5 Antworten

Ich würde das mal im Kontext sehen: Andere Gesellschaften mit ähnlichen Sozialproblemen sind nicht weniger gewaltgeprägt.
Schau mal in die Staaten. Dort liegt der erhebliche Peak an Gewalttaten mit Waffen ja absolut nicht an der Verbreitung von Waffen in der Bevölkerung. Wäre das so hätten andere Länder, die eine noch höhere Dichte an Privatwaffen (also Waffen in Privathand) haben ähnliche Quoten an Gewalttaten. Man nehme mal die Schweiz, wo bei allgemeiner Wehrpflicht nahezu jeder aus dem Militär ausscheidende Mensch seine Waffe mit nach Hause nimmt, also eine Waffendichte von über 90% herscht. Wie viel liest man dort über Amokläufe mit Schußwaffen?

Gewalt liegt also nicht an der Verfügbarkeit geeigneter Werkzeuge sondern an sozialen Problemen, die sich dann entsprechend entladen - dann eben mit den azu verfügbaren Werkzeugen. Und da ist Russland - so wie viele andere osteuropäische Staaten - leider genau so betroffen, weil es sehr viel soziale Vereinsamung, wenig organisierte Aktivitäten und ebensowenig Durchlässigkeit in den sozialen Schichten gibt.

Da das auch in Europa immer mehr zum Problem wird eskaliert ja auch hier die Gewalt mehr und mehr. Menschen neigen eben dazu, bei sozialer Mißachtung irgendwann mit dem von außen Wahrgenommenen und Unterstellten gleichzuziehen.

Das Internet änder das nicht zum Positiven, weil gerade durch die immer mehr bestehende Vernetzung erstens sehr viel mehr von dieser sozialen Ungleichheit präsent wird (man sieht halt recht schnell und ungefiltert, dass es anderen sehr viel besser geht) und zweitens genau die, die vorrangig von Gewalteinflüssen gefährdet sind gar keien Zugang zu diesem Medium erhalten, weil sie sich schlicht derartige Zugänge und Zugriffsgeräte nicht leisten können oder sie eben nut mir erheblichem Aufwand überhaupt verfügbar sind (es gibt in der Pampa ja eher wenig Landlines und LTE-Mobilfunk etc. ist auch eher selten verfügbar). Damit erreicht dieses Medium die entsprechenden Menschen gar nicht so wie man es meint. Selbst Sozialstaaten wie Deutschland kennen ja immer noch kein allgemeines Recht auf einen Zugang zum Internet und hinken der technischen Entwicklung in sozialpolitischer Hinsicht etwa 20 Jahre hinterher.

In Russland basiert sich das Phänomen auf mehreren Ursachen:

  • Extrem großes und überall verbreitetes Alkoholsuchtproblem, egal ob es um Erwachsenen oder Jugendlichen geht
  • Seit Jahrhunderten leben sie von Generationen zu Generationen in einem Zustand, in dem es ihnen non-stop von der Regierung suggeriert wird, dass sie sich nur um sich selber kümmern soll, um andere Menschen nicht, um die Politik schon gar nicht
  • Die Menschen sind emotional sehr heruntergekommen, sie sind äusserst frustriert, weil das Leben dort schwer oder fast unmöglich ist, keine Ausbruchsmöglichkeit, oft keine Chance auf ein besseres Leben, aber sie müssen zusehen, wie der Kreml ununterbrochen das Geld vom Fenster schmeisst
  • Gesetzsicherheit und ein gerechtes System für die Opfer gibt es in Russland nicht, die Gerichte und die Polizisten sind extrem korrupt, sie handeln wir sie wollen, dadurch üben die Menschen lieber Selbstjustiz aus, was in den allermeisten Fällen gewalttätig ist.
  • Russland ist das korrupteste Land Europas, und die Korruption bedeckt auch im alltäglichen Leben alles und jeden.
  • Geschichtliche Sachen, die sicherlich auch eine Rolle spielen: mindestens 2/3 der gesamten Geschichte Russlands besteht ausschließlich aus Kriegen. Das Land konnte in seiner ganzen Geschichte nicht einmal 10 Jahre Demokratie hinkriegen, Russland war praktisch immer ein Diktatur. Russland trug schon in der Tsarenzeit den Spitznamen "Gefängnis der Völker", dann Kommunisten, und jetzt Putin. Die Bevölkerung war quasi ununterbrochen unterdrückt, schikaniert, für die Außenpolitik gnadenlos geopfert, in Angst gehalten. Jetzt ist fast das gleiche: du bist nicht auf der gleichen Linie wie der Kreml? Dann Fresse halten und Kopf beugen, oder Knast oder Front.

Kein Wunder, dass der durchschnittliche Mensch dort emotional kalt und gleichgültig ist und bei unangenehmen Situationen oft sofort mit Aggression reagiert. Dieses Phänomen gehört dort aber schon seit langem tatsächlich zum Alltag, deswegen haben viele damit kein Problem.


NinjaBat 
Fragesteller
 18.05.2024, 19:34

Das Problem ist: Den Menschen in Russland ist diese Gewalt über die Jahrhunderte in Fleisch und Blut übergegangen: sie kennen nichts anderes und deshalb stören auch die schrecklichsten Kriegsverbrechen die meisten Russen nicht.

Ich weiß nicht wie sich das je ändern soll. Russland ist zu groß um es zu besetzen und es zu zwangs-demokratisieren wie es mit Deutschland zum Glück gemacht wurde.

Die meisten Russen stört Rückständigkeit, Grausamkeit und Armut nicht und es stört sie nicht Sklaven zu sein, solange Russland in ihren Augen gefürchtet wird und "Weltmacht" ist.

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Koennte es sein dass - auch aufgrund der klimatischen Bedingungen - landesweit ein Alkoholproblem dominiert? Wuerde auch die Vergesslichkeit im Kreml bezueglich selbstunterschriebener Dokumente erklaeren...


vuntenre  18.05.2024, 16:50

Welche selbstunterschriebenen Dokumente?

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antiaes  18.05.2024, 16:52
@vuntenre

LAWROW: Budapester Memorandum - zudem Vereinbarung ueber freie Buendniswahl etc.

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antiaes  18.05.2024, 16:56
@vuntenre

UA gibt Atomwaffen ab und erhaelt Zusage ueber territoriale Unversehrtheit. Zudem kann jedes Land sein Buendnis selbst waehlen. Heute gilt das offensichtlich nichtmehr (warum=?)...

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Man könnte fast meinen, die mögen das. Aber ich halte es für ein soziales Problem. Der Großteil der Russen ist nunmal sozial verkümmert und abgehängt. In solchen Milleus ist Gewalt weit verbreitet. Dreiviertel von Russland sind ein solches Millieu, von daher wundert es kaum.

Aber auch hier gilt: Die Russen wollen das so. Es ist ihr Land, ihre Gesellschaft. Sie machen keine Anstalten daran etwas zu ändern, also scheint es ihnen zu gefallen. Sie scheinen ihr System sogar für so überlegen zu halten, das sie seit 02/22 aktiv mit dem Export ihrer Lebensweise begonnen haben. Verständlich, das dies Gegenwehr erzeugt, oder?


GenosseAndrej  18.05.2024, 17:08

Ich bin nicht so,

In der Sowjetunion war die Gesellschaft besser als in der Russischen Föderation, das liegt an dem Krieg und allgemein an Putins olligarchisch/Zaristische Politik

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