Warum sind Ostdeutsche überwiegend atheistisch und Polen überwiegend christlich?

4 Antworten

Es gibt keine "Ostdeutsche". Es gibt ausschliesslich Bundesdeutsche Staatsbürger! Bitte baue doch die Mauer in Deinem Kopf endgültig ab!

Ja, es gab Kirchen und Religionsgemeinschaften. Diese haben auch aktive Arbeit gemacht. Es gab Pfarrer, geistliche, Kirchen etc. Es gab sogar Kommunion und Konfirmation in den beiden christlichen Hauptkirchen.

Nur war es leider so, dass das Kommitee für Staatssicherheit Religionsgemeinschaften als "schädlich für das Volk" betrachtet und daher sehr kritisch beobachtet haben.

Aus den StaSi-Unterlagen ist hervorgegangen, dass im Endeffekt jede kirchliche Gemeinde von Informellen Mitarbeitern unterwandert gewesen ist - und wenn diese nur beobachtet wurden. Aber sie wurden natürlich auch aktiv bekämpft und "zersetzt" wenn es notwendig gewesen ist in den Augen der Staatsicherer!

Diese Kritische Haltung entstammte dem Gedankengut von Marx und Engels, welche das Christentum eben als "volksschädlich" abgetan haben. Die Politik des Brudervolkes in der UdSSR (sprich: Die Politik von Lenin und Stalin) haben ihr übrigens dazu getan, die Diener Gottes (welches Gottes auch immer) als Staatsfeinde zu betrachten.

Anders wiederherum in Polen.

Dieser Staat ist schon sehr lange von der römisch-katholischen Kirche geprägt, welcher auch der Kommunismus (welchen die Polen sowieso grundsätzlich ablehnten) nichts anhaben konnte. Polen war immerschon das wohl religiöseste Land des Europäischen Halbkontinentes. Das konnte selbst Stalin nicht verhindern.

Ich lese gerade einen Roman von Tom Clancy, in welchem der polnische Papst Johannes Paul II. der polnischen Regierung damit droht, sein Amt niederzulegen, nach Polen zurückzukehren (in den 1980er Jahren) und sich an die Spitze der Solidarnosc-Bewegeung der Arbeiter-gewerkschaft zu stellen.

Wäre dies' geschehen, hätte sich das polnische Volk erhoben gegen die UdSSR - und hundertausende Menschen wären von den Panzern der Roten Armee zermalmt und erschossen worden.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Menschlichkeit ist mein persönlicher Grundsatz!
Von Experte Udavu bestätigt

Das liegt an der gesellschaftlichen Rolle der Konfessionen: In Polen gehört der Katholizismus zur nationalen Identität und spielte eine Rolle für den Zusammenhalt gerade in den Zeiten, in denen es keinen eigenständigen polnischen Staat gab. Er war ein Gegengewicht gegen die russische und preußische Fremdherrschaft, gegen die Nazis und den Kommunismus. Der Protestantismus in Ostdeutschland hatte keine solche tragende Rolle.

Der Kulturkampf Bismarcks gegen die katholische Kirche richtete sich in der Provinz Westpreußen vor allem gegen den polnischen Klerus, er weckte indes das Nationalbewusstsein der polnischsprachigen Landbevölkerung. Die Maßnahmen der preußischen Behörden wurden als Repression des Polentums verstanden. (...)
Die römisch-katholische Kirche war in der Zeit der kommunistischen Herrschaft eine Gegenmacht, die viele Polen anzog.

https://de.wikipedia.org/wiki/R%C3%B6misch-katholische_Kirche_in_Polen

Woher ich das weiß:Hobby – Geschichte, langjähriges Interesse incl. Fachliteratur

l3487171 
Beitragsersteller
 09.06.2024, 22:02

Aber ich frage mich, warum der Protestantismus nicht zur Identität der Ostdeutschen gehört. Immerhin war ja auch Luther sozusagen ein Ostdeutscher. Es ist bemerkenswert, dass die Ostdeutschen zu Materialisten geworden sind.

Sangallo  09.06.2024, 22:12
@l3487171

Dass Luther von dort stammte, ist halt nicht genug. Es braucht einen gesellschaftlich-politischen Zusammenhang zwischen Nation und Konfession. Und im Gegensatz zu Polen ist Deutschland konfessionell seit der Reformation gespalten, deshalb hat die Konfession allgemein keinen hohen Stellenwert als nationales Merkmal der Deutschen insgesamt, nur einen regionalen. Den Protestantismus hat man im Osten wohl am ehesten mit Preußentum in Verbindung gebracht, und das hat nach 1945 negative Assoziationen erzeugt, nicht nur bei den Kommunisten (ob zurecht oder nicht, spielt dabei erst mal keine Rolle).

Polen waren überwiegend katholisch und blieben es auch während der Zeit des Sozialismus. Hilfe bekamen sie auch mit der Unterstützung des polnischen Papstes. Die Ostdeutschen überwiegend evangelisch sind haufenweise ausgetreten, wurden auch von der Regierung gemobbt, bekamen keine guten Jobs usw. wenn sie Mitglied der Kirche waren. Die ev. Kirchen haben zwar bei den Montagsdemonstrationen geholfen aber hinterher sind die jetzt nicht massenweise wieder eingetreten.

Polen ist streng katholisch, somit mit dem Papst in Rom leiert. Sie stellten diesen schon einmal selber und damit ist das schon erklärt. Ostdeutsche kenne ich nicht, meinst du die Ostvertriebenen, deren religiöse Zusammensetzung ist statistisch nicht erfasst.

Woher ich das weiß:Recherche