War Deutschland im Mittelalter Brutal?

4 Antworten

Das brutale Mittelalter....

.... viel weniger brutal, als du ahnst!

Hallo, Luca! Schön, dass Du dich für das Mittelalter interessierst und eine spannende Frage stellst zur Sachkultur und dem Alltag im Mittelalter. Du möchtest wissen, ob nun im Mittelalter Mord häufiger vorgekommen war als heute, ob die Zeit besonders brutal war und wie Strafrecht vollzogen wurde.

Kurz zum Mittelalter

Das Mittelalter dauerte 1000 Jahre, vom "Untergang" Roms um ca. 500, über die Völkerwanderungen bis hin zu den Wikingern, Sachsen, Franken usw. Dann geht es über die Ottonen, Karoliner zum klassischen Ritter auf seiner Burg und in seinem Ringpanzer und dem offenen Helm. Städtegründungswellen, Warmperioden, Bevölkerungswachstum - die Gotik begann ihren architektonischen Siegeszug und die Städte werden dann selbstständiger, es kommen und gehen unzählige Reformbewegungen innerhalb der Kirche, davor das große Schisma und die Hochzeit der Hanse bis hin zum Buchdruck und der Entdeckung Amerikas, etwa 1500.

Du siehst, das Mittelalter ist sehr, sehr unterschiedlich und ein Bauer um das Jahr 800 in Norddeutschland lebte sicher ganz anders, als sein Kollege um 1300 bei Nürnberg.

Recht ändert sich

Zu Anfang galt oft noch das germanische Stammesrecht, welches sich bis in das Spätmittelalter gehalten hatte, aber seit dem Hochmittelalter durch neue Rechtsnormen abgelöst wurde. So musste ein Freier um das Jahr 800 noch Sühnegeld bezahlen, wenn dieser einen im Streit erschlug. Die Summe war abhängig vom Geschlecht und Stand des Getöteten. Es durfte Blutrache genommen werden oder der Täter wurde hingerichtet oder ausgestoßen. Einer von diesen war Erik der Rote, welcher Grönland besiedelte.

Später galt dann das Recht, welches sich z.B. mit dem Sachsenspiegel verbreitete. Dies war schon sehr ausführlich und beschrieb genau alle möglichen Rechtsprobleme des Lebens: Erbschaftsrecht, Handelsrecht, Vertragsrecht, Lehenswesen, Diebstahl und auch Mord und Totschlag.

Ja, bereits da wurde zwischen Mord und Totschlag unterschieden:

Bild zum Beitrag

Der Sachsenspiegel (1225)! Auf dieser Buchseite wird der Unterschied zwischen Mord und Totschlag erörtert!

Recht unterschied sich also sehr, je nach Zeit, Ort, ob in einer selbstverwalteten Stadt oder auf dem Land, auf Kirchengütern oder Lehen.

Menschen sind soziale Wesen - sie leben in geordneten Gemeinschaften

Die Menschen des Mittelalters unterschieden sich nicht allzusehr von uns. Natürlich haben sie eine tiefe Religiösität gehabt, welche den Alltag und das Leben der Menschen ganz durchdrungen hat. Sie dachten in vielen Dingen anders, als wir heute und dennoch bleiben grundlegende Dinge gleich, z.B. das Bedürfnis in einer sicheren und geordneten Welt zu leben. Dies war ganz besonders im Mittelalter so. Jeder stand irgendjemanden in der Pflicht und war diesem Gehorsam schuldig - hatte aber gleichzeitig Recht auf Schutz, Fürsprache, Rechtsprechung usw. Ob vom Leibeigenen bis zum Ritter - sie alle standen direkt miteinander in Verbindung.

Die sozialen Gemeinschaften waren klein. Die größten Städte des Mittelalters hatten Einwohner um die zehn- bis fünfzehntausend Menschen. Das ist nicht viel, da kennt jeder jeden und die soziale Kontrolle in den Städten und Dörfern war sehr hoch. Man kannte sich, man lebte miteinander und da waren Regelbrüche nicht üblich.

Wurde viel hingerichtet?

Nein. Tatsächlich gab es sehr wenige Hinrichtungen in Friedenszeiten und für das Hoch- und Spätmittelalter kann man das auch ganz genau sagen, weil in den Stadtarchiven Rechnungen erhalten geblieben sind. Buchführung, in denen genau die Posten für Henker etc. aufgeführt waren.

Ein Henker bekam ein Grundgehalt und freies Wohnen, und für jede Tätigkeit gab es eine exakte Austellung der Kosten: so wie heute jede Tätigkeit und jedes Teil bei einer Dienstleistung aufgeführt wurde, so war es auch damals. Hinrichtungen gab es sogar in den großen Städten selten, vielleicht zwei, drei im Jahr. Mancherorts vielleicht mehr, woanders aber auch weniger.

Man weiß von einem Scharfrichter, dass er während 40 Berufsjahren etwa 120 Todesurteile vollstreckt hat.

Als Heinrich der VIII. seine Frau Anne Boylin hinrichten lassen wollte, musste ein Scharfrichter eigens aus der Schweiz eingeladen werden, weil es in England keinen geeigneten gab.

Bewaffnete Gesellschaft

Die Gesellschaft im Mittelalter war durchgehend bewaffnet! Nicht nur Ritter trugen ihre Waffen bei sich, auch Händler, Handwerker trugen Dolche, sogar Bauern waren bewaffnet. Natürlich ist es naheliegend, dass Schlägereien in einer bewaffneten Gesellschaft öfter in Messerstecherein ausarteten. Grundsätzlich aber war das MA eine eher sichere Gesellschaft.

110 Polizei

Im Mittelalter gab es keine Polizei und auch keine "Stadtwache", patrollierende Soldaten um die Sicherheit zu gewähren. Sicherheit in den Städten war Aufgabe der Bürger und die Zünfte mussten / durften Personen aus ihrer Zunft abordnen zum Dienst auf der Mauer, am Tor. Nachtwächter mit Lampe usw. gab es nicht, die kamen erst später und entwickelten sich aus den Zunftabordnungen.

Auf privaten Grund hatte der Herr dort für Recht und Ordnung zu sorgen. Beispielsweise war der Wirt zuständig, dass in seiner Taverne alles mit rechten Dingen zuging. Er musste in Konflikten eingreifen und verhindern, dass Verbrechen geschahen. Dazu hatte er seine Knechte. Gelang es ihm nicht, konnte es passieren, dass der Wirt von einem Geschädigten verklagt wurde.

Auf dem Land hatte der Herr das Recht, Recht zu sprechen und die Pflicht den Frieden nach innen zu wahren. Er musste Wege, Straßen und Brücken passierbar und sicher halten, durfte dafür aber Wegezoll verlangen (von Händlern, nicht von jedem).

Die Todesstrafen

Ja, einige Todesstrafen waren wirklich Horror, manchmal. Glücklicherweise wurden sie nur sehr selten verhängt, die meisten wurden vermutlich gehängt.

Fazit:
Das Mittelalter war nicht brutal, der Alltag geregelt und da man in kleinen Gemeinschaften lebte, war die soziale Kontrolle hoch, die Verbrechen niedrig. Eher niedrige Hinrichtungszahlen in den Städten zeigen ein insgesamt friedliches Bild einer funktionierenden Zivilisation.

 - (Krieg, Mittelalter)

Wie in allen Ländern: Ja, im Mittelalter gab es mehr Gewalt. Ein Rechtsstaat bestand nur in Ansätzen. Faustrecht und Selbstjustiz spielten noch eine große Rolle. Morde waren aber nicht Alltag. Gefoltert wurde offiziell nicht als Strafe, sondern um Geständnisse zu erzwingen. Allerdings waren auch einige Strafen folterähnlich.


Die Sicherheit im Mittelalter war im Vergleich zur heutigen Zeit deutlich geringer. Diebe oder Räuber hatten tatsächlich die Möglichkeit, das Leben eines Menschen oder einer Familie zu zerstören. Menschen waren oft auf sich selbst gestellt, um die Sicherheit der eigenen Familie zu gewährleisten.


Eisenwind  06.06.2023, 22:20

Das ist alles vollkommen falsch.

Die Leute waren nicht auf sich selbst gestellt, sondern lebten in gegenseitigen Abhängigkeiten und Beziehungen, die deutlich stabiler waren als heute.

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