Was glaubt Ihr, wie es die alten Ägypter geschafft haben, dass ihre Kultur so alt wurde (die langlebigste Kultur und Staat)? Und warum ist der Ursprung des?

4 Antworten

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Kurz zusammengefasst:

- Geographie: Wüste, Mittelmeer und Stromschnellen schützen das Gebiet vor allzu einfacher Invasion

- Ökologie: der Nil bot nicht nur eine stabile Wasserversorgung sondern auch ausgezeichnete Bedingungen für die Landwirtschaft. In der Wîste gab es massenhaft Gold. Hungersnöte und wirtschaftliche Krisen, die anderswo zu Umstürzen führten, waren in Ägypten seltener.

- Wirtschaftssystem: in Ägypten gab es vergleichbar weniger Privatbesitz und unabhängige Eliten. Viele Ressourcen waren in Staatsbesitz und wurden zentral vom Königshof verwaltet und verteilt. (Interessanter Nebeneffekt: weil die Vererbung von Besitz an die Söhne vergleichsweise weniger wichtig war, hatten Frauen mehr Rechte und sexuelle Freiheit. )

- Ideologie: die ägyptische Staatsdoktrin war sehr auf Ewigkeit und Dauer ausgerichtet. Jeder König wiederholte im Ritus den Staatsgründungsmythos der "Vereinigung der beiden Länder" und rühmte sich, die Richtlinien der Vorväter aufrecht zu halten. Trotzdem gab es im Gebiet der Technologie einen großen Pragmatismus, neue Handwerks - und Kriegstechnologien wurden schnell integriert und weiterentwickelt.

- "Leitkultur" - im 1. Jahrtausend vor Christus wurde Ägypten einheitlich mehrfach erobert und stand unter fremder Herrschaft. Lybier, Kushiter, Assyrer, Griechen, Römer... Für andere Kulturen bedeutete solche Fremdherrschaft oft den Untergang. Die ägyptische Kultur war aber damals schon dermaßen berühmt und respektiert, dass sich stattdessen die Eroberer an die Landessitten anpassten und ägyptische Königstitel, Verwaltungsstrukturen, Sprache&Schrift und Religion einfach übernahmen oder - im Fall der Römer- zumindest weitgehend tolerieren.

Die Sache mit dem Monotheismus ist ein anderes Thema. Ägypten hatte schon immer henotheistische Tendenzen... jede Stadt hatte in der Regel eine eigene Hauptgottheit und Triade. Und jede Dynastie hatte ihre Lieblingsgottheiten, die dann besonders viele Tempel und Ressourcen bekamen.

Echnaton's Atonkult entstammt in vielen Aspekten dem Sonnenkult und der Selbstvergöttlichung seines Vaters Amenophis III.

Echnaton hat eine bestehende Entwicklung nur vollkommen auf die Spitze getrieben, meiner Meinung nach war es nicht so sehr der Konflikt mit den Amunspriestern (als König hätte er einfach seine eigenen Leute auf die wichtigen Posten setzen können), sondern ich glaube, der Mann war einfach ein paranoider Fanatiker.

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Edit: ich muss bei meinen Aussagen zu Echnaton vielleicht dazu sagen, dass ich da keine neutrale Partei bin. Ich bin Polytheistin und halte den Ketzerkönig für einen gefährlichen Fanatiker dessen Ideologie zum Glück gestoppt werden konnte.... Also genau das Gegenteil zu User Neugier4711 , der/die Echnaton's Religion offensichtlich für einen Fortschritt und ein Vorbild hält.

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Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Grundstudium Ägyptologie und Geschichtswissenschaft

CorgiMcweasel 
Beitragsersteller
 30.06.2024, 18:55

was hältst du davon, was unten "rr1957" in seinem Kommentar geschrieben hat?

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Die ägyptische Kultur war langlebig, aber nicht soooo langlebig wie es die aktuelle Ägyptologie propagiert. Ich halte diese "lange" Chronologie für falsch, und gehe davon aus dass viele dieser Pharaonendynastien gar nicht nacheinander, sondern an verschiedenen Orten gleichzeitig geherrscht haben, und diese langen Zeitspannen nur zusammenkonstruiert sind, und nicht real waren.

Früher lang man da besser, so hatte z.B. noch Isaak Newton den Bau der Cheopspyramide nur auf 838 v.Chr. datiert.

Es ist nur Wichtigtuerei der Ägyptologen, das alles so extrem alt zu datieren, und viele sonst übliche Datierungsmethoden für Ägypten abzulehen.

Und ja, das hat etwas mit Monotheismus zu tun, aber nicht mit einem Monotheismus damals, sondern mit Monotheismus in der Neuzeit: die Ägyptologische Forschung im vorletzten Jahrhundert wurde grossenteils von Theologen und Priestern betrieben und war motiviert von der Absicht, der Bibel ein grosses Alter nachzuweisen und Wurzeln älter als alle konkurrierende Religionen.


Schemset  30.06.2024, 19:53
Ich halte diese "lange" Chronologie für falsch,

auf wie kurz würdest du es den eindampfen wollen? Sprechen wir über eine Kürzung von 100 oder 1000 Jahren?

und gehe davon aus dass viele dieser Pharaonendynastien gar nicht nacheinander, sondern an verschiedenen Orten gleichzeitig geherrscht haben, und diese langen Zeitspannen nur zusammenkonstruiert sind, und nicht real waren.

Der Ansatz hat schon was, Manetho hat Dynastien immerhin nach Herkunft bzw. Hauptstadt sortiert und nicht unbedingt nach Familie. Dir ist aber sicher bewusst, dass die Ägyptologie selbst einige Verkürzungen der Daten aus den Königslisten "propagiert" und von Koregentschaften und parallelen Dynastien in den Zwischenzeiten ausgeht?

Welche Dynastien würdest du denn noch alle als parallel herrschend einschätzen? Bei den wichtigen und langlebigen Dynastien wird das schwierig... Wie will man zum Beispiel behaupten, dass Sesostris III nur einen Teil des Landes beherrschte, wenn in seinem Namen Inschriften im Sinai sowie in Nubien bekannt sind? Und wenn andererseits verschiedene aufeinander folgende Dynastien am selben Ort nacheinander gebaut haben (Karnak...) können sie nicht nebeneinander in verschiedenen Regionen geherrscht haben.

Es ist nur Wichtigtuerei der Ägyptologen, das alles so extrem alt zu datieren,

Dir ist schon klar, oder, dass die Grundlagen ägyptischer Chronologie von den Ägyptern selbst stammt? Das ist jetzt kein Nachweis für Zuverlässigkeit... aber die überlieferten Königslisten stammen aus verschiedenen Epochen (Palermostein, Königsliste in Abydos, Manetho) und ergeben dennoch ein relativ stimmiges Gesamtbild. Ist dir klar, dass dann jede einzelne Herrschaft jedes Pharaos in präziser Kleinarbeit mit den archäologischen Funden abgeglichen wird (was durch die Fülle des archäologischen Materials in vielen Fällen auch möglich ist)?

und viele sonst übliche Datierungsmethoden für Ägypten abzulehen.

Das mag für frühere Stadien der Ägyptologie eingeschränkt gelten, als man anfangs noch die ersten C14 Untersuchungen anhand ägyptischer Fundstücke geeicht hat... aber darüber sind wir längst hinaus. C14, Dendrochronologie, klassische Seriation, Sothisjahre und andere astronomische Ereignisse, Ausbruch von Thera, Sedimentbohrungen... wir haben inzwischen genug andere Methoden um die Zuverlässigkeit der Chronologie zu überprüfen.

Und ja, das hat etwas mit Monotheismus zu tun, aber nicht mit einem Monotheismus damals, sondern mit Monotheismus in der Neuzeit: die Ägyptologische Forschung im vorletzten Jahrhundert wurde grossenteils von Theologen und Priestern betrieben und war motiviert von der Absicht, der Bibel ein grosses Alter nachzuweisen und Wurzeln älter als alle konkurrierende Religionen.

Dann hätten sie sich aber gewaltig selbst ins Knie geschossen, denn nach den Erkenntnissen der Ägyptologie fällt Noahs Flut mitten ins Alte Reich und vom Exodus fehlt jede Spur.

Also, wenn du eine verkürzte ägyptische Chronologie vertrittst, dann hätte ich dafür gerne ein paar konkrete Angaben. Quellen wären schön. Ich verfolge die aktuellen Diskussionen in der Forschung nämlich mit Interesse, aber da geht es meistens nur um Jahre oder Jahrzehnte.

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rr1957  30.06.2024, 20:43
@Schemset

Mein Ausgangspunkt ist https://www.amazon.de/Wann-lebten-Pharaonen-Archäologische-technologische/dp/392885240X/ von Illig und Heinsohn.

Ich erwäge allerdings durchaus auch den Vorschlag von A. Fomenko, der noch wesentlich radikaler ist.

Und ja, es geht um dabei Jahrtausende, die einfachste Form der These ist Altes == Mittleres == Neues Reich, nur eben an anderen Standorten (denn es gibt offenbar keinen einzigen Ort, an dem man die Zeiten des Alten, Mittleren und Neuen Reiches untereinander in einer durchgehenden Stratigraphie findet - es ist vielmehr so, dass man diese 3 Reiche eben immer an getrennten Orten findet, sie können also durchaus zeitgleich stattgefunden haben.

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Schemset  30.06.2024, 21:22
@rr1957
(denn es gibt offenbar keinen einzigen Ort, an dem man die Zeiten des Alten, Mittleren und Neuen Reiches untereinander in einer durchgehenden Stratigraphie findet - es ist vielmehr so, dass man diese 3 Reiche eben immer an getrennten Orten findet,

Uhm... Was???!!!?? Das haben diese Autoren behauptet??

Elephantine. 5000 Jahre durchgehend besiedelt, Funde aus allen 3 Epochen

https://www.dainst.org/forschung/projekte/noslug/2816?tx_wfdaiprojects_projects%5Bnav%5D=open&tx_wfdaiprojects_projects%5Bsection%5D=space&cHash=992901c271f877f71e0e6cf22aae60cb

Der Satet-Tempel hat Bauphasen aus allen drei Reichen, die stehen heute rekonstruiert nebeneinander.

... und schon ist es widerlegt. Das war einfach.

Ansonsten kann ich gerne weitermachen. Theben, Abydos, Memphis...

Dazu kommt, dass spätere Dynastien ihre Vorfahren erwähnen, aber frühere nicht ihre Nachfahren. Dann wären da noch technologische Fortschritte und sprachliche Entwicklungen. Verwaltungsdokumente, die Orte in ganz Ägypten nennen. Etliche Könige, die Monumente und Inschriften in allen Landesteilen hinterlassen haben...

Ehrlich, wer sind diese Leute? (Laut Wikipedia: ein Mathematiker, ein Wirtschaftswissenschaftler und ein Germanist... )

Kann einer von denen überhaupt ägyptisch? Oder zumindest AR Keramik von NR unterscheiden?

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rr1957  30.06.2024, 23:07
@Schemset

naja, ich selber bin da kein Fachmann und erinnere auch nicht alle Details.

Ein Argument von Prof. Heinsohn war bzgl. technologische Fortschritte: dass nämlich die Glasherstellung im Alten Reich erfunden wurde, dann verloren ging, dann wieder im Mittleren Reich erfunden, wieder verloren ging, und schliesslich nochmal im Neuen Reich entdeckt wurde. Das stellt dann eben keinen technologischen Fortschritt dar, sondern Wiederholungen desselben, was auf Verdopplungen in der Überlieferung deutet.

Btw. Stratigraphie heisst nicht nur Funde am selben Ort, sondern geschichtete Abfolge mit Funden der verschiedenen Reich in der angenommenen Folge. Nimm Dein Beispiel Satet-Tempel: klar, wenn man die konventionelle Chronologie glaubt, und Beiträge von Herrschern dort findet, die über die 3 Reiche verteilt sind, dann schliesst man auf Bauphasen aus allen 3 Reichen. Man muss nun diese aber im Detail betrachten, ob die tatsächlich nachweislich in großem zeitlichen Abstand gemacht wurden, oder aber möglicherweise zeitnah und überlappend.

Da mich das wirklich interessiert: ja, bitte mach weiter mit Theben, Abydos, Memphis ...

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Schemset  30.06.2024, 23:54
@rr1957
dass nämlich die Glasherstellung im Alten Reich erfunden wurde, dann verloren ging, dann wieder im Mittleren Reich erfunden, wieder verloren ging, und schliesslich nochmal im Neuen Reich entdeckt wurde.

Davon habe ich noch nie etwas gehört. Ich dachte eher an so offensichtliche Einschnitte wie die Einführung von Pferd und Streitwagen. Diese Innovation hat sich von Zentralasien aus in der Welt verbreitet. Sie hätte demnach Gizeh und Memphis überspringen müssen (offensichtlich finden sich hier die größten Monumente aus dem Alten Reich, aber in Grabreliefs und Tempeldekoration des AR kommen keine Pferde vor) und dafür direkt in Theben in Südägypten landen, wo massig Schlachtszenen mit Streitwägen zu finden sind. Das wäre schon ziemlich komisch, oder nicht?.

Btw. Stratigraphie heisst nicht nur Funde am selben Ort, sondern geschichtete Abfolge mit Funden der verschiedenen Reich in der angenommenen Folge

Ja, genau so meinte ich das auch.

Beiträge von Herrschern dort findet, die über die 3 Reiche verteilt sind, dann schliesst man auf Bauphasen aus allen 3 Reichen. Man muss nun diese aber im Detail betrachten, ob die tatsächlich nachweislich in großem zeitlichen Abstand gemacht wurden, oder aber möglicherweise zeitnah und überlappend.

Mir ging es um etwas anderes: Wenn die drei Epochen in Wirklichkeit drei parallel existierende Reiche waren, dann müsste man doch Grenzen und Territorien abgrenzen können. Elephantine liegt ganz im Süden. Sollte man da nicht nur die Namen der Könige aus einem der drei Reiche finden?

Nehmen wir Mal an , Südägypten ist äquivalent mit dem konventionellen Neuen Reich... Immerhin ist die auch südägyptische Stadt Theben randvoll mit Monumenten der 18. und 19. Dynastie. -Aber wieso veröffentlicht dann ein Edler aus Elephantine stolz einen Brief im Vorhof seines Grabes, den er von seinem König Pepi Ii bekommen hat? (6. Dynastie, altes Reich). Und warum baut Sesostris (12. Dyn, Mittleres Reich) einen Satet-Tempel?

Hätten ein Amenophis oder ein Ramses zeitgleich mir den vorgenannten regiert, hätte er sie doch in Elephantine nicht Expeditionen ausrichten oder Staatstempel errichten lassen...

Und dann wieder... schau dir Könige des Neuen Reiches an. Zum Beispiel Ahmose, Anfang 18. Dynastie. Amenophis III, Ende 18. Dynastie Ramses II, 19. Dynastie. Alle drei sind durch Stelen (Ahmose) oder gewaltige Bautätigkeit (Ramesseum, große Säulenhalle, Memnonkolosse etc) im Süden Ägyptens nachgewiesen. Ahmose berichtet von seinem Feldzug gegen Avaris im Nildelta, Amenophis III pflegt eine rege diplomatische Korrespondenz mit den Herrschern des nahen Ostens, die aber mir keinem Wort irgendwelche anderen ägyptischen Könige erwähnt (Amarna letters) und Ramses baut mal eben eine neue Hauptstadt im Nildelta und benennt sie nach sich selbst(Piramesse). Und jetzt soll ich glauben, dass zeitgleich ein Cheops in Gizeh seine Pyramide baut und dabei freundlich den Armeen von Sesostris, Thutmosis*, Ahmose, Amenophis*, und Ramses* zuwinkt, die mitten durch sein Territorium fahren um dann im Nahen Osten Krieg zu führen?

(*Jeweils mehrere dieses Namens... die Details kann man leicht nachlesen)

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Schemset  01.07.2024, 00:14
@rr1957
Da mich das wirklich interessiert: ja, bitte mach weiter mit Theben, Abydos, Memphis ...

Ok. Vielleicht müssen wir ein paar Grundlagen klären. Ägyptische Königsnamen sind extrem wichtig. Sie sind praktischer Weise leicht zu sehen, weil sie immer eingerahmt sind in diesen Kartuschen. Und man findet sie an vielen verschiedenen Stellen. Tempel zeigen immer den regierenden König, da er gleichzeitig der Hohepriester ist. Ziegel für öffentliche Gebäude tragen oft einen Stempel. Königliche Stelen und Felsinschriften mit Verlautbarungen der Könige beginnen immer mit Datum und Name. Königsgräber ab Unas sind mit Dekoration ausgestattet und erwähnen den Namen des Grabinhabers. Privatgräber von reichen Leuten erwähnen oft den König, unter dem sie gedient haben. Und jeder Vertrag und jedes Verwaltungsdokumente, die mit einem Datum gekennzeichnet sind, enthalten automatisch den Königsnamen - denn datiert wird in Regierungsjahren.

Man kann sich also vorstellen, dass es sehr, sehr viele Nachweise von Königsnamen gibt, gerade aus den großen und mächtigen Dynastien (4./5./6. im Alten Reich, 11./12. im Mittleren, 18./19. im Neuen). Und diese Nachweise sind halt weit verteilt, in ganz Ägypten und vom heutigen Sudan bis nach Israel... wenn es parallel herrschende kleinere Reiche gewesen wären, dann müsste man deren Gebiete und Einflusssphären ja geografisch irgendwie abgrenzen können, oder?

Und noch ein Schmankerl : einer der wichtigsten Königstitel ist Nibtawi, "Herr beider Länder". Nix mit 3 Länder. Und auch nicht "Herr von einem der Länder" - der Gründungsmythos Ägyptens ist ja gerade die Vereinigung der beiden Länder.

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rr1957  01.07.2024, 00:59
@Schemset

Deiner Überlegung liegt zugrunde ein Konzept von Ländern (Staaten) wie wir sie heute kennen, d.h. exklusive Beherrschung eines umgrenzten Gebietes durch einen einzigen Autokraten (oder moderner eine exklusive Regierung).

Meine Vorstellung hier ist eher nach dem Muster von Bistümern verschiedener Konfessionen: es gibt hier z.B. einen katholischen Bischof, und gleichzeitig einen evangelischen Bischof, und ggf. auch einen orthodoxen Bischof in derselben Stadt. Alle bauen gleichzeitig auch Kirchen (verschiedener Art, deutlich unterscheidbar) und produzieren Dokumente (die in aller Regel die anderen Konfessionen nicht erwähnen). Es gibt manchmal auch ökumenische Treffen o.ä. wo die unterschiedlichen Bischöfe zusammen auftreten, aber das sind seltenste Ausnahmen - im Alltag agieren diese Bischöfe unabhängig voneinander parallel. Ein Archäologe der Zukunft könnte dann durchaus fälschlich die Theorie haben, dass nach dem alten orthodoxen Reich hier dann das katholische Reich folgte, und am Ende dann das evangelische Reich ...

Der Name "König" für die Stellung des Pharao ist vielleicht sehr irreführend!

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Schemset  01.07.2024, 08:48
@rr1957
Deiner Überlegung liegt zugrunde ein Konzept von Ländern (Staaten) wie wir sie heute kennen, d.h. exklusive Beherrschung eines umgrenzten Gebietes durch einen einzigen Autokraten

Ja. Ein Konzept, das im Falle Ägyptens durch eine Fülle von Textzeugnissen als Ideologie bestätigt wird; literarische Texte (Sinuhe), Hymnen (p.UC 32157), Stelen mit politischen Deklarationen, Mythen.

Und dass es nicht nur eine Ideologie war, sondern zumindest in den hier diskutierten Epochen auch Realität, ist ersichtlich aus Beamtenbiographien, Verwaltungstexten und der weiten Verbreitung von Bauten und Inschriften.

Meine Vorstellung hier ist eher nach dem Muster von Bistümern verschiedener Konfessionen: es gibt hier z.B. einen katholischen Bischof, und gleichzeitig einen evangelischen Bischof, und ggf. auch einen orthodoxen Bischof in derselben Stadt.

Und hast du dafür irgendeinen konkreten Anhaltspunkt außer "Ich hätte gerne eine kürzere Chronologie"?

Wenn es "verschiedene Konfessionen" sind, warum tragen die Könige dann dieselbe Titulatur? Im Alten Reich noch etwas kürzer, im Mittleren und Neuen Reich dann voll ausgeformt mit den fünf Namen...

Sollte man da nicht unterschiedliche Titel und Strukturen erwarten? Unterschiedliche Namen für die jeweilige Gruppe, irgendeine Begründung, warum man sich abgespalten hat, irgendeine historische Entwicklung, die zu einer solchen Teilung führte?

Die Unterschiede der drei Epochen in Totenkult, Kunststil, Sprache und Religion passen alle in eine zeitliche Entwicklung, aber sind nur schwer als parallele Reiche zu erklären. Nimm zum Beispiel die Totenrituale. Im Alten Reich gibt es die Pyramidentexte. Im Mittleren Reich die Sargtexte, die viel von den Pyramidentexten übernehmen. Im Neuen Reich gibt es dann das Amduat und bei den Königen kommen diverse Unterweltsbücher hinzu.

Warum ist die literarische Einflussnahme strikt in einer Richtung? Warum kann man in Mittleren und Neuen Reich klar die Einflüsse der Pyramidentexte sehen, im Alten Reich aber keinerlei (sprachliche, stilistische, literarische) Anleihen aus oder Erwähnungen von den anderen Reichen?

Alle bauen gleichzeitig auch Kirchen (verschiedener Art, deutlich unterscheidbar)

...Wobei aber die "Bischöfe " des Alten und Mittleren Reichs immer zuerst bauen, und die des Neuen Reiches dann die Statuen der anderen umarbeiten und die Blöcke der anderen Tempel in ihre eigenen Bauten verbauen.... Oder was?

Die von mir erwähnte archäologische Stratigraphie ist kein Witz. An Orten wie Karnak oder Abydos gibt es über lange Zeit hinweg kontinuierliche Bautätigkeit. Die Abfolge der Bauten lässt sich durch Stratigraphie und Verwendung von Spolien nachvollziehen. Und überall ist die Zuordnung der Epochen als zeitliche Abfolge konsistent.

und produzieren Dokumente (die in aller Regel die anderen Konfessionen nicht erwähnen).

Dokumente über Viehzählungen im ganzen Land, Grenzgarnisonen, Feldzüge... Und wenn man andere Pharaonen erwähnt, dann als Vorfahren. Sauber aufgereiht in einer Königsliste in zeitlicher Abfolge.

Es gibt manchmal auch ökumenische Treffen o.ä. wo die unterschiedlichen Bischöfe zusammen auftreten, aber das sind seltenste Ausnahmen

Dafür gibt es keinerlei Hinweise.

Ein Archäologe der Zukunft könnte dann durchaus fälschlich die Theorie haben, dass nach dem alten orthodoxen Reich hier dann das katholische Reich folgte, und am Ende dann das evangelische Reich ...

Ein dummer Archäologe.

Es gibt da so etwas in der Wissenschaft, das nennt sich peer review. Wenn jemand etwas veröffentlicht, wird es von den Kollegen erst einmal geprüft und wenn man irgendeine Schwäche in der Argumentation feststellt wird das gnadenlos vorgeführt.

Wenn wir mit der ägyptischen Chronologie, Königsideologie und Verwaltung dermaßen grob daneben liegen, dann müsste zumindest die neuere Forschung doch bereits über massenhaft unerklärliche Widersprüche gestolpert sein. Eine neuere Forschung, die kein ideologisches Interesse an der Aufrechterhaltung des alten Status quo hat: Die ägyptischen Professoren und Universitäten würden den altehrwürdigen Fakultäten der Kolonialherren nur allzu gern unter die Nase reiben, dass sie eigentlich keine Ahnung und Ägypten überhaupt nicht verstanden haben

Der Name "König" für die Stellung des Pharao ist vielleicht sehr irreführend!

Es ist trotzdem der beste Begriff um mit Laien zu kommunizieren. Besser als Pharao, in vielerlei Hinsicht. Aber präzise müsste man natürlich von "Nisu" sprechen. Letztes Jahr auf dem ICE habe ich eine interessante These zum ",bity" Titel gehört, "Horus" ist vermutlich der älteste, "nibtawi" ist die Referenz auf den Gründungsmythos und sematawi und "saRa" geht wohl auf den Sonnenkult der 4./5. Dynastie zurück.

Ich will damit sagen: bevor man eine ganze wissenschaftliche Disziplin revolutionieren will, sollte man sich vielleicht erst einmal in dieser Disziplin auskennen. Meinst du nicht?

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rr1957  01.07.2024, 09:34
@Schemset

Zweifellos, haben die Ägyptologen Jahrhundert lang daran gearbeitet, ihre Theorie intern konsistent zu machen, alle passende Funde auszustellen und alle unpassenden Funde als zweifelhaft auszusortieren.

Du hast oben die Kritiker als "(Laut Wikipedia: ein Mathematiker, ein Wirtschaftswissenschaftler und ein Germanist... )" identifiziert, und ja, das ist typisch dass der neue bessere Ansatz nur aus einer anderen Wissenschaft kommen kann, denn die "Peer Review" verhindert eine Revolution von innen.

Fomenko, der Mathematiker, ist ein gutes Beispiel. Er war ursprünglich angetreten, die Umlaufbahn des Mondes an Hand (auch) historischer überlieferter Daten exakt zu rekonstruieren (und das nicht mal als Erster, sondern in Überprüfung (Review) einer eben strittigen Studie eines anderen). Er stiess dabei dann auf ein physikalisch unerklärliches Verhalten des Mondes in der 2. Ableitung, und beim Hinterfragen der Daten fand er dann Fehldatierungen für alle Daten vor dem Mittelalter. Ein Historiker hätte diese Methode nicht anwenden können, und wenn, hätte dann sicherlich eher den Knacks in der Ableitung hingenommen als an allen Datierungen zu zweifeln. Fomenko dagegen als Mathematiker war sich halt sicher, dass die Datierungen falsch sein müssen, und hat aus diesem Grund begonnen die ganze Geschichtsschreibung vor dem MA zu hinterfragen. Die alten Mondbeobachtungen sind eben grob konsistent rückgerechnet, aber halt nicht genau genug dass die 2. Ableitung auch stimmt.

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Schemset  01.07.2024, 10:39
@rr1957
Zweifellos, haben die Ägyptologen Jahrhundert lang daran gearbeitet, ihre Theorie intern konsistent zu machen, alle passende Funde auszustellen und alle unpassenden Funde als zweifelhaft auszusortieren

Das ist eine sehr ernste und fiese Unterstellung.

Ich habe Ägyptologie studiert, ich kenne die Disziplin von innen. Ich kenne die Leute, die Fachzeitschriften, die Strukturen.

Ich habe aber keinen Abschluss und arbeite in einem völlig anderen Feld, ich habe also keine finanzielle Abhängigkeit.

Und ich würde jederzeit beschwören - anochni Ra - dass die Ägyptologie keine Geschichtsfälschung dieser Art betreibt. Es mag natürlich Fehlinterpretationen geben, und Menschen, die ein bisschen zu sehr in ihre eigenen Ideen verliebt sind. Aber ich habe nie erlebt, dass alternative Interpretationen mundtot gemacht wurden, oder dass jemand absichtlich einen Fund oder eine Stratigraphie "aussortiert" hätte.

Ich halte es sogar für ziemlich wahrscheinlich, dass die Chronologie Ägyptens noch hier und da angepasst wird... vor allem, wenn wir noch mehr absolute C14 Daten kriegen und mehr Daten zu den Zwischenzeiten. Aber eine parallele Existenz von Altem, Mittlerem un Neuem Reich halte ich für ausgeschlossen.

Nicht aus Arroganz ode Ideologie, sondern weil einfach ein riesiger Haufen an Befunden existiert, die das ausschließen oder höchst unwahrscheinlich machen. Ich bin ein Mensch mit etwa Bachelor-Level und mir fallen massig Gegenbeispiele ein, ohne dass ich in der Bibliothek etwas nachlesen müsste.

Input aus anderen Disziplinen und neue Ideen können wichtig und richtig sein, das bestreite ich gar nicht. Aber dieser Input muss sich erst einmal beweisen, damit er ernst genommen wird. Die Beweislast liegt bei der neuen These. Daher: wo sind die Profile mit den NR Schichten unten? Wo sind die textlichen Hinweise auf eine Koexistenz? Wo sind die Beispiele falsch datierter Funde?

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rr1957  01.07.2024, 12:05
@Schemset

Ich weiss nicht, wieso Du das "fies" nennst, das ist doch einfach wie alle Geschichtswissenschaften ticken, es gibt auch viele Beispiele aus anderen Themenbereichen, wie z.B. der Erstbesiedlung Amerikas, wo man der Ersten, der es wagte an "Clovis-First" zu zweifeln, akademisch komplett ruiniert hat, und heute ist es breit anerkannt, dass es lange vor Clovis schon Menschen in Amerika gab ...

Es ist doch sprichwörtlich, dass der Fortschritt in der Wissenschaft oft erst dadurch passiert dass die etablierten Vertreter der alten Lehre schliesslich sterben.

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Schemset  01.07.2024, 12:44
@rr1957
Ich weiss nicht, wieso Du das "fies" nennst, das ist doch einfach wie alle Geschichtswissenschaften ticken,

Du hast unterstellt, wir würden die eigene Theorie konsistent machen, indem wir unpassende Funde absichtlich aussortieren. Das ist ein grober Verstoß gegen die wissenschaftliche Ethik und Arbeitsweise.

Es ist ein Unterschied, ob jemand eine neue Interpretation vorbringt - also vorhandene Befunde und Texte anders interpretiert. Da gibt es in der Tat manchmal etablierte Professoren, die das nicht gerne sehen. Die meisten Fortschritte werden trotzdem innerhalb des Faches durchgesetzt, nicht von außen

Aber wenn es darum geht, dass jemand auf Ebene der Datenerhebung eingreift... Funde verschwinden lässt, nicht ordentlich publiziert, ohne ausreichende Belege interpretiert... das ist ein schwerwiegender Vorwurf gegen die Berufsethik.

Stell dir vor, ein Banker schwatzt seinen Kunden wider besseres Wissen irgendwelche Fonds auf, die sich als Flop erweisen - das ist nicht schön, aber man kann es kaum nachweisen.

Wenn selbiger Banker aber die Zahlen frisiert - das ist Betrug.

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Schemset  01.07.2024, 13:13
@Schemset

Ich würde dir vorschlagen, lies Mal ein bisschen in der Fachliteratur. Selbst wenn es bei dir in der Gegend keine ägyptologische Fakultät gibt, die nächste Universitäts- oder Staatsbibliothek sollte zumindest die MDAIK haben, das ist die Fachzeitschrift von DAI in Kairo. Oder du machst eine kostenlose Mitgliedschaft bei jstor, da gibt es auch einiges online.

Jedenfalls kannst du dann sehen, wie der durchschnittliche Artikel so aufgebaut ist. Da gibt es erst einmal eine Menge Info zur Befundlage und bisherigen Forschung. Dann detaillierte Beschreibungen, was man so erforscht und verglichen hat. Und dann am Ende vielleicht so 10% in denen man vorsichtig eine mögliche Interpretation äußert.

Vielleicht wird dann klar, dass die konventionelle Chronologie nicht aus Jux und Dollerei besteht und "einfach so" akzeptiert wird. Ägyptologen sind mindestens die Hälfte ihrer Zeit mit Katalogisieren von Daten und Befunden beschäftigt. Wenn 3 der wichtigsten großen Fundgruppen chronologisch vollkommen inkonsistent wären, dann WÄRE UNS DAS AUFGEFALLEN... Wenn nicht, dann können wir entweder unseren Job nicht oder wir gehören alle zur Weltverschwörung, wahrscheinlich sind wir Reptiloiden oder so.

Deswegen reagiere ich so empfindlich auf deine Beiträge... weil es echt unterstellt, dass Ägyptologen entweder null Ahnung vom eigenen Fach haben oder böswillig die Öffentlichkeit belügen.

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rr1957  02.07.2024, 08:40
@Schemset
Deswegen reagiere ich so empfindlich auf deine Beiträge... weil es echt unterstellt, dass Ägyptologen entweder null Ahnung vom eigenen Fach haben oder böswillig die Öffentlichkeit belügen.

ich möchte dazu klarstellen: ich unterstelle da keinen bösen Willen, ich sehe schon dass die heutigen Ägyptologen das selber alles ehrlich glauben und meinen die Wahrheit aufzuklären.

Ich glaube aber schon dass sie dabei auf einer grob falschen Grundlage stehen, die sie aber nicht bezweifeln dürfen ohne ihren Job zu verlieren.

Und mir ist auch wiederholt aufgefallen, dass Ägyptologen oft wenig Ahnung und Verständnis von Technik haben und gerne als "Kult-Objekte" o.ä. erklären was klaren praktischen Nutzen hatte, den sie halt nicht verstehen.

Und ja, ich habe mal gelesen (und finde es leider nicht mehr) dass in der Präambel der Gründungsurkunde einer der (britischen?) Ägyptologischen Gesellschaften ganz klar stand, dass das erklärte Ziel der Organisation die Stärkung des christlichen Glaubens sei (also eben nicht die Erforschung der tatsächlichen Geschichte, sondern immer "die Bibel hat doch recht"). Ja, war im vorletzten Jahrhundert, aber solche Grundlagen wirken.

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Schemset  02.07.2024, 11:10
@rr1957
ich möchte dazu klarstellen: ich unterstelle da keinen bösen Willen, ich sehe schon dass die heutigen Ägyptologen das selber alles ehrlich glauben und meinen die Wahrheit aufzuklären.

Das ist gut, aber dann denkst du immer noch, wir sind inkompetent

Ich glaube aber schon dass sie dabei auf einer grob falschen Grundlage stehen, die sie aber nicht bezweifeln dürfen ohne ihren Job zu verlieren.

Jan Assmann hat die Ägyptologie mit seiner These vom kulturellen Gedächtnis und der Rezeptionsgeschichte in einen breiteren kulturhistorischen Kontext gestellt

Barry Kemp hat mit seinen Grabungen in Amarna den Mythos des Echnaton entzaubert

Kara Cooney hat mit "The Good Kings" die Nachwirkungen patriarchaler Propaganda in der Ägyptologie offen gelegt

Mark Lehner ist als fachfremder Laie mit Verschwörungsmythen im Kopf nach Ägypten gekommen und hat sich zum größten Experten der Archäologie des Gizeh-Plateaus entwickelt.

Joann Fletcher und Nicholas Reeves haben mit ihren Thesen zu Nofretete viel Skepsis und Spott geerntet... und es trotzdem getan. Und in manchen Punkten Recht behalten.

Monica Hana hat auf dem wichtigsten Agyptologie-Kongress der Welt eine ent-Kolonialisierung des Faches eingefordert.

Ich will damit sagen: so verkrustet und unbeweglich ist die Ägyptologie nun auch nicht!!

Selbstverständlich stehen viele Leute vor dem Problem, dass sie nur da forschen können wo sie es finanziert bekommen.

Aber wenn jemand in einem Fachartikel Daten präsentieren würde: seltsame Stratigraphie, Erwähnung eines Pharao an unerwarteter Stelle, die Sache mit der scheinbar "wiederentdeckten" Glasherstellung - solche Sachen könnte man problemlos publizieren ohne damit in Schwierigkeiten zu kommen. Man könnte ja erst einmal die Daten präsentieren ohne irgendwelche Interpretationen zur Chronologie. Und wie ich schon sagt... wenn die konventionelle Chronologie dermaßen daneben liegt dann müsste es sehr, sehr viele solcher widersprüchlicher Daten geben.

Daher glaube ich, du machst es dir viel zu einfach mit einem pauschalen "die trauen sich nur nicht"

Und mir ist auch wiederholt aufgefallen, dass Ägyptologen oft wenig Ahnung und Verständnis von Technik haben und gerne als "Kult-Objekte" o.ä. erklären was klaren praktischen Nutzen hatte, den sie halt nicht verstehen.

So was kann vorkommen. Hast du Beispiele ?

Meiner Erfahrung nach kommt es viel häufiger vor, dass Laien irgendetwas hinein interpretieren in ägyptische Reliefs und Bilder. Und von Ägyptologen nicht ernst genommen werden. Weißt du warum? Weil die Ägypter ihre Bilder beschriftet haben. Beispiel die "Dendera lights". Warum halten wir das für eine kultische Szene und keine Glühbirne? -Weil diejenigen, die das Bild geschaffen haben, uns freundlicherweise die Bildbeschreibung daneben geschrieben haben!!

Und ja, ich habe mal gelesen (und finde es leider nicht mehr) dass in der Präambel der Gründungsurkunde einer der (britischen?) Ägyptologischen Gesellschaften ganz klar stand, dass das erklärte Ziel der Organisation die Stärkung des christlichen Glaubens sei (also eben nicht die Erforschung der tatsächlichen Geschichte, sondern immer "die Bibel hat doch recht")

Jep, das wabert hier und da noch vage im Hintergrund .Aber der Mainstream der Archäologie hat sich vom biblical literalism längst distanziert, deswegen heulen ja die Kreationisten und bibeltreuen Christen immer so über die fiesen, woken WissenschafterInnen.

In der Ägyptologie liegt das ideologische Problem heute vielmehr in der Auseinandersetzung mit dem ägyptischen Antikendienst, der den Daumen auf allen Grabungslizenzen hat, Artefakte zurück fordert und die Ägyptologie für den ägyptischen Nationalismus und die Touristen Dollars ausschlachten will.

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rr1957  02.07.2024, 13:10
@Schemset

Ich muss nun die eigentlich noch grundlegendere Frage stellen:

Warum gibt es überhaupt "Ägyptologie" als eigenständiger Wissenschaft ? Es gibt doch auch keine Italologie, oder Hispanologie, oder Marokkologie oder so ...

Es scheint doch so zu sein, dass die Ägyptologie da eine Sonderrolle beansprucht, und die ist nur zu rechtfertigen indem man eine Sonderstellung Ägyptens behauptet, entweder religiöser Natur, oder als "erste & älteste Hochkultur".

Und genau diese Sonderstellung Ägyptens bezweifle ich eben stark. Aber die Ägyptologie muss das mit Zähmem und Klauen verteidigen ...

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Schemset  02.07.2024, 13:54
@rr1957
Warum gibt es überhaupt "Ägyptologie" als eigenständiger Wissenschaft ?

Weil es so eine große Menge an Material aus diesem Land gibt.

Es gibt übrigens auch eine Assyrologie, Indologie, Sinologie, Graezistik, Mediävistik und alle möglichen anderen spezialisierten Fachdisziplinen.

Es scheint doch so zu sein, dass die Ägyptologie da eine Sonderrolle beansprucht, und die ist nur zu rechtfertigen indem man eine Sonderstellung Ägyptens behauptet, entweder religiöser Natur, oder als "erste & älteste Hochkultur".

Nö. Die ägyptische Religion ist nur eine von vielen, Sumer ist älter und der Begriff "Hochkultur" ist in der modernen Forschung in die Kritik geraten.

Wenn jemand die Chronologie Ägyptens radikal überarbeiten will ist er/sie eingeladen, die entsprechenden Daten vorzulegen. Es gibt keine ideologischen Gründe eine solche Neuberechnung abzulehnen, aber sie müsste halt wissenschaftlich belegt werden.

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Ägypten wird von Wüsten und im Norden vom Mittelmeer umschlossen. Daher gab es wenige direkte Nachbarn.

Der Nil ist ein natürlicher Handelweg, welcher alle Menschen an diesem Fluss miteinander verband und einen Wissensaustausch erleichterte.

Die Entwicklung von Göttern mit nur einer bestimmten Aufgabe zu Göttlichkeiten mit weiter reichenden Idealen kam durch die allgemeine Weiterentwicklung des abstrakten Denkens mit Idealen. Die Philosophie war im entstehen.

Gerade der Atonkult war eine Möglichkeit die Position des Pharaos zu stärken, denn der Pharao war für diesen Kult der Hoheprister und vollführte die benötigten Riten. Die Amonpriester hatten zuvon immer mehr Macht an sich gerissen und dadurch die Macht des Pharaos eingeschränt. Die Einführung des Atonkultes war dementsprechend eine Gegenbewegung von oben zur Wiederherstellung der pharaonischen Macht.

Dazu poste ich, wie üblich, ein wichtiges Zeugnis dieses damals neuen Glaubens. Es ist ein Bekenntnis, das in vielen Teilen immer noch Gültigkeit hat.

https://youtu.be/jlg0FxMhsMM

Woher ich das weiß:Hobby

Schemset  25.06.2024, 13:36
Gerade der Atonkult war eine Möglichkeit die Position des Pharaos zu stärken, denn der Pharao war für diesen Kult der Hoheprister und vollführte die benötigten Riten. Die Amonpriester hatten zuvon immer mehr Macht an sich gerissen und dadurch die Macht des Pharaos eingeschränt. Die Einführung des Atonkultes war dementsprechend eine Gegenbewegung von oben zur Wiederherstellung der pharaonischen Macht.

Das ist die ältere Deutung, sie ist in der aktuellen Forschung inzwischen weniger vertreten. Maßgeblich dazu z.B. Aidan Dodson.

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CorgiMcweasel 
Beitragsersteller
 25.06.2024, 12:41

aber warum hatten die Babylonier, Assyrer und Ur und Uruk und Kisch nicht diese selbigen Möglichkeiten, so lange wie das Alte Ägypten zu existieren? Oder selbst die Römer und Mazedonien und das alte Athen und Sparta?

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Neugier4711  25.06.2024, 12:45
@CorgiMcweasel

Geographisch bedingt. Mesopotamien war wie Ägypten bedingt durch Euphrat und Tigris ideal zur Kulturbildung, doch drumherum gab es andere Völker und somit Eroberungen.

Das antike Griechenland und das Römische Reich entstanden später. Langlebige Reiche über Jahrtausende scheinen nicht mehr möglich zu sein.

Ägypten war zwischendurch auch erobert, z.B. Hyksos, doch durch die abgeschlossene geographische Lage kam es immer wieder zur Neubildung bzw. zur Wiederbelebung.

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Schemset  25.06.2024, 13:32
@Neugier4711

Ich glaube, es ist schon eine Kombination mehrerer Faktoren... Geographie, Ressourcen, Ideologie und nicht zu vergessen: Zufall!

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Der Ursprung des Monotheismus lag nicht in Ägypten, auch wenn eine Zeit dort im Neuen Reich unter Amenemhet IV. Aton vorherrschte, was aber nur eine Episode blieb. Schon sein Sohn Tutankhamun hat das wieder aufgehoben, nachdem er seinen Namen Tutankhaton änderte nach Abschaffung des Atonkults, den sein Vater einführte sehr zum Ärger der Priesterschaft. …