Unterschied Enantiomere und Diastereomere?
Hallo zusammen,
könnt ihr mir vielleicht erklären, was der Unterschied von Enantiomeren und Diastereomeren ist?
- Ich verstehe, dass Stereoisomere Isomere sind, die gleich zusammengesetzt sind, die räumliche Anordnung der Atome aber unterschiedlich ist -> Gleiche funktionellen Gruppen um die gleichen C-Atome
- Ich verstehe, dass Konfigurationsisomere Stereoisomere sind, die sich nicht durch Rotation um C-C Einfachbindungen ineinander umwandeln lassen (sonst wären es ja Konformationsisomere).
- Bei der Konfigurationsisomerie gibt es dann die Unterformen „Enantiomerie“ und „Distereomerie“, welche ich nicht noch nicht verstehe.
- Wieso sind es automatisch Diastereomere, nur weil sich die beiden Moleküle nicht in allen Chiralitätszentren unterscheiden?
- Hier verstehe ich, dass es sich um Enantiomere handelt, da die beiden Moleküle wie Bild und Spiegelbild zueinander sind (wie bei D-Glucose und L-Glucose (um ein anderes Beispiel zu nennen))
- Darf man das rechte Molekül gedanklich eigentlich in alle Richtungen drehen, um zu schauen, ob es Enantiomere sind? Oder nur um die “Innere Achse“ / “C-C Bindungslinie“?
1 Antwort
Ich gebe Dir rote und blaue Handschuhpaare, und Du klebst jeweils zwei mit verschiedener Farbe so zusammen, daß die Handinnenflächen aneinander liegen (jeder Handschuh steht dabei für ein Stereozentrum, und die Farben stehen dafür, daß die Sterozentren chemisch verschieden sind). Dabei hast Du vier Möglichkeiten:
- rot links + blau links
- rot rechts + blau rechts
- rot links + blau rechts
- rot rechts + blau links
Diese Konfigurationen bilden jeweils zwei Enantiomerenpaare, nämlich 1/2 und 3/4. Das sollte klar sein, denn Durch Spieglung machst Du ja aus einem rechten Handschuh einen linken und umgekehrt, also müssen 1/2 zueinander im Verhältnis von Spiegelbildern stehen und 3/4 auch.
Weil Enantiomere Spiegelbilder voneinander sind, verhalten sie sich chemisch gleich, wenn sie nur mit nichtchiralen Reaktionspartnern reagieren. Ein nichtchiraler Reaktionspartner merkt ja keinen Unterschied, ob sein Partner links oder rechts herum gepolt ist (ein linker und ein rechter Schuh paßt gleich gut in eine quaderförmige Schuhschachtel).
Aber die Paare 1/3, 1/4, 2/3 und 2/4 sind keine Spiegelbilder voneinander, und deshalb sind sie Diastereomere. Sie sehen auch völlig verschieden aus: In den Strukturen 1 und 2 liegen die Daumen auf derselben Seite, in den Strukturen 3 und 4 auf verschiedenen Seiten. Wenn Du das nicht glaubst, dann schüttle mal jemandem mit Deiner rechten Hand einmal seine Linke und einmal seine Rechte. Der Unterschied ist drastisch: Einmal kommen die Daumen auf dieselbe Seite und einmal auf die andere.
Deshalb haben Diastereomere z.B. unterschiedliche Schmelzpunkte und unterschiedliche Siedepunkte, und unterschiedliche Reaktivität gegenüber jedem anderen Molekül (die Unterschiede können natürlich klein sein). Sie sind genauso verschieden wie z.B. cis und trans-substituierte Alkene: Andere Molekülform bedingt andere Eigenschaften.
Ein anderer, etwas formalerer Weg, dasselbe zu sagen, ist:
- Zwei enantiomere Moleküle haben dieselben Abstände zwischen den einander entsprechenden Atomen (die Daumen sind gleich weit voneinander entfernt), und daher dieselben intramolekularen Wechselwirkungen (und folglich gleichen Schmelz- und Siedepunkt, aber auch Dichte, Farbe, Wärmekapazität). Mit achiralen Partnern haben sie auch dieselben intermolekularen Wechselwirkungen, reagieren also gleich, z.B. lösen sie sich gleich gut in Wasser.
- Zwei diastereomere Moleküle haben verschiedene Abstände zwischen den einander entsprechenden Atomen (die Daumen sind einmal zusammen und einmal auf der anderen Seite des Moleküls). Daher unterscheiden sie sich bereits als reine Substanzen in so gut wie allen Eigenschaften, und reagieren natürlich auch verschieden mit jedem anderen Molekül. Mannose löst sich z.B. deutlich schlechter in Wasser als Glucose — irgendwie klar, denn die OH-Gruppen, die für die Löslichkeit sorgen, sind geometrisch anders angeordnet und können bei der Mannose besser miteinander H-Brücken bilden als bei der Glucose, also haben sie weniger Interesse, sich mit dem Wasser abzugeben.
Wenn Du über diese Antwort ausreichend nachgedacht hast, wirst Du auch verstehen, daß zwei identische Stereozentren nur drei mögliche Strukturen ergeben, nämlich ein Enantiomerenpaar und eine achirale Struktur (die heißt dann meso-Form). Im Beispiel mit den Handschuhen sind das links/links und rechts/rechts (ein Enantiomerenpaar) und links/rechts (die meso-Form). Die meso-Form ist dabei diastereomer zu den Enantiomeren.