Wie findet ihr die Kritik an überarbeiteten Büchern?
In letzter Zeit ist da immer wieder von "Zensur" oder "Cancel Culture" die Rede. Ich persönlich finde das zu hart.
Natürlich sollten auch die originalen Texte erhalten bleiben, aber das Bücher umgeschrieben werden, das ist schon so alt wie die Bücher selbst. Nur gab es in den vorigen Jahrzehnten selten einen solchen medialen Aufschrei, wenn ein Buch überarbeitet wurde.
https://www.karl-may-gesellschaft.de/kmg/seklit/jbkmg/1988/38.htm
In diesem Aufsatz wird z.B. auch nochmal gut darauf eingegangen, wie kompliziert es eigentlich ist, an einen "Ur-Text" zu kommen, sofern es den überhaupt gibt.
Allein von Moby-Dick gibt es so viele Versionen, das man 20 lesen kann und dennoch immer wieder eine andere Geschichte liest.
Deshalb finde ich persönlich den Aufschrei über die momentane Überarbeitung von rassistischen Ausdrücken in alten Büchern sehr übertrieben. Schon allein, weil selbst die Bücher, die man als Kind gelesen hat, eben auch schon Überarbeitungen waren.
6 Antworten
Ich finde Überarbeitungen auch nicht so schlimm, solange sie als Überarbeitungen deklariert sind und die (echten oder vermeintlichen) Originale nicht verboten werden oder auf einem Index stehen (ob sie noch verlegt werden ist dann eine andere Sache).
Völlig problemlos finde ich eine Anpassung bei Übersetzungen, die nie ein sog. Original sein können, sondern immer eine Interpretation.
Bei Kinderbüchern sind Anpassungen so oder so vollkommen harmlos - es sind die Eltern, die ihren Nostalgien hinterherhängen (wie ja auch zb Neuverfilmungen deshalb oft abgelehnt werden).
Kinder finden die Bücher in zeitgemässer Sprache genau so spannend - und das übermässige Brutalität gegenüber Kindern zum Teil auch entschärft wird, ist auch in Ordnung die meisten Kinder kennen niemanden mehr, der daheim verprügelt wird und finden das so verstörend, wie es eigentlich auch ist.
Ich finde das völligen Quatsch. Da wird Kunst zerstört.
Ich bin für Disclaimer und Kommentar, gegen einen Eingriff in den Originaltext.
Sollte sich an meinen Texten jemals jemand ohne meine Zustimmung derart vergreifen, dann werde ich aus meinem Grab herausfahren und ihn heimsuchen!
Ich finde das "Umschreiben" alter bzw. fremder Texte unsäglich.
Wer seine politische Korrektheut unbedingt meint, über die Menschheit gießen zu müssen, der soll sich gefälligst auf seinen Arsch setzen und selber schreiben - anstatt sich an den Werken anderer zu vergreifen.
Texte stehen IMMER auch zur Persönlichkeit ihres Autors und im Kontext ihrer Entstehungszeit. Wer an solchen Texten herumpfuscht, nimmt ihnen ihre Authentizität. Und das ist ein kulturelles Verbrechen. Denn es nimmt späteren Menschen die Möglichkeit, die Texte so kennenzulernen, wie der Autor selbst sie sich nun mal erdacht hat - zu SEINER Zeit.
Diese Bücher sind sehr wertvoll für unsere Kultur. Es ist wichtig, sie zu überarbeiten, damit auch unsere jüngsten Leser sich damit auseinander setzen können.
Die Kehrseite ist, dass diese Werke vertraut sind und man sich kaum mehr die Mühe macht, eine Original-Version zu lesen. Das ist ein großer Verlust, weil Überarbeitungen wenig mit den Botschaften des Schöpfers gemein haben.
Es braucht aber auch eine gewisse Reife, um sich in eine Sichtweise hineinzuversetzen, die nicht mehr zeitgemäß ist.