Warum arbeiten in vielen handwerklichen Betrieben fast nur Ausländer?

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Für viele "Deutsche" - die sich häufig leider für "was Besseres" halten kommen solche Jobs nicht in Frage. Entweder wollen sie sich nicht schmutzig machen oder erscheint ihnen die Bezahlung (teilweise als Leiharbeiter) als zu lumpig (man ist ja wer oder denkt sich das zumindest) - die Wahrheit liegt irgendwo in der Mitte. Das betrifft ja bereits die Wahl der Lehrstellen - ins Büro wollen sie alle, ins Handwerk nicht.

Andererseits liegt ein Grund für das angestaubte und unattraktive Image des Handwerks auch an der Innung und den Betrieben. Ich kenne die Situation recht gut, denn unweit meiner früheren Arbeitsstelle befindet sich ein Fliesenfachgeschäft bzw. Fliesenlegermeisterbetrieb, mit dessen Inhaber ich mich in loser Folge unterhalten hatte. Er klagte mir schon vor Jahren immer wieder sein Leid, dass er keine Azubis findet und wenn doch jemand gefunden wird, dieser fachlich total untauglich ist und entweder gar nicht eingestellt wird mangels Qualifikation/Wille oder aber die Lehre abbricht. Laut ihm hinge es mit der körperlichen Arbeit zusammen "und weil alle nur noch in die Büros wollen", aber auch weil man mit dem Handwerk landauf landab archaische Arbeitsweisen, einen pöbelnden und aggressiven Umgangston, Dreck, Staub und die Entstehung körperlicher Gebrechen in Verbindung bringt. Das möchte sich keiner antun, auch wenn es im Handwerk nicht immer so zugeht bzw. das stark vom Betrieb abhängig ist. Das betrifft jedoch nicht nur den Fliesenlegerbereich, sondern generell das Handwerk, wenn man von den seit eh und je beliebten "Autoberufen" mal absieht. In denen es aber oft auch nicht besser ist wie etwa im Fliesenlegerbereich. Schuld an dererlei Ausrastern im Handwerk trägt aber oft der Alkohol. Gerade im Handwerk, etwa auf dem Bau, bei den Tünchnern oder in Autowerkstätten, wird mitunter noch heute während der Arbeitszeit auf übelste Weise gesoffen, sodass die Herren zusätzlich ausgeflippt sind ----> mir sind mindestens fünf alte (!) Handwerker bekannt, die in der Regel betrunken gearbeitet haben oder bei denen die Sauferei zumindest am Mittag so richtig losging und es normal war, dass sie schon voll waren bevor sie zuhause angekommen sind bzw. die Bierflasche neben der Werkbank gestanden hat oder ständig am Flachmann nicht nur genippt wurde. Das mag es auch noch heute geben, aber nicht mehr in dem Umfang wie in den 80ern/90ern. Und wir alle kennen denke ich die Auswirkungen von zu viel Alkohol. Niemand will sich auf der Arbeit beschimpfen und beleidigen und dissen lassen.. und gerade im Handwerk wird dann noch süffisant lächelnd der Spruch "Lehrjahre sind keine Herrenjahre" als Synonym dafür genommen, dass der "Stift" noch froh und dem "Patron" auf ewig dankbar dafür sein muss, dass er nicht komplett verprügelt wird auf der Arbeit. Viele Personaler und Firmen leben in einer Berufswelt, in der die 90er scheinbar nie aufgehört haben und der "Stift" ein unterbezahlter Larry ist, der i.welche fragwürdigen Jobs machen muss, die sonst keiner verrichten will, als Freiwild für Beleidigungen fungiert, nicht ernstgenommen wird und mit dem Spruch "na ja, Lehrjahre sind keine Herrenjahre und ich würde vor 45 Jahren von meinem Lehrherrn verprügelt, nun motz' mal nicht, du weißt gar nicht, wie gut es dir geht" bitter lächelnd abgefertigt wird, wenn er mal sagt, was er denkt. Leider ist das im Handwerk gar nicht so selten, und wenn dann noch irgendein 70-jähriges Handwerkskammer-Präsidiumsmitglied bei Pressekonferenzen auf unterirdischste Art den guten alten Zeiten hinterher weint, den Eindruck erweckt in seiner eigenen Vergangenheit zuhause zu sein und die heutige Jugend ins Lächerliche zieht, indem er sie als faul, dümmlich, lebensfern und verweichlicht bezeichnet, was hinterher sinngemäß in der Zeitung steht, macht so etwas das Handwerk noch unattraktiver.

Solange solche Leute für das Handwerk stehen und die Jugend belächeln statt sie zu fördern, wird sich auch nichts ändern. Kein junger Mensch geht freiwillig - wenn er es nicht aufgrund unzureichender Noten oder mangelnder Alternativen oder des Familienfriedens willen muss - in ein Berufsfeld, wo er sich vom ersten Tag nicht akzeptiert und subtil als dilettantischer Taugenichts deklariert fühlt. Und gerade im Handwerk ist der Tonfall etwa oft noch sehr rüde und der "Stift" wird wie Abfall behandelt, was dann noch mit "nun ja, Lehrjahre sind keine Herrenjahre" verniedlicht wird ------> das wollen die Jugendlichen halt nicht mit sich machen lassen, ich selbst wüsste auch nicht, ob ich das wollen würde, wäre ich davor mir eine Lehrstelle zu suchen. Sorry, aber ich (gelernter Industriekaufmann) kann die Kiddies verstehen.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung

isarflimmern  04.07.2024, 15:55

Das hat einer geschrieben, der selbst eine klar definierte Meinung vom Handwerk hat und das ist nicht die beste. Harter Umgangston? Oft geht es in handwerklichen Berufen gleich zur Sache. Wer schläft, kann verletzt werden oder schnell etwas zerstören. Du hast im Handwerk oft keine zweite Chance. Machst Du ein elektrisches Bauteil kaputt, oder schmeißt Du die Kreissäge vom Dach, geht es auf Kosten des Inhabers und fällt nicht, wie bei der Industrie unter Abschreibung. Dementsprechend ist der Ton oft eindringlicher. Auch weil die Gesellen das so mitbekommen haben. Der Traum von Jobs, wo man entspannt nach Hause kommt und die Arbeit eigentlich nur ein Zeitvertreib tagsüber ist, den haben einige die letzten Zeit leben dürfen. Aber Bürojobs werden in Zukunft von KI übernommen, Verwaltungsaufgaben automatisiert. Da wird sich der Arbeitnehmermarkt evtl. auch mal wieder ändern. Von dem abgesehen, dass wir jetzt nach den fetten Jahren, viele magere Jahre erleben werden. Die Anforderungen an die Lehrlinge sind u. a. auch deswegen hoch, weil die Vergütungen und die anhängenen Sozialkosten zu hoch sind. Deshalb bilden auch immer weniger Betriebe aus, was falsch ist. Falsch ist aber auch, dass ein Handwerksbetrieb genau so von den Sozialkosten betroffen ist, wie die Industrie, nur dass die auch Roboter zur Produktion einsetzt und Menschen nur deswegen beschäftigt, damit sie ein Druckmittel gegen die Politiker hat. Oder wer glaubt ernsthaft, dass man, um ein Auto zu bauen, noch einen Menschen braucht? Der Handwerker muss aber jede Minute seiner Leute bezahlen und da ist eben nicht viel mit Hans Guck in die Luft oder Smartphone-geglotze. Und übrigens. Handwerk kann ja jeder, geht einfach mit nem youtube Fiddejooo. "Ich müsste mir das nur reinziehen und dann könnte ich das genau so....." was eine super falsche Annahme ist. Wer die Fähigkeit hat, dem rate ich auf jeden Fall ein Handwerk zu lernen. Es ist immer noch eine gute Basis für das ganze Berufsleben. Und Lehrjahre sind wirklich keine Herrenjahre, außer in der Industrie. Jetzt ist nur fraglich, warum handwerklich ausgebildete Leute gerne in der Industrie eingestellt werden, umgekehrt dies aber so gut wie nie der Fall ist???????

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Hessen001 
Beitragsersteller
 24.06.2020, 19:25

Er hat ein neues Bild :)

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Weil bei Migranten in der Regel ein entsprechender Berufs- bzw. Bildungsabschluss fehlt und diese somit unterqualifiziert für "gehobenere" Arbeit sind. In seltenen Fällen werden gewisse Abschlüsse hier auch nicht anerkannt, aber das ist eher die Ausnahme. Dazu kommen noch mangelnde bis nicht vorhandene Deutschkenntnisse sowie Analphabetismus.

Es sind nunmal doch nicht allzu viele "Fachkräfte" darunter.

Allerdings gibt es hierzulande mittlerweile einen Mangel an Auszubilden in handwerklichen Berufen, da unser Abi halt ein Witz ist und jeder studiert. Die Jugend hat keinen Bock mehr auf Handwerk. Daher kann man diesen Mangel mit Zugewanderten sogar kompensieren.

50 % erhalten die Hochschulreife, Handwerker machen sich schmutzig, müssen früh anfangen zu arbeiten, müssen körperlich arbeiten, sind häufig nicht so hoch angesehen...

Früher hatte Handwerk 'goldenen Boden', aber heute wollen die meisten ins Büro, wo die Arbeit angenehmer ist oder eben studieren. Nur wenige entscheiden sich dafür, obwohl sie auch andere Möglichkeiten hätten. Die anderen haben diese Entscheidungsmöglichkeit nicht und nehmen, was sie zur Auswahl haben...

Tja, da hätte man das Früchtchen halt etwas toleranter, weltläufiger und weniger ausländerfeindlich erziehen sollen.

Wenn der wiederum einen Ausbildungsplatz sucht, woher weiß er da eigentlich, wie am Arbeitsplatz geredet wird? Aber wozu etwas wissen, wenn man auch Vorurteile pflegen kann. :-/


Hessen001 
Beitragsersteller
 23.06.2020, 22:09

Es gibt Probetage, da kann man eine zum Beispiel Woche lang in den Betrieb reinschauen.

Das hat auch überhaupt nichts mit ausländerfeindlich zu tun. Es geht uns doch wahrscheinlich allen so, dass wir uns unter Menschen wohler fühlen, die unsere Sprache sprechen.

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Offenbar sind sich viele Jugendliche in Deutschland für das Handwerk zu schade.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung