Vorstellungsgespräch meistern als Autist?
Ich bin männlich/18 und wurde mit einer Autismus-Spektrum-Störung diagnostiziert. Mein Hauptproblem ist einzig und allein meine Sozialkompetenz. Ansonsten habe ich wirklich eine ganze Reihe von Stärken, die ich im Berufsleben anwenden könnte.
Es ist auch nicht so, als ob ich nicht im Team arbeiten könnte, wenn es drauf ankommt. Aber ich bin anscheinend den sozialen Anforderungen einen Vorstellungsgespräches nicht gewachsen. Ich versuche es immer wieder erneut, aber bekomme trotzdem nur Absagen. Genau für das Problem suche ich jetzt eine Lösung.
Ich habe jetzt nächste Woche ein Vorstellungsgespräch für ein Unternehmen und eine Stelle die mir wirklich sehr gefallen würde. Ich war bereits bei dem Eignungstest und hatte überall sehr gute Ergebnisse (Englisch, logisches Denken, Schlussfolgern, Mathematik etc.)
Jetzt habe ich sie anscheinend von meinen Fähigkeiten überzeugt und wollen mich nun "als Mensch" kennenlernen. Und genau jetzt wird es nicht mehr so lustig, weil ich keine persönliche Stärke bezüglich Interviews habe, bei der ich gegenüber anderen Bewerbern punkten kann. Und deswegen scheitere ich immer am Interview. Es ist sozusagen wie eine unüberwindbare Hürde für mich, die mir sämtliche berufliche Chancen verbaut. Deswegen möchte ich jetzt eine konkrete Strategie, diese trotzdem zu überwinden. Und zwar irgendwie.
Wahrscheinlich ist das Hauptproblem, dass ich zu bei Interviewern eine perönliche und zwischenmenschliche Sympathie haben muss. Das hat wieder was mit "Team-Match" und "Cultural Fit" zutun. Und ich habe wirklich schon alles probiert, um bei Interviews einen guten ersten Eindruck zu hinterlassen, aber es klappt einfach nicht. Ich muss also wissen, wie ich sympathisch bei Recruitern ankomme, damit sie bei mir das "Team-Match" sehen. Es muss also irgendein Weg geben, andere schaffen es ja auch mit Leichtigkeit.
Und dann kommt noch, wie ich auf bestimmte Situationen reagieren muss. Wie verhalte ich mich zum Beispiel, wenn mir kurz die Worte wegbleiben und ich für ein paar Sekunden garnicht weiß, was ich sagen möchte. Welche Körpersprache oder Gesichtshaltung muss ich wann zeigen? Gerade hier muss ich eine konkrete Strategie haben, sonst kann ich den Job dort gleich vergessen und jede andere Ausbildung gleich auch.
8 Antworten
Ich denke, die beste Basis wäre, wenn du direkt zu Beginn des Gesprächs offen damit umgehst, dass du auf dem Spektrum bist und dabei dann auch so präzise wie möglich benennst, wo somit deine größten Probleme in der sozialen Interaktion liegen. Zum Beispiel "Ich erkenne deshalb oft nicht sofort, wenn jemand etwas ironisch gemeint hat" oder "Es kann vorkommen, dass ich bei einer Frage einen Moment einfach nur schweigend da sitze, weil ich in Ruhe darüber nachdenken muss, wie ich die richtige Antwort am besten formuliere".
Wenn dir selbst noch nicht so ganz klar ist, in welchen Punkten und Momenten dein Verhalten von dem neurotypischer Menschen abweicht, dann frag am besten zur Vorbereitung mal die Menschen in deinem direkten Umfeld, die dich kennen und erleben! Die können dir da sicherlich Anhaltspunkte geben. Und genau diese erklärst du dann proaktiv und offensiv auch den Menschen im Interview.
Ja, es kann natürlich dennoch passieren, dass das in diesem Gespräch nicht gut ankommt und du den Job wieder mal nicht bekommst. ABER: wenn du halbwegs empathische, halbwegs positiv gesinnte Menschen dort sitzen hast, dann machst du es ihnen mit genau dieser Erklärung sehr viel leichter, dich und dein Verhalten in solchen Momenten richtig einzuordnen und eben nicht falsch als "unsympathisch" oder "unhöflich" einzuordnen. Die meisten Menschen sind durchaus offen und positiv und verständnisvoll - wenn man ihnen die Chance gibt, zu verstehen!
Unternehmen sind i.d.R. hauptsächlich an sachlich kompetenten Mitarbeitern interessiert, die Sozialkompetenz spielt, sofern sie nicht für den Umsatz relevant ist, eine eher untergeordnete Rolle.
An deiner Stelle würde ich deine Autismus-Spektrum-Störung direkt am Anfang des Gesprächs ansprechen. Nur wenn du damit offen umgehst, können deine Gesprächspartner - und zukünftig deine Kollegen - dein Verhalten einordnen und damit umgehen. HappyMe1984 hat das sehr schön beschrieben. Es geht darum, deinem Umfeld eine "Gebrauchsanweisung" für dich zu geben und sie darin zu unterstützen, dass sie dir eine "Gebrauchsanweisung" für sich geben. Das wird auch zukünftig im Kollegenkreis immer mal wieder notwendig sein, denn ansonsten interpretieren alle dein Verhalten falsch und es kommt zu diesen zwischenmenschlichen Verwicklungen.
Du kannst jetzt zwar verschiedene Situationen durchspielen und im Vorfeld versuchen, angemessene Reaktionen einzuüben, aber es wird dir nicht gelingen, alle Eventualitäten abzudecken. Und was nützt es dir, wenn du spätestens in der Probezeit wieder vor dem selben Problem stehst. Da sieht es dann so aus, als wolltest du denen etwas vormachen. Geh offen mit der Situation um, dann wissen alle, worauf sie sich einlassen.
Sei mutig - ich wünsche dir viel Erfolg!
Offenheit könnte Abhilfe schaffen, wenn du mitteilst, dass du im Autismus-Spektrum bist und wie sehr du diese Stelle haben möchtest und weswegen du diese Stelle unbedingt haben möchtest und welchen Mehrwert du mitbringen kannst. Teile den Menschen dort mit, dass du jedoch etwas Hilfe dabei benötigst, dich einzufinden und zurechtzufinden, und dass du das unbedingt dort lernen möchtest. Die Stelle ist offenbar für eine Ausbildung, dort bist du sowieso zum lernen. Und du lernst nicht nur die Praxis, sondern verbesserst parallel auch deine Sozialkompetenz. Hilf ihnen, dir zu helfen. Biete ihnen ein kurzes Praktikum an, oder einen Probetag, um zu unterstreichen, dass du (die Chance nutzen) willst.
Und dann kommt noch, wie ich auf bestimmte Situationen reagieren muss. Wie verhalte ich mich zum Beispiel, wenn mir kurz die Worte wegbleiben und ich für ein paar Sekunden garnicht weiß, was ich sagen möchte. Welche Körpersprache oder Gesichtshaltung muss ich wann zeigen?
Es ist schon ein Fortschritt im klaren darüber zu sein, dass du ein "Alibi" hast. Andere haben das vielleicht nicht und sehr ähnliche Schwierigkeiten, aber du kannst diese Gewissheit bringen und das erklärt, wenn irgendwas merkwürdig oder "speziell" wirkt.
Vielleicht teilst du denen mit, wie viele Vorstellungsgespräche wegen diesen Schwierigkeiten schon schief gelaufen sind, aber du willst nicht aufgeben, du möchtest diese Stelle wirklich haben.
Auch das kann (muss nicht) natürlich schief gehen, aber du hättest eine weitere Strategie versucht, die du abhaken kannst. Oder du bekommst für dich wertvolle Rückmeldungen, die dir bei anderen Unternehmen zugute kommen, denn die hören dich, die sehen dich, die nehmen dich wahr. Die könnten viel konkreter auf dein Erscheinungsbild und deinen Auftritt und deine Wirkung eingehen.
Offene Frage stellen. Vielleicht möchtest du am Ende des Vorstellungsgesprächs wissen, welchen ersten Eindruck sie von dir haben, oder ob sie deinen Auftritt gut fanden, und wann du mit einer Rückmeldung rechnen kannst, oder wie es jetzt genau weitergeht -> Diese Frage(n) stellen.
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Auch wenn du dich nicht dafür entscheiden solltest, etwas aus meinem Text zu versuchen: Teil mir gerne mit, wie es lief.
Habe ich bereits. Ich war gestern zur Vertragsunterzeichnung da.
Glückwunsch, es scheinen ein paar Sachen funktioniert zu haben.
TLDR: das geht schon. kannst ja im Notfall ja das Papier vom Arzt holen das du Autist bist. kann helfen
Du wolltest ja noch von mir wissen, wie es lief.
Hab jetzt eine Rückmeldung bekommen und war leider nicht erfolgreich.
Jedoch habe ich eine Zusage für einer andere Stelle bekommen.