Studium: Warum wird so oft die Studienregelzeit überzogen?

4 Antworten

Stelle dir vor, du musst ein Laborpraktikum machen. Dieses Laborpraktikum wird immer nur im Wintersemester angeboten und die erfolgreiche Teilnahme ist zwingende Voraussetzung, um die Laborpraktika der nächsten Semester machen zu dürfen.

Jetzt kannst du dieses Laborpraktikum nicht erfolgreich abschließen. Weil du z.B. krank warst oder dir einige üble Fehler unterlaufen sind. Es ist auch nicht selten, dass man mal eine Wissensabfrage nicht besteht.

Was passiert? Du kannst im nächsten Wintersemester wieder kommen. Und bis dahin kannst du die anderen Laborpraktika nicht machen, d.h. dein Studium wird zwangsweise um die Wartezeit länger.

Bum, das Studium geht mal eben 2 Semester länger, weil du mal eine Woche krank warst oder dich an zwei Tagen nicht so richtig konzentrieren konntest.

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Die gleiche Verzögerung kann sich auch mit einem Vorlesungsmodul ergeben, dessen erfolgreicher Abschluss die Voraussetzung für weitere Module ist... und wo du leider die Klausur nicht bestanden hast.

Oder du warst dummerweise zum Klausurtermin krank und konntest nicht teilnehmen.

Oder du stellst fest, dass du aufgrund deiner anderweitigen Verpflichtungen (z.B. Nebenjob, evtl. Kind, ehrenamtliche Engagements...) nicht so viel Arbeitsaufwand betreiben kannst, wie für 30 ETCS je Semester nötig wäre, und verschiebst jedes Semester ein Modul auf "später". Das läppert sich über 6-7 Semester eben auch schnell zu 2 Extra-Semestern zusammen.

Oder du hast ein Auslandssemester in einem Land gemacht, wo die Semester derart gegenüber den deutschen Zeiten verschoben sind, dass du in Deutschland effektiv zwei Semester pausieren musst, um ein einzelnes vollständiges Semester im Ausland machen zu können.

Oder du legst zwischendurch 1-2 Urlaubssemester ein, weil dir das Geld ausgegangen ist und du erstmal arbeiten gehen musst.

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Auch bei der Abschlussarbeit kann es länger dauern. Beispielsweise, wenn du dafür Proben von jemandem brauchst, der es leider nicht auf die Reihe bringt, dir diese Proben zukommen zu lassen.

So ein ähnliches Problem habe ich jetzt mit meiner Masterarbeit: Ich brauche zwingend TEM (Transmissions-Elektronen-Mikroskop)-Aufnahmen von meinen Kohlenstoff-Nanoröhren. Das TEM meiner Uni ist aber kaputt gegangen und wird auf unbestimmte Zeit nicht repariert, weil kein Geld da ist. Also muss ich jetzt schauen, wie ich über Bekanntschaften von Bekanntschaften von Bekanntschaften irgendwie zu (vielen!) TEM-Aufnahmen komme... und bis das geklappt hat, werde ich die Forschungsarbeit nicht fertig bekommen, mit der ich meine Masterarbeit schreibe. Keine Ahnung, ob das jetzt eine Sache von ein paar Monaten oder ein paar Jahren ist. Im dümmsten Fall kann ich diese Forschungsarbeit in die Tonne kicken und fange mit einem anderen Projekt von vorne an.

Bei solchen Problemen auch noch an die Regelstudienzeit zu denken, hilft einem in der Gesamtsituation absolut nicht weiter.

Je nach Studiengang kann es wirklich die kuriose Ausnahme sein, wenn ein Student mal in der Regelstudienzeit fertig wird.

Es gibt halt so Faktoren:

Muss man nebenbei arbeiten, um sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen? Wenn "ja", dann hat man schon mal zwei Tage weniger pro Woche, an denen man sich de Studien widmen kann.

Hat man vielleicht vor dem Studium was anderes gemacht und muss dann erst "das Lernen lernen", kostet das auch Zeit, Nerven und Prüfungsversuche.

Hat man dazu noch private Probleme, wie Schulden (man muss das Bafög aus einem früheren Studium zurückzahlen) oder eine Krankheit (psychisch, physisch), wirkt sich das auf die oben erwähnten Punkte aus...

Klar, wenn man als 1-er Schüler frisch aus dem Abi kommt, bei den Eltern wohnt und einem sonst nichts fehlt, kann man die Regelstudienzeit erwarten... bzw. sollte diese nicht um viel überzogen werden.

Teils Faulheit, teils umfangreicher Studiengang und teilweise arbeiten die Leute nebenher noch, oder machen anderes, weshalb sich das Studium auch hinauszögern kann

Das hat mit Sicherheit mehrere Gründe, z.B.:

  • Schieben/Wiederholen von Prüfungsleistungen wg. Nicht Bestehen, Krankheit...
  • freiwillige Auslandssemester (oder andere Zusatzleistungen)
  • Zusatzbelastung durch Nebenjob
  • höheres Freizeitbedürfnis
  • unrealistische Planungen der Uni bei den Regelstudienzeiten
Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Chemie- & Verfahrensingenieurin