Warum keine Wunddesinfektion im Sanitätsdienst?
Warum nutzt man im Rettungsdienst keine Wunddesinfektion und warum wird das auch bei EH Kursen oder dem Schulsanitätsdienst o.ä. nicht beigebracht.
In der häuslichen EH kommt das ja recht oft zum Einsatz. Warum aber nicht bei professioneller Hilfe?
Weil die davon ausgehen, dass das jeder Depp schon selbst kann
Warum beantwortest du meine frage durch eine Nachfrage?
Aber nein, das ist es definitiv nicht...
6 Antworten
Hi,
im Grunde genommen muss man eine Fallunterscheidung zwischen Rettungs-/Sanitätsdienst einerseits, und der "normalen" Ersten Hilfe andererseits machen.
warum wird das auch bei EH Kursen oder dem Schulsanitätsdienst o.ä. nicht beigebracht.
[...]
In der häuslichen EH kommt das ja recht oft zum Einsatz.
Aus der rechtlichen Sicht ist es relativ simpel: auch handelsübliche Wundantiseptika sind Arzneimittel und sind für Ersthelfer damit genauso zu bewerten wie die selbstständige Gabe von Medikamenten - einfach tabu.
Auch auf Wunddesinfektionsmittel kann man durchaus allergisch reagieren, auch bei der Desinfektion kann man durch nicht sachgerechtes Arbeiten einiges kaputt machen.
Ja, wie viele andere Sachen wird auch die Wunddesinfektion im Haushalt gerne angewendet - dass es in den wenigsten Fällen sachgerecht, sinnvoll oder notwendig ist, steht letztendlich auf einem anderen Blatt.
Als Faustregel taugt: wenn eine Wunde tatsächlich desinfiziert werden muss, ist meist ohnehin eine chirurgische Versorgung notwendig.
Ansonsten bei grober Verschmutzung (!) mit klarem Wasser abspülen, steril verbinden.
Was man selbst zuhause macht, bleibt jedem selbst überlassen.
Warum nutzt man im Rettungsdienst keine Wunddesinfektion
Zum einen: die abschließende Wundversorgung ist keine Kernaufgabe des Rettungsdienstes - und auch hier greift die Faustregel "wenn eine Wunde tatsächlich desinfiziert werden muss, ist meist ohnehin eine chirurgische Versorgung notwendig".
Die Wunddesinfektion im Rettungsdienst bringt dem Patienten einfach selten einen Benefit, wenn sie indikationsgerecht erfolgt.
Zudem wird, wie Rollerfreake erwähnt hat, diese Maßnahme schlicht nicht ausgebildet und dementsprechend auch nicht in den Maßnahmenkatalog des Rettungsfachpersonals aufgenommen; die entsprechenden Mittel sind meist nicht vorhanden. Ausnahmen - wie bei iwaniwanowitsch - mag es geben, diese sind allerdings in der Fläche ziemlich selten.
Die Wunddesinfektion "vor Ort" ist eben schlicht und ergreifend keine lebensrettende Maßnahme.
Fazit
Eine Wunddesinfektion macht einfach in wenig Fällen Sinn - und eigentlich in keinem der Fälle, wo man auf eine weitergehende Behandlung verzichten kann.
Es wird nicht ausgebildet, weil kein Bedarf dafür besteht und schlichtweg die rechtlichen Rahmenbedingungen dies nicht hergeben.
Wenn eine Wunde professionell desinfiziert werden muss, braucht man in aller Regel auch eine weitergehende chirurgische Versorgung - ansonsten grobe Verschmutzungen mit klarem Wasser abspülen, steril verbinden, fertig.
LG
Wie passt das zusammen?
Letztendlich müssen wir hier auch zwei unterschiedliche Gesichtspunkte betrachten.
Die medizinische Notwendigkeit gibt es nicht unbedingt her - oder, mit gesundem Menschenverstand betrachtet: die oberflächliche Schürfwunde heilt auch von allein.
Rollerfreake spielt jedoch auf die Haftungsfrage bei professionellen Helfern an - wird man am Patienten tätig, muss eine Anschlussversorgung sichergestellt werden.
Das ist dann beispielsweise die Empfehlung an den Patienten, selbstständig einen Arzt aufzusuchen, wenn keine Klinikeinweisung notwendig ist. Ob er es tut, ist Sache des Patienten.
Das Vorgehen mit derartigen Empfehlungen ergibt sich z.T. schon aus den Informationspflichten zum Behandlungsvertrag im Sinne des BGB, zum anderen aus entsprechenden Algorithmen und Standardarbeitsanweisungen.
Bei kleinen Verletzungen im Haushalt, ist es die eigene Entscheidung des Patienten, ein Wunddesinfektionsmittel anzuwenden oder nicht. Sobald allerdings eine dritte Person Wunddesinfektionsmittel anwendet, ist dies deren Verantwortung. Rechtlich betrachtet, ist die abschließende Wundversorgung eine ausschließlich ärztliche Aufgabe, die zwar per Delegation an geeignetes nichtärztliches Fachpersonal übertragen werden kann, jedoch MUSS vorher ein Arzt die Verletzung gesichtet haben und delegieren. Der Sanitätsdienst MUSS auch Patienten mit kleinsten Verletzungen einen Arztbesuch anraten und der Rettungsdienst ebenso, wobei letzterer wegen solcher Verletzungen natürlich erst gar nicht alarmiert werden sollte. Ist der Rettungsdienst aber ersteinmal vor Ort, muss auch das nichtärztliche Rettungsfachpersonal den Patienten einer geeigneten ärztlichen Weiterbehandlung zuführen oder zum Arztbesuch raten, da die abschließende Diagnosestellung und Therapieentscheidung rechtlich ausschließlich durch approbierte Ärzte erfolgen darf. Bei Notfallsanitätern, ist dies unter Juristen aktuell umstritten, schließlich haben diese die Ausbildungszielbestimmung, den Gesundheitszustand von Verletzten und Erkrankten zu beurteilen und über die Notwendigkeit einer ärztlichen Weiterbehandlung zu entscheiden (§4 Absatz 2 Nr.1 Buchstabe b Notfallsanitätergesetz- NotSanG). Jedoch ist wie erwähnt die abschließende Diagnosestellung und Therapieentscheidung eine rein ärztliche Aufgabe und es fehlt aktuell entsprechende Rechtsprechung der Gerichte hierzu. Rettungsassistenten und Rettungssanitäter, müssen jedoch auf jeden Fall auch bei kleinsten Verletzungen für eine Arztbehandlung sorgen, denn auch §3 Rettungsassistentengesetz (RettAssG) besagte: "bis zur Übernahme der Behandlung durch einen Arzt". Es steht also auch einem Rettungsassistenten nicht zu zu entscheiden: "Sie brauchen keinen Arzt" und dann, steht es einem Rettungssanitäter, Rettungshelfer oder gar Sanitätshelfer sowie dem Laien- Ersthelfer erst recht nicht zu. Man muss die Patienten demnach rechtlich einem Arzt zuführen oder dieses zumindest dem Patienten IMMER anraten.
Streng juristisch betrachtet, stellt die Wunddesinfektion auch KEINE eigenverantwortliche Maßnahme eines Notfallsanitäters dar. In §2a Notfallsanitätergesetz ("eigenverantwortliche Ausübung heilkundlicher Tätigkeiten durch Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter"), steht: Bis zum Eintreffen des Notarztes oder bis zum Beginn einer weiteren ärztlichen, auch teleärztlichen Versorgung, dürfen Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter heilkundliche Maßnahmen, einschließlich heilkundlicher Maßnahmen invasiver Art dann eigenverantwortlich durchführen, wenn
1.) Sie diese Maßnahmen in ihrer Ausbildung erlernt haben und beherrschen und
2.) Die Maßnahmen jeweils erforderlich sind, um Lebensgefahr oder wesentliche Folgeschäden von der Patientin oder dem Patienten abzuwenden.
Bedeutet, auch Notfallsanitäter*innen müssen für eine Arztbehandlung sorgen, sobald sie heilkundliche Maßnahmen durchgeführt haben, denn im Gesetzestext steht nunmal "bis zum Eintreffen des Notarztes oder bis zum Beginn einer weiteren ärztlichen Versorgung". Desweiteren, muss die Maßnahme während der Ausbildung erlernt worden sein und beherrscht werden. Eine Wunddesinfektion, gehört hier offiziell nicht dazu, da diese im "Pyramidenprozess" niergendswo zu finden ist. Nun, muss die Maßnahme auch noch erforderlich sein, um Lebensgefahr oder wesentliche Folgeschäden abzuwenden. Auch diese Handlungsvoraussetzung, ist bei einer Wunddesinfektion regelhaft nicht erfüllt. Bliebe also nur noch ein "Algorithmus Wunddesinfektion" durch den zuständigen ärztlichen Leiter Rettungsdienst (ÄLRD) gemäß §4 Absatz 2 Nummer 2 Buchstabe c NotSanG. Ich persönlich kenne allerdings keinen Rettungsdienstbereich, in dem ein solcher Algorithmus existiert.
Mfg
Weil die endgültige Wundversorgung in der Klinik passiert.
Und wenn da (Beispiel) Desinfektion aufgetragen wurde, kann das nicht mehr genäht werden (Beispiel).
Deswegen wird auch im Sanka nur abgedeckt und die Blutung gestoppt. Desinfektion und endgültige Wundversorgung macht immer ein Arzt!
Und wenn das eine Verletzung ist, wo kein Arztbesuch oder KH Aufenthalt nötig ist?
Der Sanitöter klatscht dir dann einen Verband oder Pflaster drauf und empfiehlt einen Besuch beim Hausarzt zur Wundkontrolle.
Im EH-Kurs wurde uns gesagt, dass eine Desinfektion immer vom Arzt gemacht werden sollte... weil da eben auch viel falsch gemacht wird.
Dann kann der Verwundete gerne auf eigenes Risiko und eigenverantwortlich die Wundversorgung selbst vornehmen.
Beurteilung und Behandlung findet entweder durch den Arzt bzw auf dessen Weisung statt, oder durch den Verwundeten selbst, sofern dieser dazu in der Lage ist. Niemals durch ärztliches Hilfspersonal auf eigene Verantwortung.
Schickst du wirklich Leute mit einer Platzwunde oder Schürfwunde zum Hausarzt? Scheint mir ein wenig übertrieben...
Scheint mir ein wenig übertrieben...
ist es nicht. ne Platzwunde wird genäht werden müssen
bei ner Schürfwunde sind Fremdkörper in der Wunde die raus müssen.
Beides gehört in ärztliche Behandlung
Also ich habe Wunddesinfektion auf dem RTW. Wie immer also: regional unterschiedlich.
Vermutlich verzichten andere ärztliche Leiter darauf, weil die endgültige Wundversorgung chirurgische Kompetenz ist.
Naja, was in der privaten Laienhilfe zur Anwendung kommt, unterliegt VÖLLIG anderen rechtlichen Vorraussetzungen, als die Maßnahmen der professionellen Hilfe.
Also ich habe Wunddesinfektion auf dem RTW. Wie immer also: regional unterschiedlich.
Richtig, unsere RTW führen keine Wunddesinfektion.
weil man als Ehrenamtlicher keine Medikamente geben darf. Dazu gehört auch die Wunddesinfektion. die Person könnte allergisch darauf reagieren. Ihr habt die Wunde zu versorgen, ggf. Verbinden, Abdecken, für alles weitere sind die Hauptamtlichen zuständig.
im Prinzip darfst du nicht mal eine Salbe für Insektenstiche herausgeben.
Ehrenamt oder Hauptamt hat damit rein gar nichts zu tun. Ein ehrenamtlicher RS,RA,NFS hat die gleichen Kompetenzen wie ein hauptamtlicher.
So weit so klar.
Aber warum macht das dann auch keiner mit entsprechender Ausbildung, dass er Medikamente geben darf? Oder wird das im Rettungsdienst doch gemacht?
was glaubst warum bei bestimmten Einsätzen ein Notarzt hinzu kommt
Ein Notfallsanitäter kann auch schon einige Medikamente geben.
Und beim Desinfektionsmittel sollte wahrscheinlich auch ein Rettungssanitäter dazu in der lage sein.
Bei einer Platzwunde kommt doch wohl kaum ein Notarzt mit.. Und solche kleineren Verletzungen sind es auch, auf die ich mich beziehe
Und solche kleineren Verletzungen sind es auch, auf die ich mich beziehe
Diese darfst du als Privatperson selbst "verarzten"
Ehrenamtliche werden dich zu einem Arztbesuch auffordern, der übernimmt die Wundversorgung.
Danke, das ist die Informationen, die ich gebraucht habe.
Aber eine Sache dazu noch: Rollerfreake meinte, dass man bei kleisten Verletzungen einen Arztbesuch empfehlen sollte. Jetzt meinst du aber, dass Wunddesinfektion bei kleineren Verletzungen gar nicht nötig sei, also auch keine ärztliche Behandlung.
Wie passt das zusammen? Sollte man wirklich bei jeder kleinen Verletzung den Arzt besuchen?