ändert aber nichts daran, dass man grundsätzlich zwischen richtigen und falschen Interpretationen unterscheiden und Argumente für die Korrektheit oder Fehlerhaftigkeit einer Interpretation diskutieren kann.

Also eine Gruppe die die Bibel als einziges absolutes Gesetz sieht

Die Bibel einfach als Gesetz lesen, wäre aber schon eine Abweichung von der Bibel. Eine Gruppe, die das tut, ignoriert, was die Bibel zum Thema "Gesetzlichkeit" sagt.

Ich meine eine Gruppe die wirklich so leben will wie es die Bibel vorsieht, ohne Ausnahme.

Da wirst du bei Freikirchen fündig werden. Wobei die meisten Freikirchen es so sehen, dass die einzelnen Gemeinden selber in Verantwortung vor Gott stehen, also die jeweilige Kirchenleitung nicht einfach "regieren" kann wie z.B. der Papst oder die "Theokraten" der ZJs, sondern eher koordiniert und Impulse gibt. Also innerhalb einer Freikirche gibt es auch mehr oder weniger große Unterschiede zwischen einzelnen Gemeinden vor Ort.

Zum Abschluss noch einige Punkte, in den sich Kirchen an die Bibel halten oder von ihr abweichen:

  • Wird die Bibel als ein Gesetzbuch gesehen, das alles bis ins kleinste Detail vorschreibt (wie es die Salafisten mit dem Qor'an machen), oder beschreibt die Lehre die großen Linien auf und zeigt auch, wo es Freiheiten gibt, es so oder so zu sehen (z.B. was Feiertage angeht, Rö 14,5)?
  • Wird gelehrt, dass die Gebote des ATs für nichtjüdische Christen nicht gelten, oder wird das AT wichtiger als das, was im MNT über das AT gechrieben steht? Wird die Warnung vor "Gesetzlichkeit" (z.B. im Galaterbrief) angemessen berücksichtigt?
  • Setzt sich die Gemeinde dafür ein, dass Gerechtigkeit herrscht, also z.B. für Asylbewerber, das "Prekariat" und andere benachteiligte Personen? Oder wird "Gerechtigkeit" so theologisiert, dass daraus keine praktischen Konsequenzen folgen?
  • Wird noch gelehrt, wie wichtig es ist, ein reines Herz zu haben (Mt 5,8), oder folgt die Kirche in Bezug auf Sexualmoral dem "Zeitgeist"?
  • Ist Feindesliebe nur ein Lippenbekenntnis, oder geht die Kirche auch liebevoll mit ihren Gegnern um, und verzichtet auf Verleumdungen, oder gar Manipulation bei Bekehrungsversuchen (wie sie insbesondere die ZJs anwenden)?
  • Gilt noch "einer ist euer Vater, ihr aber seid alle Brüder", sind also Gemeindeleiter Menschen in Verantwortung vor Gott und den Menschen, oder gibt es unangreifbare Leiter, Propheten o.ä., die niemand kritisieren oder hinterfragen darf, auch wenn sie Fehler machen?

Du wirst kaum eine Kirche finden, die da in jeder Hinsicht ideal ist (höchstens Sekten, die das von sich behaupten). Christen sind Menschen, auch in gemeinden "menschelt" es.

Und das, was dir als Ideal vorschwebt ("Wie die Salafisten"), ist gerade ein eindeutiger Widerspruch zur Bibel.


Von den Zeugen Jehovas weiß ich, dass sie sich streng an Gottes Wort halten

Nein, oh nein das tun sie nicht. Die Zeugen Jehovas sind genau so wenig Christen, wie Muslime Christen sind. Sie leugnen die Gottheit Jesu, und somit das gesamte Heilswerk, und in Konsequenz die Bedeutung der gesamten Bibel. Die Gottheit Jesu ist etwas das ALLE christlichen Denominationen auf der gesamten Welt gemein haben. Es ist das Fundement des christlichen Glaubens, ist Jesus nicht Gott, hätte das gesamte Heilswerk, die gesamte Bibel keine Bedeutung.

Es ist ganz einfach, wer das Nizänische Glaubensbekenntnis als schriftgemäße Bekundung des Glaubens leugnet ist kein Christ.

Okay, nun zu deiner Frage: Die Evangelikalen Kirchen sind im Bezug auf Bibel, Gottes Wort, dessen Gültigkeit, Auslegung und Absolutheit die wohl konservativste Denomination des christlichen Glauben. (Nur falls das jemand falsch versteht, ich meine evangelikal, nicht evangelisch. Die EKD ist in Deutschland zumindest zu einer Organisation verkommen, wo "Theologen" offen die Bibel leugnen können)

Also, wenn du nach konservativen Christen suchst, dann würde ich im evangelikalen und reformierten Bereich suchen. Bedenke aber, dass es gläubige, bibeltreue Christen in allen Denominationen gibt, sowohl im evangelikalen, reformierten, evangelischen und katholischen, oder orthodoxen Bereich. Genau so gibts aber auch in allen Bereichen das genaue Gegenteil. Meiner Meinung nach wirst du in evangelikalen und reformierten Kirchen meist "eher" auf bibeltreue Verkündigung treffen.


Freethinker89 
Beitragsersteller
 13.04.2020, 13:49

vielen Dank für die ausführliche Antwort.

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OhNobody  13.04.2020, 14:25

Es ist ganz einfach, wer das Nizänische Glaubensbekenntnis als schriftgemäße Bekundung des Glaubens leugnet ist kein Christ.“

Zum Nizäischen AGlaubensbekenntnis erklärt die New Catholic Encyclopedia: „Die Formulierung ,ein Gott in drei Personen‘ setzte sich erst gegen Ende des 4. Jahrhunderts richtig durch und war bis dahin noch nicht völlig in das christliche Leben und das christliche Glaubensbekenntnis aufgenommen worden. Aber erst diese Formulierung kann eigentlich Anspruch auf die Bezeichnung Dreieinigkeitsdogma erheben. Den apostolischen Vätern war eine solche Auffassung oder Vorstellung völlig fremd“ (1967, Bd. XIV, S. 299).

Erst im 4. Jh. stellten einige Theologen die Behauptung auf, Jesus und Gott seien ein und dieselbe Person. Andere — z. B. der Presbyter Arius —, vertraten den biblischen Standpunkt, dass Jesus von Gott erschaffen worden und seinem Vater untergeordnet sei.

325 u. Z. berief der römische Kaiser Konstantin ein Konzil nach Nizäa ein, um die Streitfragen zu entscheiden. Auf diesem Konzil trat der heidnische Kaiser Konstantin für die Trinität ein. Die von Arius dargelegten Ansichten hingegen wurden — obwohl sie vollständig auf der Bibel beruhten —, für ketzerisch erklärt.

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telemann2000  13.04.2020, 15:17
@OhNobody

Du vergisst hier, dass die Kirche lehrt, alle ihre Konzilien sind durch Gottes Geist geleitet. So sind also diese Dinge als Erweiterungen zu betrachten....

(Übrigens gehen ja Zeugen Jehovas nach dem selben Schema vor. Nur dort gibt man dem Kind einen anderen Namen. Das Prinzip bleibt aber stets erhalten)

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helmutwk  13.04.2020, 16:40
@OhNobody
New Catholic Encyclopedia

Na ja, wie ZJs mit Publikationen umgehen, die sie zitieren, kann auf

https://www.jwfacts.com/watchtower/misquotes-deception-lies.php#Trinity

oder auch

https://web.archive.org/web/20190927182422/http://www.forananswer.org/Top_JW/Scholars%20and%20NWT.htm

nachgelesen werden. Also ohne einen Link zum Original besteht immer der Verdacht, dass die Enzyklopädie eigentlich was andere sagte.

Die Formulierung ,ein Gott in drei Personen‘ setzte sich erst gegen Ende des 4. Jahrhunderts richtig durch

Stimmt, es gab noch lange Leute, die das anders sehen wollte, darunter auch Kaiser Konstantin und seine Familie.

Erst im 4. Jh. stellten einige Theologen die Behauptung auf, Jesus und Gott seien ein und dieselbe Person.

Stimmt nicht, die Irrlehre des Modalismus wurde u.a. schon von Noët von Smyrna im 2. Jahrhundert vertreten. Also ungefähr zu der Zeit, aus der wir den ersten Beleg für das Wort "Trinität" haben, das vermutlich von Tertullian geprägt wurde, um den Unterschied zwischen der christlichen Trinität und einer heidnischen Trias zu bezeichnen.

Aber es ist typisch Zeugen Jehovas, die Lüge zu verbreiten, die Trinitätslehre würde sagen, dass Jesus und der Vater eine Person sind.

Andere — z. B. der Presbyter Arius —, vertraten den biblischen Standpunkt

Genauso gut könnte man sagen, dass Leute wie Noët den biblischen Standpunkt vertaten und Arius eine Irrlehre. Aber es ist doch so: Sowohl Arius wie Noët haben biblische Wahrheiten erkannt, aber eben nicht die ganze Wahrheit, und haben aus diesen Wahrheiten geschlossen, dass die jeweils andere Wahrheit nicht biblisch wäre. Aber in der Bibel steht, dass der Vater JHWH ist, Jesus JHWH ist, und es nur einen JHWH gibt (daraus folgerte Noët seine Lehre), aber eben auch, dass Jesus nicht der Vater ist und dass der Vater größer als Jesus ist (daraus folgerte Arius seine Lehre). Und nur wer beide Seiten berücksichtigt, der vertritt wirklich biblische Lehre und nicht nur "die halbe Bibel".

Die von Arius dargelegten Ansichten hingegen wurden — obwohl sie vollständig auf der Bibel beruhten —, für ketzerisch erklärt.

Wie gesagt: Das ketzerische an Arius waren nicht die biblischen Aussagen, auf denen seine Lehre beruhte, sondern die biblischen Aussagen, die er leugnete, weil er logische Schlüsse zog, die eben nicht die ganze Bibel berücksichtigen.

Denn wie das Beispiel von Noët von Smyrna zeigt, kann man eben auch die biblischen Aussagen nehmen, die Arius ignorierte, und aus denen (analog zu Arius) logisch schleißen, dass der Vater und Jesus eine Person ist. Was Trinitarier aus den gleichen Gründen wie die Lehre von Arius für ketzerisch erklärt haben.

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helmutwk  13.04.2020, 16:44
@telemann2000
Du vergisst hier, dass die Kirche lehrt, alle ihre Konzilien sind durch Gottes Geist geleitet.

Na ja, es gibt auch eine Kirche die lehrt: Papst und Konzilien können sich irren und haben sich geirrt. Ob die Aussagen von Nicäa stimmen oder nicht, kann nur anhand der Bibel beurteilt werden - und das ist im Wasentlichen eine Zusammenfassung von biblischen Aussagen.

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Die

Rosenkreuzer

Dieser Orden bildete mit seiner Form des mystischen Irrationalismus und Illuminismus einen Gegenpol zu den rationalen und modernistischen Kräften der Aufklärung.

https://de.wikipedia.org/wiki/Rosenkreuzer


helmutwk  13.04.2020, 15:03

Na ja, Gegensatz zu Rationalismus ist ja noch keine Übereinstimmung mit der Bibel. In der Bibel wird oft rational argumentiert, ein Irrationalismus wie die Rosenkreuzer ist gerade nicht biblisch.

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HPeitl2020  14.04.2020, 05:35
@helmutwk

Jetzt müssen wir korrigieren. Gerade der Wunsch das Reich Gottes in dieser Welt zu errichten ist biblisch. Es wäre die höchste Aufgabe des Christen.

Mk 4,26 Und er sprach: Mit dem Reich Gottes ist es so, wie wenn ein Mensch Samen aufs Land wirft

Mt 6,33 Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen.

Der wirklich christliche Glaube ging nur meines Erachtens 325 n.Chr. beim Konzil von Nicäa verloren.

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helmutwk  14.04.2020, 14:16
@HPeitl2020
Gerade der Wunsch das Reich Gottes in dieser Welt zu errichten ist biblisch.

Klar doch, aber das ändert nix daran, dass die Esoterik der Rosenkreuzer der Bibel widerspricht.

Allerdings sehe ich auf Wiki, dass "Rosenkreuzer" sehr vielfältig ist. Ich bin mal dem Lectorium Rosicrucianum begegnet ... aber seh bei Wiki, dass z.B. die Betrüger vom Orden der Gold- und Rosenkreuzer ganz andere Lehren hatten.

Der wirklich christliche Glaube ging nur meines Erachtens 325 n.Chr. beim Konzil von Nicäa verloren.

Inwiefern? Weil Aussagen der Bibel systematisiert wurden, also das Bekenntnis von Nicäa streng genommen über die Bibel hinausgeht (ohne ihr zu widersprechen)? Oder weil da beschlossen wurde, den Ostertermin stets vom jüdischen Passahfest zu trennen (was in westlichen Kirchen schon längst nicht mehr beachtet wird)? Oder weil einer der Canones der Bibel widerspricht, und zwar deutlich mehr als alle Abweichungen von der Bibel, die davor schon passiert sind?

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gehört für mich dazu den Wortlaut der Bibel als absolut

Das ist fundamentalistisch; konservativ bedeutet , etwas bewahren wollen, was sich bewährt hat, aber auch aufgeschlossen sein für sinnvolle Entwicklung.

Wahrscheinlich wir Urchristen. Weil wir sind nicht progressiv, sondern fordern die Rückentwicklung des christlichen Glaubens vor die Konzile von Nicäa.

Ich hätte den Salafisten allerdings nicht nachgesagt, dass sie konservativ sind.

Meiner Meinung nach ganz im Gegenteil.

Für sie gilt:

Die neueste Fawhde ist die gültige.

Die sind also eher eine progressive Strömung des Islams.


helmutwk  13.04.2020, 18:50
sondern fordern die Rückentwicklung des christlichen Glaubens vor die Konzile von Nicäa.

Also eine Kirche, in der darüber debattiert wird, ob man von einer Trinität sprechen soll (wie Tertullian oder später Athanasius), ob Jesus Gott ist oder nicht, ob am Passahfest feiern soll oder iom Gegenteil genau das vermeiden sollte ...?

Und warum nur vor Nicäa? Warum nicht zurück in die Zeit, als die Debatte um Ostern nur darum ging, ob man es am Sonntag in der Passahwoche oder doch am ersten Tag des Passahfests (der meist kein Sonntag ist) feiert?

Für sie gilt:
Die neueste Fawhde ist die gültige.

Hast du dafür einen Beleg?

ich kenne nur folgende regel: Man muss sich ajmn die fatawas halten, die man bestellt hat (ist aber ansonsten frei, welche Fatwa man akzeptiert oder nicht), und eine Fatwa wird ungültig, wenn der, der sie verfasst hat, stirbt.

Und mir wäre neu, dass Salafísten da anders denken.

Im übrigen gilt auch bei der katholischen Kirche, dass der jeweils letzte Beschluss gilt (und alle anderen müssen so ausgelegt werden, dass es keinen Widerspruch gibt, also ggf. auch umgedeutet werden). Ist die rkk also besonders progressiv?

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ManfredFS  17.04.2020, 12:00

„Wir Urchristen“?

also das was du glaubst anhand dem was du hier schreibst hat mit Urchristen gar nichts zu tun...

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