Tod meiner Mutter nicht verkraftet?
Hallo Community,
Es ist mal wieder eine Nacht an der ich kein Auge zu drücken kann. Ich verkrafte den Verlust meiner Mutter immernoch nicht. Es sind jetzt 2 einhalb Jahre vergangen und ich habe immer versucht mich abzulenken das positive zu sehen doch ich habe keine Kraft mehr. Ich habe zwar keine Selbstmordgedanken aber ich bin einfach müde vom Leben. Ich werde bald 18 und es schmerzt alles ohne sie machen zu müssen.
Ich lebe mit meinem Vater alleine und es gibt keine Probleme doch mit ihm kann ich auch nicht wirklich reden.
Bei einer Psychologin war ich schon, leider ohne Erfolg.
Ich habe wenig bis gar keine Kontakte und muss ständig nachdenken, ich habe meine Mutter auch nicht immer so nett behandelt und das tut mir jetzt im Nachhinein umso mehr weh.
Ich fühle mich einsam und ich kann mit niemanden wirklich drüber reden weil ich auch keine Person kenne die in meinem Alter schon seine Mutter verloren hat.
Ich bin religiös und ich hoffe auf ein Wiedersehen mit ihr aber ich habe auch angst vor dem eigenen Tod.
Meine schulischen Leistungen sind zwar wieder ziemlich gut doch auch morgen bzw. heute sitze ich übermüdet im Unterricht weil ich jetzt in der Nacht mal wieder wach bin und an alles denken muss.
Ich weiß nicht weiter, ich habe keine Ahnung was ich tun kann und bitte um Rat.
8 Antworten
Hallo sanji777
Ja, ich denke, dass Ablenkung und den Blick auf das Positive zu lenken, einen auf die Dauer nicht weiterbringt, sondern eigentlich nur noch mehr Kraft kostet. Die Mutter ist die allererste Bezugsperson eines Menschen. In ihr wächst man zunächst als Fötus heran und über sie nimmt man die Aussenwelt wahr. Der Tod an sich ist widersprüchlich und schwer zu fassen. Aber erst recht schwer fassbar ist er, wenn er diesen Menschen betrifft, auf dem einst unser ganzes Urvertrauen beruht. Wer uns das Leben geschenkt hat, ist jetzt selbst tot.
Mit diesem Widerspruch zu Rande zu kommen ist alles andere als einfach. Es geht nicht, nur das Positive zu sehen, denn es ist nunmal ein trauriger Verlust. Da ist eben beides in deinem Leben. Einerseits ist da ein Mensch, den du geliebt hast und andererseits ist dieser Mensch nicht mehr da. Vielleicht gab es zu ihren Lebzeiten auch Konflikte, wie das in jeder Eltern-Kind-Beziehung vorkommt. Auch das gehört zu eurer gemeinsamen Geschichte. Eure beiden Leben sind eng miteinander verwoben. Ihr Tod betrifft dein Leben, denn sie wird nicht mehr zurückkommen. Und dein Leben hat ihres beeinflusst. Es gibt für eine Mutter nichts Grösseres als die Geburt des eigenen Kindes. Alles, was du fortan in deinem Leben denken, fühlen und erleben wirst, bleibt an die Existenz deiner Mutter gekoppelt. Du wirst an sie denken, wenn du dein Abi machst, wenn du deine erste eigene Wohnung beziehst, wenn du vielleicht selber mal Kinder hast. In traurigen wie in fröhlichen Momenten wird sie eine Rolle in deinem Leben spielen. Die Hauptrolle, denn immerhin hat sie dich zur Welt gebracht.
Der Tod ist somit nicht das Ende einer Beziehung. Es geht weiter. Vielleicht haderst du auch damit, dass sie dich einfach so verlassen hat. Akzeptiere diese Gefühle. Wir Menschen sind kein totes Stück Eisen oder Rost; wir sind Lebewesen und wir stehen in Beziehung zueinander. Auch zu ihren Lebzeiten hast du dich nicht an die Nasenspitze oder an das Knie deiner Mutter gewendet, um mit ihr zu sprechen. Du hast den Menschen "dahinter" gemeint und angesprochen. Nun ist dieser Körper endgültig verschwunden. Muss das heissen, dass auch die Person verschwunden ist? Keineswegs, oder?
Wie gesagt, wir Menschen sind Beziehungswesen. Wir brauchen das Du, das Gegenüber, an das wir unsere Klagen und unsere Hoffnungen richten. Ohne dieses Du wäre unser Leben sinnlos. Würdest du nie mehr Musik hören wollen, wenn dein Handy heute kaputtginge? Vermutlich nicht. Du würdest in ein Café gehen und dort Musik hören. Oder dir ein neues Gerät zulegen. So ist es auch, wenn ein geliebter Mensch stirbt. Die Beziehung zu ihm ist nicht von seiner physischen Existenz abhängig.
Es bedarf einer bewussten Entscheidung deinerseits und da du noch sehr jung bist, solltest du dich bewusst für das Leben entscheiden. Deine Mutter würde bestimmt nicht wollen, dass ihr Tod zum Anlass zu deinem Unglück würde. Sie musste sich von dieser Welt verabschieden, wie jemand, der mal eben in einen anderen Raum geht. Auch sie wäre jetzt vermutlich gerne bei dir, aber das geht nunmal nicht. Bleibt trotzdem miteinander in Verbindung. Es ist möglich und notwendig.
Liebe Grüsse
Du kannst es mit einem anderen Psychologen versuchen, sowas braucht seine Zeit und klappt nicht immer beim ersten Versuch. Ich würde dir aber auf jeden Fall einen empfehlen, wenn du niemanden zum Reden hast.
Weiterhin alles Gute und viel Kraft dir!
TK
Ich war 17, als mein Vater starb. Meine Mutter war in dieser Phase keine Hilfe, im Gegenteil, ICH musste SIE davon abhalten, sich etwas anzutun. Ich habe Jahre gebraucht, um mein innersten zu öffnen und jemandem davon zu erzählen, aber dann hat es irgendwann doch sehr geholfen.
Ich würde dir anstelle der Psychologin raren, eine Selbsthilfegruppe zu suchen. Das dürfte in diesem Zusammenhang nicht allzu schwierig sein.
Und versuch, enger mit deinem Vater zu sprechen. Bei meiner Mutter und mir kam irgendwann der Tag, etliche Jahre später, wo der ganze scheiss aus mir rausbrach und ich ihr jedes Wort wie Messer an den Kopf geworfen hab. Das könnt ihr noch verhindern.
Ganz loslassen wird es dich vermutlich nie. Ich bin jetzt 43, letztes Jahr wurde das Grab aufgelöst, eine Verlängerung wäre für maximal 3 Jahre möglich gewesen, was die Sache nicht besser gemacht hätte. Junge, das war nochmal schwer, obwohl ich nicht oft am Grab war...
Liebe Grüsse vom alten Mann ;)
Gibt es eine Selbsthilfegruppe in der Nähe für Trauer? Da werden zwar Menschen mit sehr unterschiedlichen Alter sein aber du hast jemanden zum reden. Sonst fällt mir nur noch Facebook Gruppen oder Foren zum Thema Trauer ein. Mit Glück findest du dort jemanden dem das gleiche passiert ist. Versuche unbedingt Freunde zu finden, neues zu erleben oder innerhalb der Familie mit Personen viel zu unternehmen. Hast du Oma und Opa, also Eltern deiner Mutter oder Tante (Geschwister deiner Mutter) das wären Personen mit denen du gut reden kannst, weil sie deine Mutter kannten. Ich weiß nicht ob man sowas überhaupt jemals richtig verarbeitet. Habe mehrere Verwandte in kurzen Abständen verloren und komm nicht klar damit das mein Onkel, Tante und Cousin nicht mehr leben.
Bei einer Psychotherapie ist das Vertrauensverhältnis wichtig, um zu profitieren, und anscheinend hat zwischen Dir und Deiner Therapeutin die Chemie nicht gestimmt.
Gibt es in Deiner Familie keine weiblichen Verwandten, Großmutter, Tante oder eine Patin, mit der Du reden kannst? Oder auch eine Freundin Deiner Mutter?
Ich kann gut verstehen, daß sie Dir fehlt. Du musst Dich nicht schuldig fühlen, weil ihr Euch hin und wieder gezankt habt. Meinungsverschiedenheiten gehören zum Erwachsenwerden dazu.
Wenn Du willst, kannst Du Deiner Mutter einen Brief schreiben, mit all den Fragen und Wünschen, die Du ihr jetzt nicht mehr persönlich sagen kannst.
Alles Gute für Dich,
Giwalato