Volker Braun Gedichte?
Hallo erstmal! Ich habe eine Hausaufgabe auf und soll ein Gedicht von Volker Braun raussuchen, es muss in der DDR Zeit erschienen sein oder was damit zu tun haben. Das Gedicht soll dann untersucht werden und zwar auf Sprechsituation, Sprechhaltung, Umgang mit der Zensur (also ob er in dem Gedicht irgendetwas umgeschrieben hat damit es nur indirekt beispielsweise Kritik am Staat übt) und die politische Aussage. Wäre super wenn es jemanden gibt, der davon Ahnung hat und mir dabei helfen könnte. Es wäre ja immerhin was wenn jemand ein geeignetes Gedicht findet. Danke.
2 Antworten
von 1987 ( die ddr vom umbruch recht entfernt)
Und das Nichteinverstanden sein mit seinem Staat ist deutlich
https://www2.klett.de/sixcms/media.php/229/350470_0237_Braun_Lehen.pdf

aus dem Jahr 1965
Die Mauer
1
Zwischen den seltsamen Städten, die den gleichen
Namen haben, zwischen vielem Beton
Eisen Draht Rauch, den Schüssen
Der Motore: in des seltsamen Lands
Wundermal steht aus all dem
Ein Bau, zwischen den Wundern
Auffallend, im erstaunlichen Land
Ausland. Gewöhnt
An hängende Brücken und Stahltürme
Und was noch an die Grenze geht
Von Material und Maschinen, faßt
Der Blick doch nicht
Das hier.
Zwischen all den Rätseln: das ist
Fast ihre Lösung. Schrecklich
Hält sie, steinerne Grenze |
Auf was keine Grenze
Kennt: den Krieg. Und sie hält
Im friedlichen Land, denn es muß stark sein
Nlicht arm, die abhaun zu den Wölfen
Die Lämmer. Vor den Kopf
Stößt sie, das gehn soll wohin es will, nicht
In die Massengräber, das Volk der Denker.
Aber das mich so hält, das halbe
Land, das sich geändert hat mit mir, jetzt
Ist es sichrer, aber
Ändre ichs noch? Von dem Panzer
Gedeckt, freut sichs
Seiner Ruhe, fast ruhig? Schwer
Aus den Gewehren fallen die Schüsse:
Auf die, die es anders besser
Halten könnte. Die Mauern stehn
Sprachlos und kalt, im Winde
Klirren die Fahnen.
2
Die hinter den Zeitungen
Anbelln den Beton und, besengt
Von den Sendern, sich aus dem Staub machen
Der Baustellen oder am Stacheldraht
Unter Brüdern harfen und
Unter den Kirchen scharm Tunnel: die
Blinden Hühner finden sich
Vor Kimme und Korn. Unerfindlich
Aber ist ihnen, was diese Städte
Trennt. Weil das nicht
Aus Beton vor der Stirn pappt.
Uns trennt keine Mauer
Das ist Dreck aus Beton, schafft
Das dann weg, mit Schneidbrennern
Reißt das klein, mit Brecheisen
Legts ins Gras: wenn sie nicht mehr
Abhaun mit ihrer Haut zum Markt
Zerhaut den Verhau. Wenn machtlos sind
Die noch Grenzen ändern wollen
Zerbrecht die Grenze. Der letzte Panzer
Zerdrück sie und sie ihn.
Daß sie weg ist.
Jetzt laßt das da.
3
Aber
Ich sag: es steht durch die Stadt
Unstattlich, der Baukunst langer Unbau
Streicht das schwarz
Die Brandmauer (scheißt drauf)
Denn es ist nicht
Unsre Schande: zeigt sie.
Macht nicht in einem August
Einen Garten daraus, wälzt den Dreck nicht
Zu Beeten breit, mit Lilien über den Minen
Pflanzt Nesseln, nicht Nelken
Vermehrt nicht, zwischen den seltsamen
Städten, die Rätsel, krachend
Schmückt das Land nicht
Mit seiner Not. Und
Laßt nicht das Gras wachsen
Über der offenen Schande: es ist
Nicht unsre, zeigt sie.