Warum kommt man so schwer aus Scientology?

4 Antworten

Das Problem bei absolutistischen Sekten wie Scientology ist, dass sich nach einer gewissen Zeit als Scientologe Dein Umfeld komplett ändert. Familenbande und Freundeskreis werden gekappt und irgendwann kennst Du nur noch Scientologen. Wenn Du dann aussteigen willst, stehst Du ganz allein da. Und durch die Gehirnwäsche, die Du durch diese Sekte jahrelang erfahren hast, begleiten Dich nach einem Ausstieg darüber hinaus in der Regel schwere psychische Probleme.

Die einzigen, die Dir helfen können, sind Unternehmen und Initiativen, die unter Beobachtung der Gestapo von Scientology, der OSA stehen. Der Staat müsste viel mehr unternehmen, um Aussteigern zu helfen und restriktiver gegen Sekten wie Scientology vorgehen, viel mehr als Lippenbekenntnisse von Politikern gab es bis dato nicht.

Ja, man kann einfach seine Sachen packen und gehen. So hatte ich es nach 20 Jahren in der Sea Org getan, ohne dass dies irgendwelche negativen Folgen mit sich brachte. Andere Scientologen, die nicht Mitarbeiter oder Sea-Org-Mitglied sind, haben es noch leichter: sie brauchen einfach nicht mehr hinzugehen.

Inwiefern es zu Problemen beim Ausstieg kommen kann, habe ich an anderer Stelle auf dieser Plattform schon mehrfach beschrieben. Dies hängt unter anderem damit zusammen, welchen Wirbel man um seinen Ausstieg macht. Für weitere Details, siehe https://www.gutefrage.net/frage/wie-verlaesst-man-scientology#answer-322897717

Eine Ausnahme bilden Sea-Org-Mitglieder der Int Base in Kalifornien sowie der Freewinds (Scientology-Schiff in der Karibik). Sie haben es mit dem Ausstieg oder besser gesagt einer Flucht, deutlich schwerer, aber deren Stories repräsentieren nicht den Ausstieg eines scientologischen Normalverbrauchers.

GF-User Birgitmarion hatte hier mit einem Link zur Story von Jeanette Schweizer verwiesen. Aus meiner Sicht war ihr vorrangiger Fehler, sich mit WISE (World Institute of Scientology Enterprises) einzulassen. Selbst ich, als ehemaliger Hardcore-Scientologe, hätte um WISE einen großen Bogen gemacht. Dort sind finanzielle Probleme, Überschuldung, himmelschreiende Ungerechtigkeiten und Druck auf den Einzelnen WEITAUS mehr an der Tagesordnung als wenn man einfach nur passives, sporadisch für Kurse und Auditing zahlendes Mitglied der Scientology-Kirche ist. Mit ihrem Weg zum Anwalt, sowie ihren öffentlichen Auftritten gegen Scientology brachte Jeanette Schweizer sich zwangsläufig ins Visier von OSA (Public-Relation- und Rechtsabteilung der Scientology) und deren Fair-Game-Richtlinien. Ihr Werdegang in Scientology ist zwar bedauerlich und leider keineswegs ein Einzelfall, aber eben auch nicht der „typische“ Werdegang und Scientology-Ausstieg eines scientologischen Normalverbrauchers.

Den meisten Ausstiegswilligen ist es sicherlich peinlich, weil sie sich damit eingestehen, dass sie nun also erwiesenermaßen einen erheblichen Teil ihres Lebens in den Sand gesetzt haben. Auch Geld. Viele sind dann einsam und pleite. Auch ihre alten Freunde haben sie ja alle verloren.