Warum nimmt die Leitfähigkeit von Graphit bei Hitze zu?
Wenn man Graphit als Leiter und dann ein Feuerzeug dadrunter hält, dann nimmt der Widerstand ab. Warum ist das so und was hat das mit der Tatsache zu tun, dass Graphit ein Halbleiter? Ist das eigentlich bei allen Halbleitern so?
3 Antworten
Das ist nicht bei allen Halbleitern so, aber bei vielen. Es gibt sowohl negative als auch positive Temperaturkoeffizienten. Metalle, aber auch Halbleiter wie Bariumtitanat haben einen positiven Temperaturkoeefizienten und sind Kaltleiter.
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Kaltleiter
Viele Halbleiter aber leiten bei hohen Temperaturen besser. Die Elektronen sind bei niedrigen Temperaturen im Valenzband und weisen kaum eine kinetische Energie auf. Erhöht man die Temperatur, wird ihnen Wärmeenergie und dadurch kinetische Energie zugeführt, sodass sie angeregt werden, ins Leitband zu springen. Dadurch erhöhen sich sowohl die Elektronendichte im Leitband als auch die Löcherdichte im Valenzband, und das Material erhöht seine Leitfähigkeit.
Bei Zimmertemperatur sind bereits viele Ladungsträger frei. Die Eigenleitungsdichte "ni", die sich ohne Anlehnung einer äußeren Spannung aus Wurzel der Elektronendichte mal Löcherdichte sqrt(n0*p0) zusammensetzt, ist daher exponentiell von der Temperatur abhängig.
Deshalb ist der thermische Durchbruch eine häufige Ursache der Zerstörung von Halbleiterbauelememten wie Dioden und Transistoren.
Das Zitat ist auch nicht falsch (es ist halb richtig, denn es gilt für Halbleiter mit dem Mechanismus der Eigenleitung, damit sind schwach dotierte HL gemeint). Aber Graphit ist kein Halbleiter, das ist mein Einwand.
Und Bariumtitanat kenne ich als Ferroelektrikum aber nicht als Halbleiter
Mit Graphit kenne ich mich leider bislang nicht aus, ich habe das für den Fall eines Halbleiters erklärt, da ich das aus der Frage herausgelesen hatte.
Bariumtitanat ist schon einer, sagt auch Wikipedia. Ich kannte es auch bislang nur in deinem Kontext, Martin.
Hallo in der Wikipedia wird es als Kaltleiter benannt. Das liegt aber nicht an halbleitenden EIgenschaften (wird durch eine Bandlücke gegeben) sondern daran dass in den Korngrenzen Ladungsträger festgehalten und wieder freigesetzt werden.
Das mag sein, ich habe mich bei der Antwort darauf gestützt, dass man einen HL vorliegen hat. Es soll sich aber bei hohen Frequenzen bzw kurzen Zeiten wie einer verhalten.
Positiver Temperaturkoeffizient bei der Leitfähigkit ist für Halbleiter typisch. Dagegen nimmt die Leitfähigkeit von Metallen mit der Temperatur ab.
Letzteres ist einfach zu verstehen: Um zu leiten, müssen die Elektronen ja innerhalb des Materials einen langen Weg zurücklegen. Das ist offenbar einfach, wenn die Atome stillstehen, aber je mehr sie sich bewegen (durch die thermische Energie), umso mehr werden die Elektronen gestreut, was Energieübertrag (also so was wie Reibung) bewirkt. Durch einen Wald kann man ja auch leichter laufen, wenn die Bäume nicht unvorhersagbar hin- und herhüpfen.
In einem Halbleiter ist das auch so, aber ein anderer Effekt ist im Regelfall viel stärker: In Halbleitern gibt es ja zunächst einmal ein vollständig gefülltes Valenzband und ein leeres Leitungsband. Nur die thermische Energie der Elektronen macht es möglich, daß ein paar davon ins Leitungsband hüpfen, und mit steigender Temperatur werden es sehr viel mehr (exp(−ΔE/(RT)). Bei höherer Temperatur haben die Elektronen es zwar schwerer, sich durch das Material zu bewegen, aber dafür sind es auch viel mehr, und insgesamt fließt der Strom besser.
Positiver Temperaturkoeffizient bei der Leitfähigkit ist für Halbleiter typisch
Ist für Nichtmetalle typisch. das mit Grafit als Halbleiter sehe ich eher kritisch ...
... aber natürlich verhalten sich Halbleiter widerstandsmäßig wie Nichtmetalle.
Stimmt, da habe ich dem Fragesteller wohl zu leicht geglaubt — eine kurze Google-Suche zeigt an, daß sich Valenz- und Leitungsband ganz schwach überlappen. Vermutlich ist die Zustandsdichte im Überlappungsbereich so gering, daß das für Leiter atypische Temperaturverhalten ergibt.
Danke für den Hinweis!
Ach ja, für die die es nachlesen wollen: http://hawk.fisica.uminho.pt/ccqs/CCQS-presentations/Garcia_Evora2012.pdf
Cool, hier lernt man ja noch was. Das ist aber schon schwere Kost... Bei ein paar Kurven sieht man tatsächlich dass R(T) abnimmt. Aber hier geht es auch jeweils um dünne Schichten und nicht um Bleistiftminen.
Was Du schön beschrieben hast (hätte ich auch nicht besser gekonnt ;-) ) ist das was passiert, wenn Halbleiter eigenleitend sind (das ist bei niedrigen Dotierungen der Fall).
Durch Dotieren ensteht der Mechanismus der Störstellenleitung. Die Niveaus sitzen nahe den Bandkanten und sind bei Raumtemperatur vollständig ionisiert. Wird die Temperatur noch weiter erhöht, dann steigt die Streuung der Ladungsträger an den Gitterschwingungen und anderen Ladungsträger, wodurch wieder eine PTC-Charakteristik (steigender Widerstand bei stieigender Temperatur) entsteht, analog zur Leitung in Metallen.
So sollte es auch bei einem Halbleiter mit niedriger Bandlücke sein. Dass das bei Graphit anders ist, finde ich erstaunlich. ABer man lernt ja nie aus.
Bei einem Halbleiter mit geringem Gap sollte die thermische Anregung der Elektronen den größeren Effekt auf die Leitfähigkeit haben. Auch bei hochreinem Silicium ist das ja so: Mehr Temperatur bedeutet mehr Ladungsträger (nur daß die Leitfähigkeit sehr klein ist, wegen des doch ganz beachtlichen Gaps).
Wenn ich die verlinkte Quelle richtig verstanden habe, dann berühren bzw. überschneiden sich die Bänder beim Graphit ja nur an einzelnen Stellen der Brillouin-Zone, also für bestimmte k-Vektoren. Die meisten Elektronen sehen also sehr wohl ein Gap, das sie thermisch überwinden müssen wenn sie leiten wollen. Dazu paßt es, daß die spezifische Leitfähigkeit von Graphit ein bis zwei Größenordnungen unter der von Metallen liegt, aber weit über undotierten Halbleitermaterialien mit ΔE≫0 wie Silicium.
https://www.thoughtco.com/table-of-electrical-resistivity-conductivity-608499
Interessante Frage.
Wo hast Du die Information her, dass Graphit ein Halbleiter ist? Die Leitfähigkeit liget eher bei denen von Metallen. Ich habe auch noch nie ein Bänderschema gesehen und auch die temperaturabhängige Leitfähigkeit finde ich nicht.
Viele Grüße!
Edit: Ältere Arbeiten zeigen, dass das tatsächlich so ist:
http://aip.scitation.org/doi/pdf/10.1063/1.1707454
Allerdings passt das übliche Erklärungsmodell NTC-Widerstand <-> Eigenleitung von niedrig dotierten Halbleitern bei Graphit beim besten Willen nicht. Ist also komplizierter und noch nicht wirklich erforscht.
Da sich die Grenzbereiche der drei Gruppen überschneiden, ist der negative Temperaturkoeffizient des spezifischen Widerstandes ein weiteres wichtiges Merkmal von Halbleitern, das heißt, ihre Leitfähigkeit nimmt mit steigender Temperatur zu, sie sind sogenannte Heißleiter. (Wikipedia: Halbleiter)
Das ist dann so pauschal falsch?