Unterschied: Soziale Marktwirtschaft und Neoliberalismus?

2 Antworten

Der Ausdruck „soziale Marktwirtschaft“ stammt von Alfred Müller-Armack. Der Leitgedanke der sozialen Marktwirtschaft besteht darin, das Prinzip der Freiheit auf dem Markt mit dem des sozialen Ausgleichs zu verbinden. Kurz um, der Wohlstand steigt ständig, Vollbeschäftigung ist gesichert, und es gibt eine Sozialpolitik, die die Einkommensverteilung im Sinne von mehr Gerechtigkeit korrigiert, indem der Staat Einkommen umleitet. Es ging Müller-Armack nicht um eine Umverteilung der Einkommen von den Reichen zu den Ärmeren. Mit Einkommensumleitung meint er beispielsweise, die Gesunden finanzieren mit ihren Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung die Behandlungskosten der Kranken. Die Erwerbstätigen finanzieren über ihre gesetzlichen Rentenversicherungsbeiträge die Renten der Ruheständler. Oder, was in den 1950er Jahren, nach dem Krieg, eine große Bedeutung hatte: Diejenigen, die nicht ausgebombt waren, finanzierten mit einer Vermögensabgabe die Unterstützung für diejenigen, die ihr Hab und Gut verloren hatten. Lastenausgleich nannte man das damals.

 

Den Begriff Neoliberalismus gebrauchte zum ersten Mal der Ökonom und Sozialwissenschaftler Alexander Rüstow im Jahr 1938 beim Walter Lippmann Colloquium in Paris. Dort trafen sich liberale Ökonomen aller Richtungen, um zu diskutieren, welche Lehren aus der unbefriedigenden wirtschaftlichen Entwicklung in den 1920er Jahren und vor allem aus der verheerenden Weltwirtschaftskrise für die künftige Wirtschaftspolitik gezogen werden sollten. Die klassischen Liberalen folgten (wie Adam Smith) der These, der Staat solle sich auf eine Nachtwächterrolle zurückziehen; er sorgt also für Sicherheit, für eine Rechtsordnung und betreibt die Außenpolitik, mehr aber nicht. Davon setzten sich die andere Seite bewusst ab: Sie plädierten für einen starken Staat. Dieser soll vor allem einen ausreichenden wirtschaftlichen Wettbewerb sichern, also die Bildung von Kartellen untersagen und dafür sorgen, dass kein Unternehmen eine marktbeherrschende Stellung erlangt.

Kurz um, was folgte ist; es gibt nicht denn einen Neoliberalismus! Neoliberalismus ist nicht homogen. Eine speziell deutsche Form des Neoliberalismus ist der Ordoliberalismus, auch Freiburger Schule genannt. Er legt in seinen Schriften besonderen Wert auf die Wettbewerbstheorie und einen Staat, der stark genug ist, auch gegen die Lobby der Wirtschaft den Wettbewerb zwischen den Unternehmen zu sichern.

Eine andere Richtung des Neoliberalismus verkörpert der amerikanische Nobelpreisträger Milton Friedman. Für ihn steht die Geldpolitik der Notenbanken im Mittelpunkt. Die Notenbanken sollen, so Friedman in vielen seiner Arbeiten, die Geldmenge jedes Jahr nur in dem Umfang erweitern, wie sich die Produktionsmöglichkeiten der jeweiligen Volkswirtschaft erhöhen. So soll die Inflation unter Kontrolle bleiben. Da Friedman an der Universität Chicago gelehrt hat, wird diese Richtung auch Chicagoer Schule genannt. Und weil der Schwerpunkt der Betrachtung auf der Geldmengensteuerung liegt, wird diese Richtung auch Monetarismus genannt; ihre Vertreter sind die Monetaristen.

Alles zusammen was man als Neoliberalismus bezeichnet wir oftmals auch als Marktradikalismus bezeichnet, oder Raubtier-Kapitalismus. Das alles sind Begriffe, die weniger in der Wissenschaft, sondern eher in der politischen Diskussion gebraucht wird.


NeonSchaf  21.09.2022, 14:20

Das Neoliberalismus fälschlicherweise Marktradikalismus genannt wird, ist ein bisschen Schade.

Mikaru808  20.09.2022, 19:57

Super erklärt!

Der Neoliberalismus ist eindeutig eine soziale Marktwirtschaft. Es gibt verschiedene Neoliberalismen (Ordoliberalismus, Monetarismus, etc.) Sie alle sind aber sozial-"marktwirtschaftlich"