Sollte man als Kind so früh wie möglich eine Leiche sehen, um später dieses zu verarbeiten?

13 Antworten

Ich versuche es Dir etwas ausführlicher zu beantworten/erläutern:

Es ist eine Sache, wenn ein Kind (nicht zu jung/klein!) auf eigenen Wunsch zB die verstorbene aufgebahrte Oma sehen möchte (zB zusammen mit Mutter oder Vater - nicht alleine!). Als mögliche Örtlichkeit dafür, gibt es zB das ausgewählte Beerdigungsinstitut.

Eine ganz andere Sache ist jedoch Deine Idee: Ein Leichenschauhaus ist kein schöner Ort; es ist kalt, riecht etwas speziell, es ist unpersönlich & die Verstorbenen sind nur in bestimmten Fällen bereits „zurechtgemacht“. An diesen Ort sollte man ein Kind nicht mitnehmen - erst recht nicht, um ihm „einfach mal irgendeine Leiche zu zeigen“. Solches zu tun, wäre/ist nicht im Sinne des Kindeswohles.

Ich habe beruflich oft mit dem Tod zu tun, habe schon unzähligen Personen die Hiobsbotschaft (= Todesnachricht) überbracht und sie ins IRM (= Institut für Rechtsmedizin) begleitet bezüglich der Identifizierung. Aber ich würde/werde es nicht zulassen, dass dabei ein Kind anwesend wäre/ist - unerheblich, wie „normal“ der Leichnam auch aussehen mag.

Einen lieben Menschen tot zu sehen, ist für die meisten Menschen ein Schock (für einige mehr, für andere etwas weniger), idR für jeden mit Trauer & Schmerz verbunden und auf einen solchen Anblick sind wohl nur die Wenigsten „vorbereitet“.

EDIT

Aufgrund einiger Antworten hier, ergänze ich meine Antwort: Eine Leiche „in echt“ zu sehen, ist definitiv nicht zu vergleichen mit deren Anblick im TV, Net o.a.: Man sieht den Leichnam 1:1/in voller Grösse, man riecht ihn und je nachdem, wie lange die Person bereits tot ist und/oder je nach Todesursache/-Art, kann der Geruch ziemlich übel, bzw der Anblick sehr „unschön“ sein. Ich habe seit x Jahren ausschliesslich mit unnatürlichen Todesfällen zu tun und bin froh, dass den meisten „Zivilisten“ solche Anblicke (& auch die Gerüche) erspart bleiben.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Bundeskriminalbeamter mit psych. Zusatzausbildung

Prosber  16.01.2024, 20:32

...sie ins IRM (= Institut für Rechtsmedizin) begleitet bezüglich der Identifizierung

Genau DAS hat Prof. Dr. Tsokos schon mehrfach erwähnt. So etwas gibt es nicht (außer im TV) Man zeigt Hinterbliebenen nicht in der Atmosphäre einer Rechtsmedizin die Leute zur Identifizierung. Wie kam das denn?

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WARRIOREAGLE  16.01.2024, 21:21
@Prosber

Ganz ehrlich: Keine Ahnung, wer Prof. Dr. Tsokos ist und solche TV-Sendungen interessieren mich idR nicht.

  1. Ich bin Eidgenosse, der schweizer Staat ist mein DH/AG (ich arbeite international).
  2. Selbstverständlich haben auch wir einen speziellen Raum in jedem IRM, welcher aus einem (Vor)Raum mit grossem Fenster besteht und im Raum dahinter wird der Leichnam positioniert (ist somit geruchsneutral).
  3. Manchmal möchte ein Hinterbliebener den Leichnam berühren, um es zu realisieren & verarbeiten; dann wird ihm dies (sofern vertretbar!) ermöglicht und wir begleiten ihn auf die andere Seite der Scheibe. Auch wenn dieser Raum gut belüftet ist - der Tod hat nunmal seinen typischen Geruch…
  4. Leichname mit natürlicher Todesursache, werden schnellstmöglich dem beauftragten Bestattungsinstitut übergeben (sofern sie überhaupt im IRM landen). Geht es jedoch zB um Tötungsdelikte, bleibt nur die persönliche ID im Institut (sofern möglich, ansonsten wird via DNA und/oder Zahnstatus ermittelt). Auch wenn die Angehörigen den Verstorbenen im obengenannten Raum zu sehen bekommen - man befindet sich im IRM, die Türe zum Obduktionsraum geht auf & zu und somit ist man öfter mit dem typischen Geruch konfrontiert.
  5. Wie man es auch drehen & wenden mag - diese Örtlichkeit ist m.E. nichts für Kinder; im IRM werden die sterblichen Überreste zwar bei Bedarf/Notwendigkeit etwas „verschönert“, bzw die evt vorhandenen Blessuren (Kopf) bestmöglich unsichtbar gemacht, aber dies ist nicht vergleichbar mit dem, was ein Bestatter tut/tun kann.

Ich hoffe, dass Dir diese Infos dienlich sind.

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Prosber  16.01.2024, 21:23
@WARRIOREAGLE

Danke, ja. Hat mich echt interessiert, wie es dazu kam. Michael Tsokos ist der Leiter der Rechtsmedizin der charitè Berlin und Deutschlands bekanntester Rechtsmediziner (und Autor)

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WARRIOREAGLE  16.01.2024, 21:28
@Prosber

Danke ebenfalls für diese Info:

Einer unserer besten Rechtsmediziner kommt aus DE: Prof. Dr. Ch. Schyma (IRM Bern) - ein etwas spezieller, aber wirklich top Typ, den ich echt wertschätze👌🏻

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Heutzutage ist es so, dass die meisten Menschen nie in ihrem Leben eine Leiche sehen. Warum ein Kind auf etwas vorbereiten, was später potentiell nie notwendig sein wird?

Aufbahrungen im offenen Sarg sind aktuell sehr selten gewünscht und auch dann steht es jedem Erwachsenen frei, ob er an den Sarg tritt oder nicht.

Ich gehe soweit, zu behaupten, dass nur noch pflegerisch- medizinische Berufsgruppen und Bestatter in Kontakt mit toten Menschen kommen. Aber nicht Otto-Normal-Verbraucher.

Wenn ein naher Angehöriger verstirbt, so kann es für den Trauer- und Verabschiedungsprozess wichtig sein, diesen nochmals gesehen und angefasst zu haben. Für manche Menschen ist das so. Andere erleiden davon noch mehr Traumata. Deswegen muss auch jeder Mensch - auch Kinder - für sich selbst entscheiden, ob sie den Toten nochmal sehen wollen oder nicht. Für sehr junge Kinder müssen Eltern die Entscheidung treffen und das abschätzen können. Mein damals 2,5 Jähriger war mit mir beim Bestatter und hat die leiche seiner Schwester nochmal anfassen und anschauen dürfen. Also persönlich tendiere ich immer dazu, sich von Toten nochmals im toten Zustand zu verabschieden. Und für mein Kind war es sicherlich auch die richtige Entscheidung. Ich kenne aber auch genug andere, die davon heute noch Alpträume haben, weil sie als Kind die Leiche eines Angehörigen haben anschauen sollen/ müssen.

So früh wie möglich würde ich nicht sagen. Das Kind entscheiden lassen und auf jeden Fall da sein.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Ich arbeite als Trauerbegleiterin und bald als HPP.

Eine echte Leiche würde ich meinem Kind nicht sofort zeigen, aber wenn das Kind schon Sachen vertragen kann, dann hätte ich es auf ein Spiel aufmerksam gemacht oder sogar gezeigt wo es Leichen gibt.

Woher ich das weiß:Hobby

Nein WTF worauf vorbereiten