Warum braucht man beim Diesel eine glühkerze?

11 Antworten

Salue

Du hast bereits perfekte Antworten erhalten. Trotzdem noch eine Bemerkung dazu.

Einfache Agrar- und Baumaschinen-Dieselmotoren haben teilweise keine Vorglüheinrichtung. Bei Temperaturen unter 0 Grad Celsius wird bei diesen Motoren die Temperatur zur Selbstentzündung des Treibstoffs nicht erreicht. Es muss entweder mit einem Bunsenbrenner der Zylinder vorgewärmt werden oder es wird ein Mittel in den Luftfilter eingegeben, welches die Selbstzündung erleichtert.

Der abgebildete Royal Enfild hat einen solchen Motor. Es handelt sich um einen Stationärmotor mit 435 ccm von Greaves-Cotton in Indien.

Der Motor muss mittels Kickstarter mit einem ultimativen Kick in Gang gebracht werden. Damit dies klappt, wird der vorher langsam etwa dreimal durchgedreht, damit er etwas Diesel im Brennraum hat und die Position der Kurbelwelle so gestellt, dass die schwere Schwungmasse mithilft, den Motor über den Totpunkt zu bringen.

Wird einen Hauch zu wenig gekickt, geht der Kolben hoch bis kurz vor den oberen Totpunkt. In diesem Moment wird bereits Diesel eingespritzt, der sich entzündet und den Kolben wieder zurückdrückt. Der Motor startet dann, allerdings raucht es aus dem Luftfilter.

Er läuft, aber retour. Er zieht die Luft in diesem Fall aus dem Auspuff und stösst die Abgase über den Luftfilter aus.

Es grüsst

Tellensohn

 

 - (Technik, Auto, Physik)

machhehniker  02.04.2017, 11:19

Hat der Kickstarter nicht einen Freilauf der bei einer Rückwärtszündung fest bliebe wodurch der nicht dauerhaft retour laufen könnte (abgesehen von etwaigen Beinschmerzen Desjenigen der den Kickstarter getreten hat)?

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Tellensohn  02.04.2017, 11:49
@machhehniker

Das Schöne ist, ein Diesel schlägt nie zurück.

Natürlich hat der Kickstarter einen Freilauf. Nur, wenn der Kolben fast auf dem oberen Totpunkt angelangt ist, nützt der nichts.

Der Motor läuft übrigens retour ohne jegliche "Nagelgeräusche". Die Einspritzung kommt ja zu spät. Hochgedreht kann er nicht werden, er läuft nur im Leerlauf. Der Grund liegt in der Zentrifugal-Einspritzbeginn-Regelung, die in diesem Fall nicht arbeitet.

Mit Absicht bringe ich das Retourlaufen übrigens nicht hin. Es ist immer ein Zufall, wenn ich genau um dieses Quentchen zu wenig auf den Kickstarter "gehopst" bin. Ich bin nur 68 kg, da muss ich mich auf den Auspufftopf stellen und dann, wie von einem Sprungbrett, mich mit den ganzen Gewicht auf den Kickstarter fallen lassen.

Allerdings, das Betriebsgeräusch dieses 1 Zylinder Diesels mit seiner Direkteinspritzung lässt jedem Zuhörer die Nackenhaare sträuben.

Da wird das Bollern einer Harley zum Flüstern.

Es grüsst Dich

Tellensohn

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machhehniker  03.04.2017, 19:26
@Tellensohn

Naja, wenn der in die falsche Richtung zündet und dies stark genug erfolgt dass der weiterläuft dürfte das schon ein Rückschlag sein.

Die Zentrifugal-Frühverstellung funktioniert schon, nur in die falsche Richtung auf noch später (bzw wird es auf Anschlag gehen sobald der Motor rückwärts dreht).

Ich will nun keineswegs bestreiten dass dies offenbar funktioniert, nur frage ich mich wie das dann mit dem Kickstarter geht. Wenn man den tritt gibt es eine kraftschlüssige Verbindung zur Kurbelwelle wodurch die mitgedreht wird. Der Freilauf lässt dann die Kurbelwelle weiterdrehen, der Kickstarter hat ja irgendwann einen Anschlag.

Umgekehrt aber, wenn der Motor entgegen seiner Drehrichtung läuft, müsste der Freilauf sperren und den Kickstarter antreiben. Daher müsste der Kickstarter hochschnellen sobald der Motor sich rückwärts in Bewegung setzt.

Allerdings ist mir eingefallen dass der Freilauf nicht ständig mitläuft, erst wenn man den Kickstarter Etwas drückt greift der ein. Also wird es wahrscheinlich so ablaufen dass Du mit dem letzten Tritt den Kolben in Richtung Zünd-OT anschubst, den Kickstarter zurückschnallen lässt, währenddessen die Schwungmasse den Kolben/Kurbelwelle noch bis kurz vor OT bewegt, die Zündung erfolgt und der rückwärts läuft nachdem der Kickstarter mit seinem Freilauf raus sind.

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Tellensohn  04.04.2017, 16:53
@machhehniker

Genau so, wie Du es beschreibst, ist es.

Die Einspritzung erfolgt im Retourbetrieb so spät, dass der Motor nicht mehr hochdrehen kann. Auffällig ist, dass er dann auch samtweich läuft, während er vorwärts extrem nagelt.

Bedingt ist dies ja auch, weil der "Gasdrehgriff" nichts mit der Einspritzmenge zu tun hat. Das Drehen am Griff regelt einzig die Abregel-Drehzahl dieses Diesels. Der Motor läuft immer auf Vollgas, bis er die Drehzahl erreicht hat, die der Fahrer am Drehgriff vorgibt.   

Mit purer Kraft lässt sich der Kickstarter nicht über den OT bringen, da muss die schwere Schwungmasse (Stationärmotor !) mithelfen. Zudem, erst wenn der Kickstarter praktisch unter die Fussraste gedrückt ist, liegt der OT an. Da hat die Kraft des Trittes bereits weniger Wucht und die Schwungmasse muss den OT überwinden (oder eben gerade knapp nicht).

Ist übrigens ein netter Showeffekt für die stets zahlreichen Zuschauer.

Übrigens, eine Diesel Royal Enfield beschleunigt nicht, sie nimmt gemächlich Fahrt auf !

Es grüsst

Tellensohn  

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Der Diesel muss eingespritzt werden weil der, wenn der bereits wie beim Benziner mit der Luft verdichtet würde, unkontrolliert während der Verdichtung zünden würde.

Eingespritzt wird dann kurz bevor der entsprechende Kolben im Zylinder ganz oben ist. Optimal ist die gesamte Dieselmenge genau dann verbrannt wenn der Kolben ganz oben steht. Da es etwas dauert, der Motor verschieden schnell dreht und die Einspritzmenge variiert wird dieser Zeitpunkt durch modernere Technik immer genauer festgelegt.

Eine Glühkerze braucht man eigentlich nicht, nur bei kaltem Motor oder kalten Temperaturen hilft die Wärme der Glühkerze um genügend Hitze für die Selbstzündung zu erzeugen damit der Motor anspringt. Jeder Dieselmotor der grundsätzlich lauffähig war, nur nicht angesprungen ist habe ich spätestens mit genügend Geschwindigkeit, auch ohne Vorglühen, anbekommen (zB durch Anschleppen). ZB ein MAN D28-Motor springt bei -20°C auch ohne Vorglühen an (hab ich selbst erlebt).

Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten, meist befindet sich in jedem Brennraum eine Glühkerze die zum Starten glüht und dann bis zum nächsten Kaltstart nicht benutzt wird. An modernen Dieseln glühen die in der Warmlaufphase noch nach um die Zündungen sicher zu stellen (bei Partikelfilter wäre es schlecht wenn unverbrannter/schlecht verbrannter Kraftstoff ansetzen würde).

Es gibt auch Vorglühanlagen die im Ansaugstutzen mittels Glühwendel die Ansaugluft verwärmen, da gibt es auch Flammstartanlagen die richtig brennen um die Ansaugluft vorzuwärmen.

Früher gern genommen wurde Startpilot, ein hochentzündliches Mittel. Ein kurzer Spritzer in den Luftfilter reichte aus um die Selbstzündung auszulösen.

Noch früher gab es Zündfix, so was Ähnliches wie ein überdimensionaler Streichholzkopf wurde da über einen ausschraubbaren Halter in den Brennraum geführt.

Zwischendrin auch Notbehelfe wie brennender Lappen in die Ansaugung, Feuer unter dem Motor oder Brenner an den Ansaugstutzen.


Kris2012  02.04.2017, 09:58



"Eingespritzt wird dann kurz bevor der entsprechende Kolben im Zylinder
ganz oben ist. Optimal ist die gesamte Dieselmenge genau dann verbrannt
wenn der Kolben ganz oben steht. Da es etwas dauert, der Motor
verschieden schnell dreht und die Einspritzmenge variiert wird dieser
Zeitpunkt durch modernere Technik immer genauer festgelegt."


Da würde ich dich gerne korrigieren, wenn du erlaubst :)

Der optimale Einspritzzeitpunkt ist dann, wenn die Hälfte der eingespritzen Dieselmenge ca. bei 8-10°KW nach dem oberen Totpunkt verbrannt ist, bzw. dann dort der höchste Druck im Brennraum herrscht (Stichwort: AI50; 50% Umsatzpunkt) Wenn dies der Fall ist, kann der Motor aus der eingespritzen Kraftstoffmenge das größte Drehmoment erzeugen = bester Wirkungsgrad. Würde man so früh einspritzen, dass bereits alles im oberen Totpunkt verbrannt ist, dann bezweifel ich, dass der Motor überhaupt vernüntig laufen würde (müsste man mal am Motorprüfstand ausprobieren mit einem Motor, den man nicht mehr braucht^^ aber glaub mir, die Geräusche die der Motor dabei machen würden, will keiner hören :D )

Schau dir dazu einfach mal bei Google ein paar Heizverläufe, bzw. Druckverläufe von Motoren an. Beim Ottomotor wird der Zündzeitpunkt, wenn möglich, genauso gewählt. Je nach Betriebspunkt muss natürlich auch mal vom optimalen Einspritzzeitpunkt, bzw, Zündzeitpunkt abgewichen werden.



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machhehniker  02.04.2017, 10:04
@Kris2012

Ja, stimmt schon. Wahrscheinlich würde der Motor stark klopfen wenn er überhaupt laufen würde.

Allerdings nehme ich an dass der Fragesteller schon so fast überfordert ist. Daher hab ich das abgespeckt hingeschrieben.

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Wenn er dann richtig läuft, findet sie auch statt, die Selbstzündung.
Die Glühkerze dient als Kaltstarthilfe, da hier noch nicht die zur Selbstzündung nötige Temperatur erreicht wird. Alternativ gab es auch Varianten, bei denen bei alten Dieselmotoren als Hilfe beim Anlassen eine Lunte oder auch sog. Glühpapier in den Brennraum eingeführt wurde.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Elektronik studiert, Abschluss als Dipl.-Ing.

die dient nur als kaltstarthilfe,ansonsten bräuchte er keine