Sulfat, warum vier Sauerstoff-Atome?

4 Antworten

Diese Grundideen von "Bindungsärmchen", die besetzt werden wollen und aus denen sich ableitet, dass ein Atom der 6. Hauptgruppe zwei Elektronen aufnimmt, sind zugunsten der Anschaulichkeit sehr starke Vereinfachungen. Sie bilden bei Weitem nicht die komplette Realität ab. Es wird vieles erstmal außen vor gelassen, was ermöglicht dass besonders die "großen" Atome noch ganz andere Dinge treiben können.

Ein Knackpunkt ist die Idee, dass sich die verbundenen Atome die Bindungselektronen brüderlich teilen. Schön anschaulich, stimmt aber oft nicht. Sondern wenn es unterschiedliche Atome sind, ziehen sie diese Bindungselektronen unterschiedlich stark aneinander an, was mehr oder weniger deutlich bewirkt, dass die beiden Elektronen einer Elektronenpaarbindung entweder dem einen oder dem anderen Atom gehören und dem jeweils anderen im Grunde eher ein Elektron weggenommen wurde. Dieses "Elektronen anziehen" nennt man Elektronegativität (EN) und je größter der EN-Unterschied zwischen den beiden Atomen an den Enden einer Bindung, desto mehr werden die Elektronen zum elektronegativeren Atom hingezogen.

Nun hat Schwefel keinen allzu hohen EN-Wert. Also es zieht Elektronen an, aber nicht sonderlich stark. Dementsprechend kann es sich durch Elektronenpaarbindungen die zwei fehlenden Elektronen für das Erreichen der Ar-Konfiguration heranziehen, aber nur von Bindungspartnern die sie sich sehr einfach abnehmen lassen. Das wäre z.B. bei Schwefelwasserstoff H2S der Fall.

Aber Sauerstoff ist viel elektronegativer als Schwefel. Wenn sich also Sauerstoff und Schwefel miteinander verbinden, kannst du Gift drauf nehmen dass sich der Sauerstoff die Bindungselektronen krallt. Bei einem S=O Molekül hätte also der Schwefel nicht zwei Elektronen aufgenommen, sondern abgegeben... und vier Valenzelektronen übrig zu haben, ist ja auch nicht so erfüllend für ein Atom, ist ja meilenweit von einer erfüllten Oktettregel entfernt. Deshalb kann so ein Molekül zwar vielleicht kurzfristig existieren, aber es quasi todunglücklich und wird bei allererster Gelegenheit entweder zerbrechen oder mit irgendwas reagieren, um irgendwie wieder die Oktettregel zu erfüllen. Beispielsweise mit mehr Sauerstoff.

Das nächst höher oxidierte ist Schwefeldioxid, SO2. Das kann tatsächlich existieren, ist soweit stabil, auch wenn beim Schwefel die Oktettregel noch immer nicht erfüllt ist. Aber auch dieses Molekül wird geneigt sein, weiterzureagieren wenn man ihm die Möglichkeit dazu gibt.

Aber so richtig glücklich ist Schwefel eigentlich erst, wenn es dann alle 6 Valenzelektronen an Sauerstoffatome abgegeben hat und du beim SO3 bist.

Jetzt ist es aber so, dass die 6 Valenzelektronen, die Schwefel von Natur aus hat, nicht gleich verteilt sind. Sondern es sind zwei Paare und zwei einzelne. Dementsprechend bietet es sich an, dass sich vier fremde Atome anbinden: Zwei, die jeweils ein ganzes Elektronenpaar abnehmen (Doppelbindungen) und zwei, die jeweils nur ein Elektron vom Schwefel abziehen. Und Sauerstoffatome sind so elektronegativ, dass sie sich auch von irgendwoher jeweils ein separates Elektron herholen können.

Und so kommt das Molekül SO4(2-) zustande: Zwei doppelt gebundene O-Atome, die jeweils ein Elektronenpaar vom S-Atom abziehen, und zwei einfach gebundene O-Atome, die jeweils ein Elektron vom S abziehen und sich ein zweites Elektron irgendwoanders eingefangen haben. Beispielsweise, als die Schwefelsäure H2SO4 ihre beiden H(+) abgespalten hat, die an genau diesen beiden O-Atomen hingen und jeweils ihr Elektron zurückgelassen haben.

Es ist übrigens allgemein so, dass die Säurereste, also das was übrig bleibt wenn Säuren ihre H(+) abgegeben haben, sehr stabile Moleküle sind.


CodeSnake 
Beitragsersteller
 26.08.2024, 20:22

Wow. So eine umfassende und verständliche Erklärung habe ich in Bezug auf Chemie so noch nie gesehen. Der Stern ist dir sicher

RedPanther  27.08.2024, 09:09
@CodeSnake

Danke danke ;) Manchmal denke ich tatsächlich, ich hätte Chemielehrer werden sollen^^

Die Antwort ist vielleicht etwas komplizierter als du denkst. In Grunde genommen hat es damit zu tun, wie viele Sauerstoff-Atome mit dem Schwefel reagieren wollen.

Schwefel besitzt insgesamt 6 Valenz Elektronen wovon nur zwei kein freies Elektronenpaar bilden.

Diese könnten durchaus eine Doppelbindungen mit Sauerstoff eingehen, das wäre Schwefelmonoxid.

Nun ist es aber so dass einerseits der Sauerstoff sehr Elektronengierig ist (hoher EN Wert) und zum anderen das so genannte Orbitalmodell dann sagt "Es wäre energetisch günstiger" die unterschiedlichen Sauerstoffatome jeweils unterschiedlich zu verteilen und die Bindungen entsprechend gleich dazu. Wenn du dir die Strukturformel vom Trioxid oder Sulfat mal anschaust und vergleichst wirst du ggf feststellen, dass auch die Bindungen Besonderheiten aufweisen. Da liegt daran, dass stets der Energieaärmsten Zustand angestrebt wird. Ladungen und Bindungen werden aufgeteilt, je nachdem wie viele Sauerstoff-Atome vorhanden sind. Das sieht man bei den Sauerstoffverbindungen des jods noch einmal besonders deutlich

Schwefel kann die Wertigkeiten 2, 4 und 6 annehmen.

Im Sulfat-Ion ist das Schwefelatom an vier Sauerstoffatome gebunden. Jedes Sauerstoffatom trägt (typischerweise) eine Oxidationszahl von -2. Um die Gesamtladung des Ions (-2) auszugleichen, muss das Schwefelatom eine Oxidationszahl von +6 haben.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Abitur; Beginn B. Sc. Biochemie

Das eine schließt das andere nicht aus. SO, Schwefelmonoxid, existiert:

https://de.m.wikipedia.org/wiki/Schwefelmonoxid

Nur weil ein Element in einer bestimmten Verbindung auftaucht, ist es deswegen keineswegs irgendwie "reserviert" und kann nicht auch in anderen Verbindungen vorkommen.