Warum gelten CDU/CSU vielen noch als konservativ?
Ich war seit ich politisch denken kann CDU-Anhänger. Inzwischen kann ich mich aber nicht einmal mehr minimal mit der Partei identifizieren. Sie hat aus meiner Sicht alle Unterscheidungsmerkmale aufgegeben, die sie von den genuin linken Parteien unterscheidet: Von restriktiver Migrationspolitik über den Ausstieg aus Kern- und Kohlekraft bis hin zur Abschaffung der Wehrpflicht, der Einführung der Frauenquote und der "Homo-Ehe" sowie dem Mindestlohn. Und das sind nur einige Beispiele.
Von den alten CDU-Positionen ist praktisch nichts übrig geblieben, inzwischen wirft man sich sogar schwänzenden Schülern von "Fridays for future" an den Hals und geht voll in der medial geschürten Klimahysterie auf. Das Einzige, was bei der CDU meiner Meinung noch als konservativ bezeichnet werden kann, ist ihre Ablehnung einer Rauschgift-Legalisierung. Aber auch diese wackelt im Bezug auf Cannabis und kann eigentlich nicht ausreichen, um eine Partei insgesamt als konservativ zu bezeichnen.
Trotz dieser Entwicklung werden CDU/CSU in der Öffentlichkeit häufig noch als konservative Parteien etikettiert. Warum ist das so? Rechnet man ihnen immer noch längst über Bord geworfene Inhalte zu und kann das sich über Jahre im Kopf verfestigte Bild nicht einfach so ändern? Oder welche Inhalte rechtfertigen aus Eurer Sicht heute noch die Bezeichnung der Union als konservativ?
27 Stimmen
13 Antworten
Siehe das Thema internet und Digitalisierung, da hängen sie noch in den 90ern
Zu den protestierenden Schülern: sie wären schön blöd die kommende Wählergeneration weiterhin zu ignorieren oder Witze über sie zu machen. Außer sie wollen mit ihren Wählern sterben
Zu den protestierenden Schülern: sie wären schön blöd die kommende Wählergeneration weiterhin zu ignorieren oder Witze über sie zu machen. Außer sie wollen mit ihren Wählern sterben
Es ist nie "blöd" an seinen Überzeugungen festzuhalten. Diese aus wahltaktischen Überlegungen zu ändern nennt sich Opportunismus und führt zu einem Verlust an Glaubwürdigkeit beim Wähler.
Bei der CDU/CSU bestimmt auch maßgeblich die Parteiführung den Kurs. Die Union ist ja erst die Union, weil sich dort etliche Gruppierungen etabliert haben. Die CDA ist beispielsweise schon immer für den Mindestlohn gewesen und fordert auch dessen Erhöhung. Ich denke du hast die Parteistruktur der CDU nicht ganz verstanden.
Wäre Adenauer noch am leben, hättest du eine sozial-konservative Politik gehabt. Adenauer hat de facto sozialdemokratische Politik mit einem nationalkonservativen Charakter betrieben. Das hat ihm 1957 die absolute Mehrheit eingebracht.
Das beobachten wir derzeit auch im Ausland. Das Erfolgsrezept der konservativen Hardliner sind kräftige Investitionen in den Sozialstaat und Umverteilung mit nationalem Gebrülle. Das war auch Johnsons Sieg in Großbritannien.
Und die gleichgeschlechtliche Ehe wäre so oder so gekommen. Ob nun die Kanzlerin die Abstimmung im Parlament zu einer Gewissensentscheidung macht, in der Erwartung, dass SPD, Grüne und Linke die Ehe für alle einführen oder am Ende das Bundesverfassungsgericht durchgegriffen hätte: Das Ergebnis wäre dasselbe.
Konservativ heißt nicht automatisch intolerant. Konservativ kann auch heißen die Ehe zu stärken, indem man sie für Homosexuelle öffnet oder Gottes Schöpfung zu bewahren, indem wir den Kohleausstieg beschließen. Es gibt nicht nur deine Definition von Konservatismus.
Trotz dieser Entwicklung werden CDU/CSU in der Öffentlichkeit häufig noch als konservative Parteien etikettiert. Warum ist das so?
Die Merkel-Ära ist so gut wie vorbei. Die gefürchtete Werteunion rund um Friedrich Merz und Hans Georg Maaßen steht schon in den Startlöchern. Die CDU hat sich in all ihren eher liberalen Jahren nicht ein Stück weit verändert. Ein Rechtsruck der Union Ende 2020 ist erwartbar und vorhersehbar. Es würde mich schon sehr überraschen, wenn die CDU ohne inhaltliche Kurskorrektur mit AKK in den Wahlkampf zieht.
Und ein Bundesverfassungsgericht, dass seinen Machtbereich offen in den Spielraum der Exekutive ausweitet und sich als Interessenvertreter linker Politik zu erkennen gibt, wäre ebenfalls ein wichtiges Warnsignal gewesen.
Ich verstehe nicht was eigentlich an der Homo-Ehe eine generell linke Forderung ist. Nicht nur das eine klare Mehrheit der Deutschen, damit auch bürgerliche diese befürwortet, nein ich kenne auch Leute die sich selbst als nationalliberal Einschätzen aber die Homo-Ehe befürworten.
Die Homo-Ehe ist in erster Linie eine liberale, wenn nicht sogar libertäre Forderung unter dem einfachen Motiv, dass es keinen wirklichen Grund gibt, dem in diesem Fall homosexuelle Individuum den Zugang zur gesetzlichen Ehe zu versperren. Ich kann übrigens auch nicht nachvollziehen wieso es für konservative Unmöglich sein sollte diesem Narrativ zu Folgen. Nicht alle konservativen Binden ihren Konservativismus an z.B. religiöse Vorstellungen.
Ich verstehe nicht was eigentlich an der Homo-Ehe eine generell linke Forderung ist. Nicht nur das eine klare Mehrheit der Deutschen, damit auch bürgerliche diese befürwortet, nein ich kenne auch Leute die sich selbst als nationalliberal Einschätzen aber die Homo-Ehe befürworten.
Du kannst sie von mir aus auch als liberale Forderung bezeichnen. Sie ist in jedem Fall kein Ausweis einer konservativen Grundhaltung. Und darum ging es.
Nicht alle konservativen Binden ihren Konservativismus an z.B. religiöse Vorstellungen.
Zu diesen Konservativen gehöre ich auch. Und trotzdem bin ich gegen die "Homo-Ehe". Jetzt wird es kompliziert, oder? ;)
Naja, Schestko meint es sei grundsätzlich eine konservative Idee: "Vorrang des Individuums vor dem Staat ". In dem Rahmen könnte man doch durchaus argumentieren: wieso sollte der Staat dem Homo als Individuum den Zugang zur Ehe verwehren. Dementsprechend wäre es wohl, seiner Ansicht nach Ausdruck einer solchen Grundhaltung. Du bist halt nur der Meinung die Deutungshoheit darüber zu haben, was eine konservative Grundhaltung überhaupt ist, also gar net so kompliziert. ;)
"Der Konservative steht immer an der Spitze des Fortschritts." Zitat Franz Josef Strauß.
Konservativismus bedeutet nicht, sich nicht von der Stelle zu bewegen. Konservativismus bedeutet Bewährtes bewahren. Die Atomkraftwerke haben sich beispielsweise nicht bewährt. Der Atommüll ist über Jahrhunderte hinweg giftig und muss gelagert werden. Bisher hat sich noch kein Endlager gefunden. Desweiteren tragen Atomkraftwerke immer ein gewisses Risiko mit sich, das seit dem Unfall von Fukushima niemand mehr verantworten möchte. Wer heute noch AKWs fördern will, der ist nicht konservativ, sondern der hat einfach den Schuss vor den Bug nicht gehört.
Was die Ehe für alle angeht, so hat das nicht die CDU selbst eingeführt, sondern der ganze Bundestag bestehend aus allen Parteien. Die Bundeskanzlerin gab grünes Licht für die Abstimmung, da diese von den Gerichten früher oder später sowieso erzwungen worden wäre. Die Kanzlerin selbst hat übrigens gegen die Ehe für alle gestimmt.
In Sachsen-Anhalt ist jetzt ein CDU Politiker aus der Partei getreten (worden), der ein mutmaßlicher Neonazi ist. Der muss jahrelang von Parteikollegen gedeckt worden sein. Generell ist die CDU im Osten auf dem rechten Auge relativ blind. Das Problem mit Rechtsextremismus in Sachsen wurde von der dortigen CDU Regierung lange Zeit heruntergespielt und verharmlost.
In der CDU wird über die Wiedereinführung der Wehrpflicht diskutiert bzw. über die Einführung eines verpflichtenden "Freiwilligen"-Jahres. Hineulich wurde von der CDU vorgeschlagen, an allen Schulen die Deutschlandflagge zu hissen.
Nein, ich würde nicht behaupten, dass die Union zu links/liberal wäre.
Der Atommüll ist über Jahrhunderte hinweg giftig und muss gelagert werden.
Und diese Erkenntnis ist über Nacht gekommen? An einem völlig überhasteten Ausstieg ist gar nichts konservativ.
Desweiteren tragen Atomkraftwerke immer ein gewisses Risiko mit sich, das seit dem Unfall von Fukushima niemand mehr verantworten möchte.
Fukushima ist eigentlich ein gutes Beispiel dafür, wie sicher Kernkraft ist. Bis heute gab es trotz des Mega-Erdbebens von 2011 inklusive Tsunami keinen einzigen Strahlentoten. Die Medien haben die Erdbebenopfer aber vielfach der Kernenergie zugerechnet - was extrem kaltschnäuzig ist.
Was die Ehe für alle angeht, so hat das nicht die CDU selbst eingeführt, sondern der ganze Bundestag bestehend aus allen Parteien.
Und die CDU hat durch die Aufhebung des Fraktionszwangs den Weg dafür frei gemacht.
Die Kanzlerin selbst hat übrigens gegen die Ehe für alle gestimmt.
Das war ein geschickter Schachzug, weil Merkel damit naive Konservative einsacken konnte, die glauben Merkel habe so etwas wie konservative Überzeugungen. In Wirklichkeit hat sie den Weg zur "Homo-Ehe" jedoch zuvor durch Aufheben des Fraktionszwangs wie gesagt selbst geebnet. Ihr Abstimmverhalten war also bloß ein strategisches Manöver dieser völlig überzeugungslosen Dame.
Hineulich wurde von der CDU vorgeschlagen, an allen Schulen die Deutschlandflagge zu hissen.
Ja, solche nie durchgesetzten Initiativen gibt es in der CDU zuhauf. Wenn es dann aber darauf ankommt, macht man linke Politik und entfernt etwa eine Deutschland-Fahne von der Bühne (siehe hier).
Wenn ich mich nicht irre werden sie sogar inzwischen von Infratest dimap als links der Mitte klassifiziert.
Quelle? So lange du die nicht liefern kannst gehe ich davon aus dass du dich irrst.
Wow das war so schwer zu googlen. Hat mir ganze 4 sekunden abverlangt
Es ist schön das du die Quelle gefunden hast. Das nächste Mal liefere sie doch gleich mit. Denn es ist so dass derjenige der etwas behauptet einen Beleg für seine Behauptung liefern muß, nicht derjenige der das liest. Weiterhin wird die CDU (für die CSU gilt das nicht!) in dem Artikel nicht von Infratest, sondern von den befragten Wählerinnen und Wählern so eingeordnet.
Also, die meisten der Entscheidungen, die du nennst, waren welche, wo die CDU/CSU sich größtenteils gegen gewehrt haben- sie wurden eben von den liberaleren Parteien, vor allem SPD und Grüne überstimmt. ZB die Ehe für alle.
Angela Merkel hat gesagt, sie wird dagegen stimmen, sie akzeptiert nur, das man mal schaut, ob man es durchbringen könnte. Die meisten CDU/CSU Mitglieder meinten dasselbe... Aber die beiden Parteien waren eben keine Mehrheit im Bundestag, wenn auch die Partei mit den meisten Stimmen... Und dann sind innerhalb der Partei natürlich auch welche, denen es egal ist, wer heiratet. Oder, sie sind selbst schwul oder lesbisch, und stimmen dann für ihre Liebe ab.
Vielleicht wirkt es manchmal auch so, weil es jetzt eine bekannte Vergleichspartei gibt, die sich deutlich konservativer und anti-liberaler zeigt. Die AfD ist schon nochmal ein ganzes Stückchen mehr konservativ, wie es die CDU/CSU ist. Dadurch wirkt die CDU/CSU liberaler, als sie ist. Weil wir eigentlich selten absolut urteilen, sondern nur im Verhältnis. In den USA sind auch manche am überlegen, ob manche der Republikaner vielleicht zu arg links sind, aber die Republikaner sind trotzdem teilweise so rechts wie die NPD. Für uns wäre es völlig absurd, da auch nur drüber nachzudenken, ob das links sein könnte. Für die nicht.
Also, die meisten der Entscheidungen, die du nennst, waren welche, wo die CDU/CSU sich größtenteils gegen gewehrt haben- sie wurden eben von den liberaleren Parteien, vor allem SPD und Grüne überstimmt. ZB die Ehe für alle.
Merkel hat den Fraktionszwang aufgehoben und die "Homo-Ehe" damit de facto ermöglicht. Sie hätte das nicht machen müssen. Alle anderen genannten Projekte wurden auf Betreiben der CDU-Führung beschlossen.
aber die Republikaner sind trotzdem teilweise so rechts wie die NPD.
Wie kommst Du darauf?
Weil manche der Meinungen direkt übereinstimmen. Es gibt Antisemiten, Rassisten, "Frauen sind nur Gebärmaschinen", Befürworter von Konzentrationslagern...
Die Union war natürlich schon immer ein Gemischtwaren-Laden. Aber die konservativen Waren sind inzwischen nicht mehr im Angebot. Darauf wollte ich hinaus.
Das Ergebnis vielleicht. Aber die Auswirkungen sind es nicht. So hat die Union einmal mehr ohne Not eine uralte Überzeugung über Bord geworfen. Und ein Bundesverfassungsgericht, dass seinen Machtbereich offen in den Spielraum der Exekutive ausweitet und sich als Interessenvertreter linker Politik zu erkennen gibt, wäre ebenfalls ein wichtiges Warnsignal gewesen.
Man kann Konservatismus natürlich unterschiedlich definieren. Aber was ich beobachte, ist, dass man linke Positionen übernimmt und diese anschließend mit etlichen argumentativen Verrenkungen als "konservativ" ausgibt.
Friedrich Merz ist nicht teil der Werte-Union.
Die Union kann ihren Linksschwenk überhaupt nicht mehr glaubwürdig rückgängig machen. Sie hat auch gar nicht das Führungspersonal dazu, weil alle Konservativen erfolgreich weggebissen worden sind.
Auch Friedrich Merz hat den linken Kurs der Union weitgehend mitgetragen und vom Spielfeldrand bloß die konkrete Umsetzung bestimmter Inhalte kritisiert - nicht jedoch die Inhalte an sich. Die verbliebenen Konservativen in der CDU überhöhen ihn deshalb auch völlig unbegründet zu einer konservativen Lichtgestalt. Die ist er nicht, er sieht sich viel mehr selbst als Liberalen.