Was gibt es für Unterschiede zwischen den vier sunnitschen Rechtschulen im Islam?

5 Antworten

Das sprengt den Rahmen dieses Forums :-D

Der Glaube ist der selbe, es geht dabei ausschließlich um die Details des religiösen Lebens, und derer gibt es JEDE MENGE.. Am Bekanntesten ist das Beispiel der Gebetshaltung. Beim rituellen Gebet halten die Betenden die Hände je nach Rechtsschule vor der Brust verschränkt oder lassen sie an ihren Seiten hängen.

Um da ALLE Unterschiede auszuarbeiten, bräuchte man eine Enzyklopädie. Such dir eine ;-)

As salam aleykum HStar97,

im Gegensatz zu den anderen Religionen sind die 4 sunnitischen Rechtsschulen etwas ganz Besonderes. Erstmal allgemein zu den 4. Rechtsschulen: Es gibt genau vier: Hanafi, Maliki, Shafi'i und Hanbali.

Doch worin liegt nun der Unterschied zwischen diesen 4. Rechtsschulen?

Jeder dieser 4. großartigen Gelehrten hat bei bestimmten Quransuren und Ahadithen (Überlieferungen) diese auf seine Art interpretiert, natürlich mit dem Einfluss der Sunnah des Propheten.

Man sollte aber wissen, obwohl sich alle 4 bei einigen Punkten etwas uneinig sind, darf keine der 4. Rechtschulen ausgeschlossen werden, da sie selbst Beweise für ihre Interpretation von der Sunnah des Propheten (SallAhuAleyhiWasalam) besitzt. Natürlich haben diese Gelehrte auch einige Fehler gemacht und schrieben deswegen jeden Muslim vor, dass man die Rechtsschulen nicht blind befolgen darf, vielmehr sollte man nach Beweisen fragen und nachdem gehen, was eher zutritt (die stärkere Meinung).

Die Rechtsschulen weisen aber keine Meinungsverschiedenheit, sondern eine Art Vielfältigkeit des Islams. Dadurch ermöglicht der Islam auch das Leben verschiedener Muslime unter einem Dach. Ich z.B habe einen anderen Madhab (Rechtsschule) als meinen Vater und wiederum mein Bruder besaß einen anderen Madhab (Rechtsschule) als meinen Vater.

Wieso werden aber alle Meinungen akzeptiert, obwohl nur eine richtig sein kann?

Diese Frage lässt sich einfach beantworten. Wenn eine Religion Gottes gegründet wird, bleibt sie auf einem Weg, verbreitet sie sich doch und gibt es Meinungsverschiedenheiten unter der Gemeinschaft, so entstehen diverse Sekten und Ideologien, die mit der Gemeinschaft nichts mehr zu tun haben. Genau dies war im Islam eigentlich nicht möglich, denn die Rechtsschulen regeln und schützen die Gemeinschaft vor solch einem Übel.

Ein Gelehrter sagte einmal:" Je mehr Wissen man im Islam erwirbt, desto kleiner werden die Vorurteile gegenüber den anderen Meinungen."

Hoffe ich konnte ein Stück helfen

Hallo HStar97,

Erst einmal muss gesagt werden, dass alle 4 Rechtsschulen in ihren Glaubensgrundlagen gleich sind. Sie bezeichnen sich als Ahl-us-Sunnah Wal Dscham'ah (Vereinte Volk der Sunna des Propheten), betrachten sich als eine einzige Gruppierung und einigen sich auf die 6 Säulen des Iman ("Iman" bedeutet Glaube):

  1. Der Glaube an den einzigen Gott (arab. Allah)
  2. Der Glaube an die Engel
  3. Der Glaube an die Offenbarungen bzw. Schriften (darunter die Tora, Zeburi (Offenbarung an den Propheten David) und das Evangelium Jesu in ihren ursprünglichen, wahren Originalform und der Koran)
  4. Der Glaube an die Gesandten (darunter Noah, Abraham, Lot, Moses, David, Salomon, Jesus, viele weitere, die entweder auch in der Bibel vorkommen, aber auch darüber hinaus. Ursprünglich sandte Gott Gesandte an alle Völker. Der letzte Prophet und Gesandte ist Mohammed. Nach ihm kommt kein weiterer).
  5. Der Glaube an den jüngsten Tag (arab. yaum-ul-qiyamah). An diesem Tag wird vollkommene Gerechtigkeit hergestellt. Es entscheidet sich, ob man den ewigen Platz in der Hölle oder im Paradies einnimmt. Wer mit dem Islam als Religion stirbt, dem ist das Paradies versprochen.
  6. Der Glaube an das Schicksal (al-qadr). Der Mensch besitzt einen freien Willen und kann sich für das Gute oder aber das Üble entscheiden, aber nichts geschieht ohne dass Allah es will. Allah weiß was in der Vergangenheit war, was jetzt passiert und was alles passieren wird.

Was die Praxis angeht, so einigen sich alle 4 Rechtsschulen auf folgende Punkte, die als Säulen des Islams bekannt sind:

  1. Glaubensbekenntnis (Shahada): Es gibt keinen Gott außer Gott (Allah) und Mohammed ist sein Gesandter.
  2. Gebet (Salat): Fünf mal am Tag betet der Muslim gen Mekka.
  3. Fasten (Saum) im Ramadan: Der Ramadan ist im islamischen Kalenderjahr der Monat, an dem jeden Tag von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang gefastet wird. Ausgenommen davon sind u.a. Kranke und Alte.
  4. Almosen für Bedürftige (Zakat): Es wird ein jährlicher Betrag von 2,5 % des Besitzes und Vermögens einer Einzelperson verlangt. Darüber hinaus gibt es weitere Almosen, wie die Zakat-ul-Fitr, welche im Ramadan gezahlt wird.
  5. Pilgerreise nach Mekka (Haddsch): Sie ist Pflicht für jeden Muslim einmal im Leben, sofern dafür die Mittel zur Verfügung stehen.

Das sind aber lange nicht alle Punkte, wo es einen Konsens unter allen vier Rechtsschulen gibt. Allerdings kann man schon für alle Punkte, außer dem ersten, zeigen, dass die Ausführung je nach Rechtsschule in den Details unterschiedlich ist. Malikiten haben ein paar andere Gebetshaltungen als etwa Hanafiten oder Shafiiten. In den meisten Sachen (Länge des Gebets, Gebetstexte) stimmen sie jedoch überein.

Man könnte jetzt noch eine Reihe weitere Beispiele anführen, aber das würde den Rahmen hier sprengen.

Was auf jeden Fall festzuhalten bleibt ist, dass alle 4 Rechtsschulen sich gegenseitig anerkennen und respektieren. Aus Sicht der Hanafiten sind Schafiiten genauso auf dem richtigen Weg wie Hanbaliten und Malikiten. Wenn jemand von einer Rechtsschule zur anderen "wechselt" ist das in aller Regel kein Problem. Oft ist es auch so, dass jemand in einer bestimmten Kategorie (bsp. Gebetsausführung) der einen, aber in der anderen Kategorie (Essensgebote) einer anderen Rechtsschule folgt.

Inshallah (So Gott will) konnte ich dir ein wenig weiterhelfen! :-)

P.S.: Das Bild spricht für die Haltung der allermeisten sunnitischen Muslime!

Eine Quelle, vier Wege, ein Ziel - (Islam, Muslime)

earnest  16.08.2014, 06:31

Du schreibst an der Fragestellung vorbei, AhlUsSunnah.
Gefragt war nach den Unterschieden.

Bis auf zwei Sätze läßt du dich aber lang und breit über die Gemeinsamkeiten aus.

AhlUsSunnah  16.08.2014, 20:01
@earnest

Ich habe die Frage aus der Intention heraus beantwortet, dass gleichzeitig eventuelle Vorurteile aus dem Weg geräumt werden. Fakt ist nämlich, dass die klassische Orientalistik die Unterscheidung zwischen den Rechtsschulen von außen betrachtet viel stärker in den Vordergrund rückt als die sunnitischen Muslime selber. Ich sehe keinen großen Sinn darin, alle einzelnen Details hier aufzuzählen, wo z.B. Abū Ḥanīfa anderer Meinung war als Aḥmad ibn Ḥanbal. Mit meinen Beispielen habe ich dargelegt, auf welcher Ebene sich diese Unterscheidung bewegt - das reicht meiner Ansicht nach. Für Tiefgründigeres muss nun wirklich die einschlägige klassische Literatur herangezogen werden.

Gruß, AhlUsSunnah.

earnest  17.08.2014, 10:00
@AhlUsSunnah

Deine Intention in allen Ehren - aber das "gleichzeitig" stimmt wohl nicht so recht, denn für die Fragestellung sind, wie geschrieben, nur zwei Sätze relevant.

Dir ein schönes Restwochenende earnest

Ein relevanter Unterschied: Bei den Schaafiten ist die Weibliche Genitalverstümmelung (FMG) Pflicht! Dafür darf man mit Nagellack die Gebetswaschung und die Gebete verrichten! Deshalb haben die somalischen Frauen - die ja fast alle "pharaonisch beschnitten" sind - lange rotlackierte Fingernägel! Während hier im Forum immer wieder geschrieben wird, Nagellack würde die Gebetswaschung und das Gebet ungültig machen!


AhlUsSunnah  16.08.2014, 00:11

Falsch.

Selbst die Pflicht für die Beschneidung der Frau ist innerhalb der schafiitischen Gelehrtenschaft nicht Konsens. Fakt ist, die Beschneidung von Frauen war zur Zeit des Propheten Mohammed Gang und Gebe im alten Arabien. Und es war niemand anderes als Mohammed, der diese Praxis einschränkte und befahl nicht die gesamte Klitoris wegzuschneiden. Die weibliche Genitalverstümmelung mit Pharaonen-Schnitt, die auch in christlichen und animistischen Kreisen in Nordafrika vorkommt, ist kulturell bedingt.

earnest  16.08.2014, 06:32
@AhlUsSunnah

Was für ein Zynismus in der Beschreibung solcher Schandtaten:
"... ist kulturell bedingt" ...