Was ist die effektive Populationsgröße?

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Die effektive Populationsgröße ist nicht die kleinste überlebensfähige Population. Aber sie kann zur Bestimmung dieser genutzt werden.

Grob gesagt gibt die effektive Populationsgröße an, wie viel der genetischen Variabilität von einer Population über die Zeit verlorengeht. Mit der effektiven Populationsgröße lässt sich somit sehr viel besser abschätzen, wie überlebensfähig eine Population langfristig ist. Und sie hängt sehr stark von der Struktur der Population ab, etwa dem Geschlechterverhältnis.

Ein kleines Beispiel: Wir gehen von einer Population bestehend aus 100 Individuen aus. Sagen wir nun, die Population besteht genau zur Hälfte aus Weibchen und zur Hälfte aus Männchen, dann ergibt sich für die effektive Populationsgröße:

Ne = 4*50*50/100 = 100.

Effektiv können sich also 100 % der Population (alle Mitglieder der Population) fortpflanzen und langfristig wird die genetische Variabilität der Population erhalten bleiben.

Nun nehmen wir an, das Geschlechterverhältnis Weibchen:Männchen beträgt nicht 50:50, sondern 1:99. Dann ergibt sich für die effektive Populationsgröße:

Ne = 4*1*50/100 = 3.96.

In dieser Population sind also nur 3.96 % der Individuen an der Erhaltung der Population beteiligt.

In der Natur ist es natürlich noch weit komplizierter, denn die Erhaltungsfähigkeit einer Population hängt nicht nur vom Geschlechterverhältnis ab, sondern beispielsweise auch von der Altersstruktur, denn logischerweise beteiligen sich auch sehr junge und sehr alte Tiere nicht mehr am Fortpflanzungsgeschehen. Auch spielt die Brutbiologie eine große Rolle: es macht einen Unterschied, ob nur alle paar Jahre ein einziges Jungtier (Elefanten, Menschenaffen) geboren wird oder ob zwei bis drei Mal pro Jahr ein Gelege aus 4 bis 6 Eiern (z. B. Sperlinge) gelegt wird.

Die kleinste überlebensfähige Population ist dann diejenige effektive Populationsgröße, die mindestens vorhanden sein muss, damit eine Population langfristig (je nach Auslegung über 100 oder sogar 1000 Jahre hinweg) nicht ausstirbt. Man geht davon aus, dass bei Unterschreitung der kleinsten überlebensfähigen Populationsgröße die Population langfristig nicht imstande sein wird, sich selbstständig zu erhalten.
In diesem Fall ist dann häufig das Eingreifen durch gezielte Zucht notwendig, allerdings meist mit dem Preis, dass dennoch durch starke INzucht die genetische Variabilität stark abnimmt (oder wie der Populationsgenetiker es ausdrücken würde: es kommt zu einer Abnahme des heterozygotiegrads, die Population wir immer homozygoter und somit eniander immer "ähnlicher").

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Biologiestudium, Universität Leipzig