Warum werden Menschen, die als "geistig behindert" angesehen werden (z.B. spastisch Gelähmte), oft nicht ernst genommen?
Wie lässt sich das erklären?
5 Antworten
Sie werden vielleicht schon ernst genommen.
Nur wissen viele Menschen nicht, wie sie damit umgehen sollen.
Ich sitze aktuell grad zum 'Feierabendbier. ( nach Nachtschicht)
Da ist öfter (im Moment auch) ein Mann da, der etwas geistig behindert ist, und zudem Sprachstörungen hat.
Zwar will er gerne kommunizieren, aber man versteht ihn meist erst nach 2-3 Nachfragen.
Es ist mir selbst etwas peinlich so oft nachfragen zu müssen.
Grad hab ich ihm erklärt, dass ich noch 'am Handy was machen muss/will.
Das kann er schon akzeptieren.
Andererseits haben 'wir uns schon seit längerem entschlossen, ihn zu unserem wöchentlichen 'Mittwochsschwimmen mitzunehmen.
Er kann zwar nicht schwimmen, genießt aber das Dampfbad und planschen im Nichtschwimmerbecken.
Einer von uns passt dann immer auf ihn auf.
Er soll ja auch irgendwo 'dazugehören.
Nur nervt es eben auch manchmal, wenn er für einen kurzen und undeutlichen Satz 2-3 Minuten braucht, UND man trotzdem noch nachfragen muss, um das Gesagte zu verstehen.
Das Problem ist, dass man bei Spastikern manchmal denken kann, dass eine geistige Behinderung vorliegt, obwohl das nicht der Fall ist. Wenn jemand keine Erfahrung mit betroffenen Menschen hat, geschieht diese Fehleinschätzung leicht. Das ist ähnlich wie mit Stotterrern, nur dass sich da inzwischen herumgesprochen haben sollte, dass Stottern nichts mit Intelligenz zu tun hat.
Ernst nehmen sollte man natürlich auch einen geistig behinderten Menschen. Je nach Behinderungsgrad ist dieser aber nicht voll entscheidungsfähig.
Sie werden oft bemitleidet und unterschätzt, nicht als vollwertige Menschen wahrgenommen; viele Menschen haben da auch Hemmungen bzw. in meinen Augen die krasse Mehrheit der Gesellschaft weiß auch nicht mit ihnen umzugehen. Dazu kommen dumme Vorurteile dieser und jener Art, die sich lang halten und immer wieder neu befeuert werden :-/
Das betrifft aber auch Körperbehinderte. Eine Freundin von mir, die beidseitig oberschenkelamputiert ist und ohne Prothesen im Rollstuhl sitzt, hat damit auch lang gekämpft - keiner hat ihr irgendwas zugetraut, selbst Zeugnisse mit Top-Noten haben den Zustand nicht verbessert. Erst durch Hilfe von Freunden bzw. weil sich jemand aus dem Freundeskreis selbstständig machte und eine fähige Bürokraft gesucht hat, bekam sie eine Arbeitsstelle - in der sie auch total aufgeht.
Weil man meint, dass sie uns nicht verstehen.
Wenn sie sich komusch bewegen oder nicht gut sprechen können, meint man dass sie geistig behindert, obwohl nur der Körper betroffen ist und/oder nur Aphasie die Schwierigkeit zu sprechen ist.
Wir haben oft keine Geduld zu warten, bis sie fertig geredet haben oder wir sie endlich verstanden haben.
Lange Zeit wurden Behinderte von der Gesellschaft ausgestoßen. Nicht nur wie in der NS Zeit aktiv getötet, sondern auch davor und danach teils einfach als minderwertig ignoriert.
Daher waren viele Behinderte früher einfach "dumm", da oft gänzlich ungebildet. Selbst wenn sie von sich aus viel hätten lernen und wissen können, je nach Behinderung ggf sogar normal intelligent sind.
Ich habe mit Menschen mit Behinderung gearbeitet, noch heute gibt es Eltern die ihre Kinder überhaupt nicht fördern oder erziehen, weil sie ja behindert sind. Während sie bei uns dann plötzlich doch regeln lernen können, dauert bei denen die keine kennen nur länger. Selbst eine Förderschule war bei uns sehr unbeliebt, weil da der Aspekt Förderung sehr gering gehalten wurde, um Vergleich zu anderen. Wir haben ja gesehen, wie die Leute zu uns kamen und was sie mit echter Förderung und Forderung dann leisten konnten.
Dadurch haben viele, wenn sie an Behinderte denken, noch immer das Bild vom komplett unfähigen Menschen als Vorurteil im Kopf.
Finde Dein/Euer Verständnis, und die Integration des Menschen ganz toll, vielen Dank dafür. LG