Sollte das Studieren abgeschafft werden?

19 Antworten

Nein auf keinen Fall.

Sowohl Studium als auch Ausbildung haben ihre Daseinsberechtigung und ihren Sinn und Zweck. Auch wenn leider viel zu vielen Menschen (Abiturienten) glauben gemacht wird ein Studium wäre das einzige erstrebenswerte Ziel.

Eine Ausbildung legt ihren Fokus auf das Lernen und die praktische Arbeit im Betrieb, wohingegen das Studium eher theoretische Schwerpunkte hat und besonders für Berufe geeignet ist, die ein hohes Maß an theoretischem und spezifischen Wissen erfordern, das nicht ohne Weiteres in der Praxis erlernt werden kann.

Ein Chemielaborant (Ausbildungsberuf) ist so z.B. deutlich besser für die praktische Arbeit im Labor geeignet und ist z.B. einem im Labor arbeitenden Chemie-Bachelor allein aufgrund seiner praktischen Fähigkeiten meilenweit überlegen.

Ein studierter Chemiker welcher z.B. wichtige Forschungsarbeit und Produktentwicklung durchführt und zu dessen Aufgaben z.B. das Überblicken von komplexen Vorgängen und das Ausarbeiten von Theorien zählt, ist in seiner Position ebenso oft einem Chemotechniker überlegen, dessen Steckenpferd eher die Praxis ist.

Beide Wege sind daher gleich wichtig und gleich wertvoll. Es handelt sich lediglich um andere Anwendungsgebiete.

Allerdings trifft deine Frage, These oder Forderung aber auch einen wichtigen Punkt. In einigen Studiengängen gibt es tatsächlich einen massiven Mangel an praktischer Ausbildung und ein zu hohes Übergewicht an Theorie. So z.B. im Lehramtsstudium. An diesen Stellen kann sich das Studium durchaus einige wichtige Aspekte von der betrieblichen Ausbildung abschauen.


Otaku19995  30.08.2021, 16:03
Auch wenn leider viel zu vielen Menschen (Abiturienten) glauben gemacht wird ein Studium wäre das einzige erstrebenswerte Ziel.

Ich habe da eher den gegenteiligen Eindruck.

Mein Großvater ist im Berufsleben Maurer gewesen, mein Vater ist Verwaltungsbeamter, ich stecke derzeit im Masterstudium.

Was mein Großvater handwerklich, auch heute im hohen Alter noch drauf hat, finde ich einfach toll, ich könnte das nicht. Und ich bin der letzte, der das in irgendeiner Form missachten oder darauf herab schauen würde. Der Mann kann vielleicht keine lateinischen Texte lesen und übersetzenist aber für jedes Umbau- Unternehmen, gleich welcher Art wesentlich besser geeignet und eine größere Hilfe, als ich das bin und solche Fähigkeiten werden selbstverständlich gebraucht.

Umgekehrt hat mein Großvater vor mir insofern Respekt, als dass ich einiges an Fremdsprachen drauf habe, was ihn, glaube ich etwas beeindruckt. Was aber alles andere angeht, kann der sich weder unter dem, was mein Vater da tut, noch unter dem, was ich lerne um das später mal anzuwenden irgendwas näheres vorstellen.

Das gleiche häbe ich häufiger bei Leuten festgestellt, die beruflich aus dem Handwerk kommen und bei nicht wenigen führt es zur Missachtung aller Tätigkeiten, bei denen nicht etwas ganz konkret greifbares herauskommt.

Soll kein Pauschalurteil sein, aber ich habe es häufiger erlebt.

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Cublin  30.08.2021, 16:26
@Otaku19995

Zunächst einmal hast du da sicher bis zu einem gewissen Grad Recht. Denn Ablehnung für einander trifft man ja leider nahezu überall. Und sicher gibt es auch teilweise eine große Ablehnung für das "Arbeiten ohne fassbares und konkretes Produkt". Irgendwo ist das Ganze meiner Ansicht nach aber sogar auch ein Stück weit verständlich, da diese Form der Arbeit ja auch durchaus ihre Probleme hat. Es gibt nicht wenige Arbeitnehmer die regelrecht darunter leiden sich morgens vor den Computer zu setzen und ihn abends abzuschalten ohne, dass die eigene Arbeit sichtbare und "erlebbare" materielle Erfolge hervorgebracht hat, sondern allenfalls dazu führt, dass ein Stapel Papier etwas kleiner wird, um es mal etwas plakativ auszudrücken.

Allerdings sehe ich auch durchaus eine ablehnende oder gar herabblickende gesellschaftliche Einstellung teilweise gegenüber dem Handwerk aber vor allem gegenüber Tätigkeiten bei denen man "Hand anlegen muss" und bei denen man sich für nichts "zu schade sein darf". Ich spreche da z.B. von Busfahrern, Putzkräften oder Pflegern. Menschen auf die wir massiv angewiesen sind, die aber gesellschaftlich nicht geachtet sind und bei denen sich diese Nicht-Achtung auch massiv auf dem Kontoauszug bemerkbar macht.

Doch tatsächlich sind diese Haltungen gegenüber einander gar nicht so sehr das, worauf ich mit meinem Satz hinaus wollte:

Auch wenn leider viel zu vielen Menschen (Abiturienten) glauben gemacht wird ein Studium wäre das einzige erstrebenswerte Ziel.

Denn es geht mir dabei v.a. darum, dass mein Eindruck ist, dass man jungen Menschen und v.a. Abiturienten die Ansicht vermittelt ein Abitur (das für viele Ausbildungen mittlerweile leider vorrausgesetzt wird oder praktisch notwendig ist) nur zu einem Studium führen sollte und müsse und dass man seine Möglichkeiten nicht nutzen würde, wenn man sich nach dem Abi dazu entschließt eine Berufsausbildung zu machen.

Nach meinem Eindruck wird der Weg einer Berufsausbildung nach dem Abi einfach zu wenig thematisiert und als etwas dem Studium Unterlegenes dargestellt, dem es nicht lohnt nachzugehen und das zu einer schlechteren persönlichen Zukunft führt.

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Otaku19995  30.08.2021, 16:52
@Cublin
Allerdings sehe ich auch durchaus eine ablehnende oder gar herabblickende gesellschaftliche Einstellung teilweise gegenüber dem Handwerk aber vor allem gegenüber Tätigkeiten bei denen man "Hand anlegen muss" und bei denen man sich für nichts "zu schade sein darf"

Da steckt aber auch so ein bisschen das Vorurteil drinn, dass man wenn man irgendwas studiert hat, das getan habe um sich vor körperlicher Arbeit zu drücken.

Ich habe im Bachelor Geschichte und Archöologie erfolgreich studiert, wobei Archäologie, dann natürlich mit Praktischem verbunden ist.

Das hieß bei einer Konkreten Grabung, an der ich im März-April 2019 teilgenommen haben z.B.:

1,5 Monate lang, reichlich Erdreich etc. abtragen, Drainagen ziehen, Schleppen, Schleppen, Schleppen, das ganze (fand im Siegerland statt, wo im März die Temperaturen noch reichlich niedrig sind), bei mitunter Temperaturen unter dem Grfrierpunkt, in einer Woche ist uns so viel Schnee runter gekommen, dass unter dem Gewicht das Schuzzelt über der Grabungsfläche zusammengekracht ist, und mitunter im strömenden Regen.

Übrigens mit irgendwelchen warmen, gepolsterten Betten, nach der Arbeit war das nichts, sondern man hat unsere Truppe in einem Bau untergebracht, der bis auf nen Tisch, ein paar Stühle und rudimentär funktionirende Elektrizität (für die technischen Arbeiten in der Nachbereitung) und nem Herd, der dann dann wenigstens ein warmes Abendessen hergab, mehr oder minder leer war, weil eigentlich zum Abriss freigegeben.

Solchnen Kram habe ich aus freien Stücken mitgemacht und weiß, dass das mitunter sehr unangenehm ist.

Genau so, habe ich in meinem Leben bei diversen Bau- und Umbau-Maßnahmen auch schon als Handlanger mitgweirkt (für mehr taugte es ja nicht). Ich weiß, verdammt nochmal, was körperliches Arbeiten ist und wie gesagt, gerade aus diesem Grunde schätze ich es nicht gering.

Denn es geht mir dabei v.a. darum, dass mein Eindruck ist, dass man jungen Menschen und v.a. Abiturienten die Ansicht vermittelt ein Abitur (das für viele Ausbildungen mittlerweile leider vorrausgesetzt wird oder praktisch notwendig ist) nur zu einem Studium führen sollte und müsse und dass man seine Möglichkeiten nicht nutzen würde, wenn man sich nach dem Abi dazu entschließt eine Berufsausbildung zu machen.

Das hängt ganz davon ab. Ich kann nur sagen, dass ich persönlich nie den Eindruck hatte, dass man sowas von mir erwartete.

Das ich mich für das Studium entschieden habe, war meinerseits eher eine Art Flucht.

Einfach deswegen, weil ich ein eher introvertierter Typ bin, zwei linke Hände habe, was Handwerkliches betrifft, sofern nicht Grobarbeiten und obendrein noch (leichter)Legastheniker bin, sprich für die meisten Bürotätigkeiten wahrscheinlich auch eher unpassende Voraussetzungen mitbringe.

Also habe ich mich in etwas geflüchtet, wo man andere Talente braucht, die ich habe und um derer Willen man bereit ist, über meine Defizite hinweg zu sehen.

Und seitdem ich das getan habe und studire, wird mir von gewisser Seite, wo man meine Lebensumstände nicht so gut kennt, vorgehalten, ich würde mich wohl für was besseres halten und tatsächliche Arbeit scheuen.

Stößt mir reichlich sauer auf, zumal ich persönlich immer sehr darum bemüht war, zumal ich auch weiß, woher meine Familie kommt und was noch mein Großvater gemacht hat, nicht denn Eindruck zu vermitteln, ich würde irgendwie von Oben auf andere herabschauen, zumal ich das nicht getan habe.

Ich weiß, dass ich genau wie jeder andere am Ende ein kleines Zahnrad in der gesellschaftlichen Maschinerie sein werde und Arbeiten erledigen werde, auf die die meisten Leute in ihrem Leben wahrscheinlich sehr viel weniger angewiesen sein werden, als auf die anderer Leute.

Wer wäre ich also mich aufzuspielen?

Ich erkenne handwerklichen Tätigkeiten und Ausbildungsberufen durchaus nicht ihren Wert ab, nehme ich ihre Arbeitsprodukte doch selbst tagtäglich in Anspruch.

Ich habe auch niemanden in meinem Bekanntenkreis, der das tut. Natürlich habe ich an der Uni ein paar solcher Figuren kennen gelernt, die das tun und die sich einbilden, die Tatsache ihres Studium würde sie quasi in den Adelsstand erheben. Das sind aber ein paar, ich möchte sagen, unreife Gestalten, mit denen ich den Umgang meide und jede vernünftige, reifere Persönlichkeit auch.

Umgekehrt, sehe ich persönlich weniger, dass das gewürdigt wird. Gut, einen Großteil der Arbeit sieht man nicht. Beim Meinem Vater, der mit Gesetzen und Akten hantiert, deren Inhalte überhaupt niemand sehen darf, weil sie dem Datenschutz unterliegen noch viel weniger.

Da kann ich nachvollziehen, dass man mit diesen Tätigkeiten auf den ersten Blick erstman weniger anfangen kann. Aber man könnte sich diese Arbeiten und ihren Sinn erklären lassen und zu versuchen zu verstehen. Und genau den Willen dazu, den sehe ich bei vielen nicht. Die sehen, übeerspitzt: Da kommt kein Haus oder Auto oder kein Möbel bei raus, also ist es nichts wert.

Und das geht mir ehrlich gesagt auf den Nerv und ich möchte es nich nich noch hofieren.

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Irgendwas hast du da nicht verstanden- ein Studium ist auch nicht dafür da um praktisches Wissen zu erlangen, deswegen ist es aber kein Blödsinn. Auch praktische Arbeiten / Grundlagen basieren oftmals auf wissenschaftlichen Erkenntnissen. So lernt z.B. ein Baufachmann wie man eine Brücke baut aber ganz gewiss nicht wie man diese plant oder konstruiert. Er könnte also ohne den studierten Bauingenieur überhaupt keine Brücke bauen, entsprechend sind also die theoretischen Ausbildungen genau so wichtig wie die praktischen.


1n9d9c4  30.08.2021, 15:12

Die Idee ist, glaube ich, bei deinem Beispiel auch den Bauingenieur als Ausbildung zuzulassen. Dann lernt man im Betrieb direkt von den schon vorhandenen Bauingenieuren und den theoretischen Teil gibt es in der Berufsschule.

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Otaku19995  30.08.2021, 15:32
@1n9d9c4
Die Idee ist, glaube ich, bei deinem Beispiel auch den Bauingenieur als Ausbildung zuzulassen. Dann lernt man im Betrieb direkt von den schon vorhandenen Bauingenieuren und den theoretischen Teil gibt es in der Berufsschule.

Das Problem ist nur, dass das an der Wirklichkeit vorbei geht.

Zum einen, bräuchte man einen Bauingenieur um einen weiteren anzulernen. Das würde erhebliche Verknappung bedeuten, denn an der Uni im Rahmen von Vorlesungen, Seminaren und Prüfungen kommt man mit einer Hand voll Lehrpersonal für ein paar 100 Studierende aus.

Darüber hinaus hat es den Vorzug, dass die Studierenden mit Experten aus sehr verschiedenden Fachbereichen zu tun haben und dementsprechend auch Einblick in sehr verschiedene Arbeitsbereiche bekommen, die ein sehr unterschiedliches Methodenset voraussetzen.

Auch ohne mich im Bauingenieurwesen besonderss gut auszukennen, liegt es auf der Hand, dass die Erstellung von Konstruktionsplänen für ein Wohn-ung Geschäftsgebäude in einer Innenstadt, die Konstruktion einer Brücke über einen Fluss in einer Gegend mit wechselhaften Windverhältnissen, die Konstruktion eines Wolkenkratzers oder die eines Hochofens, vollkommen verschiedene Dinge sind, die vollkommen verschiedene Spezialkenntnisse voraussetzen.

Würde man jemanden einfach an eine Firma X drann hängen, die sich darauf spezialisiert hat, Wohnblocks in einer Innenstadt zu entwerfen und zu bauen und diese Person dabei "angelernt" würde, würde sie eben genau das lernen.

Mit dem Ergebnis, dass sie vollkommen nutzlos und überfordert wäre, wenn man ihr auftragen würde, sie solle sich mit dem Architekten Y zusammensetzen und mal durchkalkulieren, ob dessen Entwurf für die Brücke Z sinnvoll umsetzbar ist oder ob das angepasst oder völlig neu kalkuliert werden muss. Woher sollte er Ahnung vom Brückenbau haben?

Nein, die Univerität in ihrer Funktion als Stätte für die Zentralisierung von Wissen und Bildung und der Aufgabe nicht nur eine Spezifische Tätigkeit zu entwickeln, sondern die Grundlage zu legen um darauf je nach Bedarf, sehr verschiedene Fähigkeiten zu entwickeln, ist das konzeptionell schon sinnvoller, als jedem Berufszweig Handwerkerausbildungen überstülpen zu wollen.

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Avicenna89  30.08.2021, 16:05
@1n9d9c4

Nennt sich dann "duales Studium". Die theoretischen Bestandteile eines (Bau-)ingenieurs sind bspw. in der Mathematik und der Baustatik auf naturwissenschaftlichem Niveau, befähigen ihn also in diesen Bereichen auch zur Grundlagenforschung. Dementsprechend ist der Mindeststandard für diese Berufsbezeichnung ein wissenschaftliches Studium. Es wäre erstrebenswert, wenn Unternehmen sich während des Studiums im Rahmen von Praktika oder im dualen Studium in Praxisphasen um die berufsnahe Ausbildung kümmern würden, aber grundsätzlich darf davon der wissenschaftliche Anspruch nicht angetastet werden.

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Hallo HiddenWeasel,

das Studieren sollte auf keinen Fall komplett abgeschafft werden.

Das theoretische Knowhow wird immer gebraucht werden! Dennoch ist an der Aussage etwas dran, dass man mit Studierten in der Arbeitswelt (meist) erstmal wenig anfangen kann. Sie haben viele Jahre ohne Berufserfahrung- und Praxis verbracht.

Das haben wir bei uns im Unternehmen auch immer mal wieder. Da wird eine studierte Fachkraft für viel Geld eingekauft, die eine Arbeitsleistung (selbst nach 6 Monaten) erbringt wie ein Azubi im 2. Lehrjahr.

Die künftige Regierung sollte den Fokus wieder darauf legen, dass sich mehr junge Menschen für eine duale Ausbildung entscheiden. Denn dort herrscht mittlerweile ein Arbeitnehmermarkt. Bedeutet, dass die Ausbildungsunternhemen sich präsentieren müssen und die angehenden Auszubildenden die Entscheidungsmacht besitzen.

Bei uns in der Nähe bezahlen mittlerweile einige Firmen potenziellen Auszubildenden den Führerschein und stellen ein Firmenfahrzeug zur Verfügung! So umkämpft ist dieser Markt mittlerweile.

emesvau

Woher ich das weiß:Berufserfahrung

Als Student muss ich dem widersprechen. Das, was wir zu lernen haben, würde sich niemand in einer Ausbildung antun. Es braucht auch in gewissem Maße Theoretiker. Als Maschinenbaustudent bin ich ja hier quasi direkt angesprochen und ich muss sagen, dass die Praktiker von der Arbeit der Theoretiker nicht wirklich was mitbekommen. Viele Dinge sind einfach komplizierter, als man sich das so vorstellt. Man muss einfach akzeptieren, dass es nicht ohne den jeweils anderen funktioniert. Man sollte meiner Meinung nach mehr für einen Austausch zwischen diesen beiden Gruppen sorgen, damit sie sich gegenseitig mehr wertschätzen. Es benötigt Einblicke in den Arbeitsalltag des anderen, um ihn verstehen zu können.

nein

da man damit auch die Forschung und den Nachwuchs dafür abschaffen würde

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Life - Elite University of the Universe [L-EUotU]