War die Gesellschaft früher irgendwie lockerer?

9 Antworten

Heutzutage wird alles als "cringe" empfunden.

Der Witz ist, dass die Gesellschaft wohl nie ,,cringer" und irrer, außer Kontrolle war als heute. Früher war vieles besser, normaler und wenn ich ,,früher" meine, meine ich die 90er und frühen 2000er. SOOOO weit muss man in der Zeit also gar nicht mal zurückgehen. Heute ist so ziemlich alles total out of control. Leider. Man kann nur hoffen, dass es in nicht allzu ferner Zukunft wieder bergauf geht.

Ich hab´ ab Mitte der 80er Jahre in Berlin gelebt und das war damals ziemlich cool.

Da gab es zwar reichlich schräge Menschen mit den z.T. schrillsten Lebensrealitäten, aber die und auch reichlich politische Aktivisten aus dem linken Bereich, die reichlichen Bundeswehrflüchtlinge und zahlreiche andere Zivilversager und tatsächliche- oder Möchtegern-Lebenskünstler die sich in der Stadt rumgetrieben haben waren eben im Gegensatz zu heute tatsächlich tolerant gegenüber Menschen mit anderen politischen Ansichten, anderen Lebensrealitäten und aus anderen sozialen Bereichen.

Ich hab mich damals auch reichlich in stramm linken Studentenkneipen rumgetrieben, ohne das es jemals ein Problem mit meiner damals schon eher konservativen politischen Ansicht gegeben hat.

Im Gegenteil...: man hat hochinteressante Menschen kennengelernt die zwar komplett gegenteilige Ansichten hatten, aber diese eben niemandem mit Gewalt aufdrücken wollten.

Der Spruch von " leben und leben lassen " hat da damals perfekt gepasst. Man war zwar anderer Ansicht, hat sich aber gegenseitig geduldet, akzeptiert und auch in Ruhe gelassen, konnte aber eben auch problemlos miteinander ein paar Bier und ein Grillhähnchen wegputzen ( den Namen der Kneipe an der Mauer hab ich leider vergessen...).

Davon ist schon lange nichts mehr übrig, überall regiert die verbiesterte linksgrüne Inquisition die mit Argusaugen darauf achtet, dass auch jaaa niemand mit angeblich falscher Meinung mit am Tisch sitzt, zu Wort kommt oder einfach nur in der gleichen Kneipe ein Bier trinkt.

Ein Wandel hat meist beide Seiten in sich. Das eine wird lockerer aber nicht besser, das andere wird strenger aber auch nicht besser - wenn es nicht dem Willen Gottes entspricht.-Jesaja 55:8

Ich finde, etwas Wichtiges ist verloren gegangen: Blödsinn zu machen. Dass es einen Bereich gibt, in dem Menschen auch Zerstreuung leben können, spielerisch mit Dingen umgehen können. Das muss nicht immer politisch perfekt korrekt sein. Es kommt natürlich immer auf den Rahmen und den Kontext an. So etwas hat eine reinigende Wirkung für die Gesellschaft, lässt Dinge verarbeiten. Träume sollte man ja im Einzelnen auch nicht (über)bewerten. Trotzdem haben sie eine verarbeitende, reinigende Wirkung für die Seele.

Ich rede nicht von extremem Gedankengut, sondern davon, dass undifferenziert alles in eine Schublade gesteckt wird. Das schafft Fronten, dünnt die Mitte aus und sorgt für Spannungen. Ich meine nicht unbedingt politisch, sondern allgmein, wenn Menschen das Gefühl haben, ständig überregelmentiert zu werden. Mit anderen Worten, wenn man manches etwas lockerer nehmen würde und fließendere Grenzen möglich wären, würde das die Fronten wieder aufweichen. Es wäre wieder mehr miteinander und mehr Diskurs möglich. Vieles reguliert sich nämlich von selbst. Es ist eben doch ein Unterschied, ob der Uropa immer noch ein "Zigeunerschnitzel" bestellt und er sich nichts weiter dabei denkt, weil das schon immer so hieß, oder ob jemand vor der Weltöffentlichkeit den "Wolfsgruß" macht. Über's eine kann man, evtl. augenrollend, hinwegesehen, über's andere sicher nicht. Wenn selbsternannte Ordnungshüter, die ihre eigene, vermeintlich unanfechtbare und teilweise einzige Existenzberechtigung daraus ziehen, missionarisch über's Ziel hinaus zu schießen, dann finde ich das nicht besonders gesund. Und wenn sie nichts finden, dann arbeiten sie mit Unterstellungen, die nicht zutreffen. Oder es wird etwas von ganz weit her an den Haaren herbeigezogen, so dass man sich fragt, ob sie wirklich nichts Besseres zu tun haben. Mit dieser Form der Radikalität erweist man nämlich der Gesellschaft einen Bärendienst.

Man sollte auch in der Comedy oder Satire (wieder) Dinge sagen können, die normalerweise nicht erlaubt sind, weil es eine reinigende Wirkung hat. Nicht nur, weil es damit auf die Schippe genommen wird. Wir tragen eben auch etwas in uns, wozu z.B. auch Schadenfreude gehört - bei mir ist die Hemmschwelle empathiebedingt eher sehr niedrig - die ja eigentlich nicht "pc" ist, aber die dann auch ihr Ventil braucht. Es musst ja nicht ausgelebt werden, aber wenn es solche Ventile gesamtgesellschaftlich gesehen nicht mehr gibt, dann staut sich zunehmend Druck auf. Es gibt verschiedene Arten des Witzes und Humors. Dazu gehört eben auch der Effekt, dass "Verbotenes" lustig sein kann. Den Sinn dafür hat leider nicht jeder. Es gibt auch sehr makaberen Humor. Ich kann den psychologischen Effekt nicht benennen, aber Menschen verarbeiten dadurch ganz diffus Dinge. Ohne dass das Makabere "in echt" wirklich lustig ist oder gar erwünscht wird. Wenn Koyote zum x. Mal in's Leere stürzt und anschließend noch vom Felsenbrocken erschlagen wird, ist das einfach superlustig - "in echt" wünscht man das natürlich niemandem. Wer nicht versteht, dass das eine nichts mit dem anderen zu tun hat... dem fehlt einfach der Sinn dafür, aber er braucht anderen nicht dasselbe zu unterstellen. Früher trafen solche Menschen mangels Medien nur nicht so aufeinander, folglich gab es auch kein Problem.

Ich hab mal gehört, dass intelligente Menschen eher zu schwarzem Humor neigen. Nicht, weil es ihrere Lebensrealität näher kommt, sondern weil es besonders weit entfernt sei. Oder so ähnlich. .............Ich hab jetzt mal das Netz befragt: Quelle

Lockerer Umgang statt ständig mit der Lupe nach etwas zu suchen würde viel Spannung rausnehmen und man sollte dort eingreifen, wo es wirklich angebracht ist.

In mancher Hinsicht ja, in mancher Hinsicht nein. Du hast einige Beispiele genannt, die dafür sprechen. Es gibt aber auch einige Dinge, die früher strenger waren, gerade was das Thema Ehe, Beziehung, Sex und Freizügigkeit angeht. Die Scheidung einer Ehe war für viele undenkbar, weil es vor allem für die Frau starke gesellschaftliche Ächtung gegeben hätte. Auch das Thema freizügige Kleidung beispielsweise. Bei Kleidung, die heute weit verbreitet ist, wie beispielsweise kurze Röcke oder bauchfreie Tops hätte es damals riesige Empörung gegeben. Und bestes Beispiel aus dem Entertainment ist Elvis Presley. Er wurde mehr oder weniger gezwungen, seinen Militärdienst anzutreten, weil man ihn wegen seiner anzüglichen Tanzeinlagen bei seinen Shows aus der Öffentlichkeit schaffen wollen. Wenn die Leute von damals sehen würden, was Musiker heutzutage auf der Bühne so machen würden sie im Grab rotieren.

Insgesamt würde ich eher sagen, dass die Gesellschaft lockerer geworden ist, da es mehr Akzeptanz für unterschiedliche Lebensstile, Sexualität, Kleidungsstile, usw. gibt. Auf der anderen Seite oder sogar als Folge davon gibt es eine strengere politische Korrektheit was Witze oder sprachliche Gepflogenheiten angeht. Im großen und ganzen würde ich aber sagen, dass der lockerere Anteil überwiegt. Es kommt aber auch etwas auf das direkte Umfeld an, in dem man sich bewegt. Auf dem Land im tiefsten Bayern geht es sicherlich anders zu als in einem Berliner Hipsterviertel.