Romantik schon im 19. Jahrhundert: die Burg.
Hallo, schön dass du dich für das Mittelalter interessierst und eine Fantasiegeschichte schreiben möchtest. Vermutlich bist du aber einigen falschen Vorstellungen aufgesessen.
Zuerst:
Eine Burg ist mehr als ein militärischer Zweckbau! Eine Burg zeichnet sich im Gegensatz zu einer Festung dadurch aus, dass es der Wohnsitz eines niederen Adligen (oder unfreier Minesteralen, welche sich später zu den Rittern entwickelten) ist. Eine Burg ist mehr noch Wohnsitz, Repräsentationsbau und Herrschaftsanspruchsbau. Der Burgfried war nie die letzte Zuflucht im Falle einer Eroberung!
Sie waren nicht zugig, ungemütlich, es gab natürlich Fenster, Kamine, Austritte, Wasserversorgung.
In Wirklichkeit wurden Burgen nur sehr selten belagert! Denn der Aufwand ist sehr hoch und ein Erfolg nicht garantiert. Ebenso selten wurden Burgen tatsächlich erobert, zumindest im Mittelalter. Die meisten Burgen wechselten durch Erbschaft, Verhandlungen oder Tauschgeschäfte ihre Besitzer. Die meisten zerstörten Burgen wurden erobert, als Schwarzpulver längst Einzug in die Kriegsführung gehalten hatte, zuletzt einige in den napoleonischen Kriegen, beispielsweise Burg Stolpe in Sachsen.
Eine Burg war nie großartig mit Kämpfern (ich vermeide den Begriff Ritter, Soldaten etc.) besetzt. Es dürften kaum mehr als ein Dutzend bewaffnete Männer auf der Burg gewesen sein, eher weniger. Es reichen ja auch wenige gegen sehr viele.
Die Wehrgänge waren im Gegensatz zur modernen Vorstellung stets überdacht und boten hervorragenden Schutz. Belagerungsmaschienen gab es, waren aber selten. Zum einen braucht es spezialisierte Fachkräfte und zum anderen war es teuer, sehr aufwändig und oft waren die Gegebenheiten für solche Geräte einfach nicht geeignet.
Um eine Burg zu belagern braucht es hunderte oder mehr Bewaffnete, da ja die Burg selbst und das Umland gesichert werden musste. Es braucht eine wirklich große Organisation und Infrastruktur um die Belagerer mit allen notwendigen Mitteln zu versorgen. Aus dem Umland kann man sich nicht lange bedienen, falls überhaupt etwas da ist. Es ist ein überaus kostspieliges Vorhaben und in einer Zeit, in der es noch keine stehenden Heere gab und Unfreie keine Waffendienste leisten mussten, kaum zu realisieren.
In der modernen Kriegsführung geht man davon aus, dass der Angreifer mindestens ein Kräfteverhältnis von 3 zu 1 aufbringen muss, wenn der Angriff erfolgreich sein muss. Im mittelalterlichen Falle einer Burgeroberung kannst du mal ganz geschmeidig von 10 zu 1 ausgehen. Denn bevor die Angreifer auch nur die Burgmauer erreichen, sind sie den tödlichen Abwehrkräften der Verteidiger vollkommen schutzlos ausgesetzt. Während diese wirklich bequem und recht sicher von oben die Angreifer mit Pfeilen erschießen können, bleiben diese für die Angreifer ewig lang nahezu unerreichbar.
Die Verteidiger können:
- Krähenfüße streuen, welche Pferd und Fußkämpfer schwerste Verletzungen zufügen. Diese können nur schlecht gesehen und noch schlechter beseitigt werden.
- Die Zugänge sperren. Durch das Abbrechen der Zubrücken (nicht Zugbrücken), Zerstören oder Versperren der Zugangswege,
- Infrastruktur abbauen durch das Abbrennen der Dörfer und notfalls der Felder, Viehabtransporte, usw.
- Weiter schießen und treffen als die Angreifer
- Geschützt kämpfen
- Weitere Verteidigungslinien schnell einrichten und bemannen
- Eine Belagerung lange aushalten
- Durch die überdachten Wehrgänge, wären auch Sturmleitern sinnlos
Sinnvoller ist es für den Angreifer zu Verhandeln und auf eine freiwillige Übergabe mit verbundenen Zugeständnissen hinarbeiten, was häufiger vorkam als eine Eroberung. Denn für die Belagerten ist das ja auch kein toller Zustand, vor allem wenn der Angreifer im Stande ist eine Belagerung tatsächlich auf lange Zeit durchzustehen.
Also... die Realität ist schon sehr anders, als du dachtest, oder ?