Vor- und Nachteile Atomkraft?

5 Antworten

Vorteile: Atomkraft produziert weniger Treibhausgase als andere Energien und sie ist nicht vom Wetter und nicht von der Jahreszeit abhängig.

Nachteile: Die Energieträger sind nur begrenzt vorhanden. Es wird mit der Zeit immer aufwändiger, sie abzubauen. Die Gefahr besteht, dass Terroristen oder Atomkraftgegner an radioaktive Abfälle gelangen und damit einen Terrorakt verüben.

Die Sicherheit ist abhängig von der verwendeten Technologie und natürlich vom Standort. Tsunamigebiete sind eher ungeeignet. Aber grundsätzlich sind inhärent sichere Atomkraftwerke möglich. Während bei Kohlekraftwerken absolute Sicherheit ist, dass wir jährlich Tausende von Todesopfern durch Lungenerkrankungen haben, ist dies bei Atomkraftwerken viel weniger sicher.

Die Frage ist nicht sehr gut formuliert. Da muss man fragen Vor- und Nachteile verglichen womit?

Eine umfassende Antwort wäre wohl eher ein Ding für dicke Studien. Nicht für eine kurze Antwort bei "gutefrage".

Vorteil gegenüber fossilen Brennstoffen CO2-Fußabdruck: Deutlich geringerer CO2-Fußabdruck pro kWh.

Im Median 1/86 der Kohlekraft, 1/41 der Gaskraft, 2/7 der Photovoltaik on roof, etwa so viel wie Windkraft.

Das heißt für das Klima ist die Abschaltung eines Kernkraftwerks so wie die Inbetriebnahme von 86 Kohlekraftwerken.

https://de.wikipedia.org/wiki/CO2-Emissionen_der_Stromerzeugung_nach_Art_der_Erzeugung

Das IPCC hat in seinen letzten beiden Berichten die Kernenergie empfohlen. Kein Szenario des IPCC konnte die Erderwärmung unter 1,5°C beschränken ohne einen massiven weltweiten Ausbau der Kernenergie.

Vorteil gegenüber allen anderen Stromerzeugungsarten Todesrate pro kWh: Deutlich geringere kumulierte Todesrate pro kWh. Keine andere Stromerzeugungsart verursacht so wenige Todesfälle pro kWh, wobei vor allem im Vergleich der Kernenergie in den USA zur Kohlekraft ist der Unterschied gewaltig (etwa 1:1'000'000) aber selbst unter Einbeziehung aller schweren Unfälle ist die Kernenergie besser als selbst die Windkraft.

www.forbes.com/sites/jamesconca/2012/06/10/energys-deathprint-a-price-always-paid

https://www.youtube.com/watch?v=J3znG6_vla0

Durch die Abschaltung der deutschen Kernkraftwerke wurde die Abschaltung von Kohlekraftwerken verhindert welche die nötige Strommenge übernehmen müssen. Die daraus resultierenden Todesfälle durch Luftverschmutzung betragen etwa 1100 pro Jahr.

Vorteil gegenüber Erneuerbaren Energien ist der Landverbrauch: Ein Kernkraftwerk nimmt nur eine sehr kleine Fläche ein. Der Flächenverbrauch von Kernkraftwerken ist vernachlässigbar. Aufgrund der hohen Energiedichte von Uran, ist auch der Einfluss des Uranbergbaus auf die Umwelt deutlich kleiner als bei der Kohle.

Der Flächenverbrauch von Erneuerbaren Energien ist dagegen gewaltig. Wollte man bis 2050 ganz Deutschland zu 100% aus Kernenergie versorgen, würden gerade 0,2% der deutschen Landfläche von Kernkraftwerken ausgefüllt sein.

Für 100% Windkraft müssten wir 7,4% und Photovoltaik 7,1% Der Fläche Deutschlands mit Windkraftanlagen bedecken oder mit Photovoltaik überdachen. (jeweils etwa die Größe des Bundeslandes Brandenburg). Eine 100%-Versorgung aus Biomasse bräuchte 260% der Fläche Deutschlands.

energiewende-rechner.org

Vorteil gegenüber Erneuerbaren Energien ist die geringere Abhängigkeit vom Wetter: Windkraft und Photovoltaik sind stark vom Wetter und der Tageszeit abhängig. Nachts kann natürlich kein Strom aus PV erzeugt werden und die Windkraft ist abhängig von der Windgeschwindigkeit. Dabei ist nicht nur eine zu kleine Windgeschwindigkeit ein Problem, bei zu starkem Wind im Sturm müssen Windkraftanlagen ebenfalls abgeschaltet werden.

Da Strom aber immer in der Menge erzeugt werden muss wie er im selben Moment verbraucht wird, ist eine Vollversorgung aus Erneuerbaren Energien mit der aktuellen Technik nicht möglich.

Die einzige Großtechnische Möglichkeit Strom zu speichern sind Stauseen. In Deutschland kann es bis zu 6 Wochen im Jahr relativ dunkel und windstill sein (Dunkelflaute). Bei einer Vollversorgung aus Erneuerbaren Energien müsste es also Speicherkapazitäten von für etwa 85% der deutschen Stromversorgung über 6 Wochen geben. Die aktuellen Kapazitäten reichen für etwa 8% über 30 Minuten.

Andere Speicherkonzepte stecken noch in den Kinderschuhen. Die beste Batterie-Speicheranlage der Welt, das Tesla Megapack hat eine Leistung 3 MWh. So viel wie ein einziges Windrad in 8 Stunden oder ein Kernkraftwerk in 20 Sekunden.

Kernkraftwerke die für ihr Kühlwasser auf Flüsse angewiesen sind können im Hochsommer in Probleme geraten und müssen dann ihre Leistung herunterfahren.

Deshalb verfolgen viele Staaten eine Strategie des gemeinsamen Ausbaus der Kernkraft und Erneuerbaren Energien da es im Sommer einen geringeren Strombedarf und deutlich mehr Sonneneinstrahlung gibt.

Stark Umstritten gegenüber anderen Stromerzeugungsarten, der Preis:

An der Energiebörse EEX kostet 1 kWh Atomstrom etwa 2,9 Cent.

Es ist aber äußerst kontrovers wie hoch der "faire" Preis einer kWh Atomstrom ist. Es gibt Berechnungen die "externe Kosten" auf die kWh Atomstrom aufrechnen. Eine Greenpeace-Studie aus dem Jahr 2012 kam dabei auf 4,3 Cent Extrakosten für jede kWh deutschen Atomstroms. Diese Studie ist stark umstritten.

https://www.greenpeace.de/themen/atomkraft/atomstrom-mit-304-milliarden-euro-subventioniert

Zum Vergleich: Für jede kWh Strom erfolgte 2020 über das EEG ein Aufschlag von 6,756 pro kWh für die Förderung Erneuerbarer Energien.

Die US Energy Information Administration (Ein Zweig der US-Regierung) gibt Gestehungskosten von $0.096/kWh an. Das wären 8,4 Eurocent.

Die Schweiz rechnet mit Gestehungskosten von 4 bis 6 Rappen pro kWh das entspräche 0,379 bis 0,568 Eurocent.

Diverse Studien geben die Stromgestehungskosten von Kernenergiestrom zwischen 3,6 und 10,5 Eurocent/kWh an.

https://de.wikipedia.org/wiki/Stromgestehungskosten

Zum Vergleich:

Windkraftstrom hat je nach Standort Stromgestehungskosten von 3,99 bis 11,8 Cent/kWh an
Braunkohle: 2,9-10
Photovoltaik on roof: 7,23-20,3

Hinzu kommen zahlreiche Fragen die sich schwer quantifizieren lassen: Welchen Schaden räumt man z.B. eigentlich der Produktion von CO2 bei der Kohleenergie ein? Ist die Zerstörung von Naturräumen durch Windkraftanlagen oder Staudämme eigentlich ein externer Kostenfaktor den man dem Strompreis Erneuerbarer Energien anrechnen sollte wenn man der Kernkraft hypothetische Kosten anrechnet für Schäden die noch nicht eingetreten sind und vielleicht nie eintreten?

Ehrlicherweise kann man hier nicht sagen, dass Kernenergie mit Sicherheit billiger oder teurer als anderer Strom ist. Der Börsenpreis zumindest ist mit der günstigste. Ein Vergleich in Europa ergibt, dass Länder mit einem hohen Anteil von Erneuerbaren Energien hohe Strompreise haben und Länder mit einem hohen Anteil von Kernenergie niedrige Strompreise. Kritiker würden entgegnen, dass der Atomstrom hohe externe Kosten hat die auf anderen Wegen entrichtet werden.

Umstritten ist die Auswirkung der Endlagerung radioaktiven Materials verglichen mit anderen Energiequellen.

Befürworter der Kernenergie verweisen darauf, dass Kohlekraftwerke unsere Atmosphäre als Endlager für CO2 benutzen. Würden wir heute aufhören CO2 in unsere Atmosphäre zu pumpen, würde es mehrere hunderttausend bis Millionen Jahre dauern bis die Umwelt das zusätzliche CO2 wieder gebunden hat. Kohlekraftwerke speien nicht nur CO2 aus sondern zahlreiche andere, giftige Stoffe an denen (wie erwähnt) 1,3 mio Menschen jedes Jahr sterben.
Die Produktion von Sand oder Silber für Solarzellen erzeugt erhebliche Umweltschäden.
Solarzellen und auch Windkraftanlagen enthalten erhebliche Mengen giftiger Abfälle deren Entsorgung noch nicht geklärt ist. Erste Firmen die umweltfreundliche Entsorgung von Solarzellen ausprobierten sind bankrott gegangen.
Bei der Produktion von Neodym für Windkraftanlagen fällt ein Abfall an der ist hochgiftig, säurehaltig und schwach radioaktiv. Den verklappen die Produzenten unter freiem Himmel in Seen.

Die BBC nannte diese Seen 2015: "The worst place on earth" (Der schlimmste Ort auf Erden) www.bbc.com/future/article/20150402-the-worst-place-on-earth

Befürworter der Kernenergie weisen darauf hin, dass die Entsorgung des des hochradioaktiven Abfalls (weltweit etwa 300'000 t) in Untertagedeponien relativ problemlos ist. Es gibt bereits gute und langjährige Erfahrungen bei Endlagern für hochgiftigen Sondermüll. (Zum Beispiel die Untertagedeponie Herfa-Neurode in Hessen die jedes Jahr 200'000 t hochgiftigen Müll einlagert)

Befürworter weisen auch darauf hin, dass Reaktoren der sogenannten Generation 4 Atommüll als Brennstoff verwenden und ihn so unschädlich machen können und deshalb keine Endlager benötigt werden. Russland hat bereits 2 dieser Reaktoren im Betrieb.

Kritiker der Kernenergie weisen dem radioaktiven Abfall eine besonders schädliche Eigenschaft zu die dessen Gefahren in ihren Augen erheblich größer machen als die von Klimawandel, Giftmüll aus der Rohstoffförderung oder Problemen bei der Lagerung. Sie glauben nicht an die technische Machbarkeit nuklearen Recyclings.

Umstritten ist die Möglichkeit und Auswirkung von Unfällen: Während moderne Reaktoren während des Betriebs keine Schadstoffe ausstoßen (zum Vergleich: Luftverschmutzung durch Kohlekraft kostet jedes Jahr 1,3 mio Menschen das Leben), sehen viele die Gefahr eines katastrophalen Unfalls.

1986 gab es im sowjetischen RBMK-Reaktor Tschernobyl einen solchen Unfall mit Freisetzung von radioaktivem Material. Durch diesen Unfall und die nachfolgende Schadensbegrenzung starben 50 Arbeiter an Strahlung und bis zu 4000 Menschen erhielten krebserregende Strahlungsmengen.

Ein Gebiet von 4000 km² (etwa 1,5 mal die Größe des Saarlandes) ist bis heute Sperrgebiet (Exclusion Zone) in der eine Ansiedlung offiziell verboten ist (tatsächlich gibt es dort illegale Siedlungen) .

https://www.unscear.org/unscear/en/chernobyl.html

Weil die Schwächen des RBMK bekannt waren wurde dieser nur in der Sowjetunion gebaut. Der Westen setzte auf andere Reaktorkonzepte.

Die größte Katastrophe der westlichen Kernenergie war 2011 als in Folge des Tōhoku-Tsunamis der durch das Tōhoku-Erdbeben ausgelöst wurde. Obwohl Erdbeben und Tsunami 20'000 Menschenleben forderte, gab es durch Fukushima keine Toten durch Strahlung. Obwohl es in Fukushima 3 Kernschmelzen gab ist die radioaktive Belastung der Umgebung relativ gering. Es gibt keine Sperrgebiete mehr nur eine Schutzzone von 371 km² offiziell: "Difficult-to-return zone" (das ist etwas weniger als die Fläche der Stadt Bremen). Es werden in Fukushima keine gesundheitlichen Folgen erwartet.

www.unscear.org/unscear/en/fukushima.html

Tatsächlich sind in der westlichen Kernkraft noch nie Menschen außerhalb eines Reaktors durch Unfälle im Zusammenhang mit Strahlung getötet worden. Verbunden mit der extremen Energiedichte der Kernenergie sorgt dies dafür, dass die Kernenergie die geringste Todesrate pro kWh hat (siehe oben).

Manche Kritiker sehen dennoch eine hohe Gefahr. Sie postulieren die Möglichkeit einer möglichen Katastrophe deren Folgen potentiell so groß wären, dass sämtliche Vorteile der Kernenergie aufgebraucht würden.

Ein gewaltiger Nachteil ist die öffentliche Wahrnehmung gegenüber anderen Stromerzeugungsarten: In Deutschland ist schon der Weiterbetrieb der Kernkraftwerke aufgrund öffentlichen Drucks unmöglich, geschweige denn der Bau neuer Kernkraftwerke. Die Kernkraft-Lobby hat Deutschland auch bereits vor Jahren aufgegeben. Für Kernenergie zu sein ist in Deutschland so verpönt und schlecht angesehen, dass es praktisch keine prominenten Fürsprecher für die Kernenergie gibt.

Die Kernenergie hat praktisch den schlechtesten Leumund den man sich vorstellen kann.

International gibt es eine starke und stärker werdende grüne Bewegung die Kernenergie für die Rettung des Klimawandels Salonfähig machen möchte.

Dazu gehören etwa der links-grüne britische Publizist George Monbiot, der 10 Tage nach Fukushima schrieb: "Ich bin jetzt wegen Fukushima für die Kernenergie". Mark Lynas der einst militant gegen die Kernenergie gekämpft hat und heute sagt, dass Aktivismus gegen Atomkraft eine Verschwendung von Aktivismus ist. Wie James Lovelock, der für die grüne Bewegung sowas wie Karl Marx für den Kommunismus ist und sich für die heutige grüne Bewegung schämt. Wie Stewart Brand, ebenfalls ein grüner Vordenker der schon in den 90ern seine Meinung änderte. Wie Zion Lights die ehemalige Sprecherin von Extinction Rebellion UK die XR verließ um eine grüne pro-Atom-Umweltgruppe zu gründen (emergencyreactor.org).

Woher ich das weiß:Recherche

Erik1611  24.11.2021, 23:10

Vielen Dabk für diesen tollen, detaillierten Text!

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Vorteile: immer verfügbar in gleichbleibender Menge

Nachteile: Müllentsorgung, Verseuchung


guenterhalt  12.11.2021, 13:22
immer verfügbar in gleichbleibender Menge

das gilt aber nur, wenn es gelingt Fussionsreaktoren (eine Sonne auf der Erde) zu entwickeln und dann nur mit Wasserstoff betreiben zu können.
Kernspaltungsreaktoren arbeiten mit Uran. Das ist auch irgendwann in erreichbaren Tiefen erschöpft.

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iqKleinerDrache  12.11.2021, 13:23
@guenterhalt

ich meinte jetzt für die Energieerzeuger im Tages oder besten Fall Monatszeitraum gedacht. Und dann insg. natürlich auch nicht weiter als 100 Jahre gedacht.

Beispiel: Windkraft -- geht Wind ist zuviel da, Windflaute -- zu wenig. Sonnenenergie --- Tags und ohne Bewölkung zuviel, Nacht und mit Bewölkung -- zu wenig.

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