Definieren wir doch erstmal, was "Risiko" überhaupt ist:
Ein hohes Risiko besteht also, wenn bei einem Unfall entweder das Schadensausmaß groß ist oder die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Unfalls sehr hoch ist. Oder beides. In der Geschichte der Atomkraft gab es bereits mehrere Unfälle, in denen das Schadensausmaß sehr groß war, was also mit einem hohen Risiko einhergeht.
Die Anzahl der Vorfälle mit vergleichsweise hohem Schadensausmaß (bspw. INAS 4 und höher), also die Eintrittswahrscheinlichkeit hat sich in den letzten Jahrzehnten allerdings verringert, das kann man der Kernkraft zugutehalten. Nichtsdestotrotz wurden auch im Angriffskrieg, den Russland gegen die Ukraine führt, Atomkraftwerke zeitweise zu militärischen Zielen und Instrumenten. So ganz ohne ist das nicht.
Hinzu kommt das fast als sicher geltende Risiko, das von endgelagertem Atommüll ausgeht. Ausgediente Brennstäbe strahlen tausende von Jahren nach. In solchen Zeiträumen zu planen ist für unsere Zivilisation fast nicht möglich. Wie soll also sichergestellt werden (die Eintrittswahrscheinlichkeit auf ein akzeptables Maß reduziert werden), dass die Endlagerung von Atommüll keinen Schaden verursacht?
Wenn man diese Punkte berücksichtigt und mit anderen Technologien der Energieversorgung vergleicht, muss man zwangsläufig feststellen, dass die Atomkraft eine Technologie mit vergleichsweise hohen Risiken ist.
Kommen wir also zu den anderen Fragen:
ad 3.: Andere Hochrisikotechnologien wären zum Beispiel Talsperren. Auch hier gab es in der Vergangenheit verheerende Unfälle und man kann mit Blick auf die Alpen, in denen aufgrund des anthropogenen Klimawandels derzeit die Permafrostgrenze relativ schnell nach oben steigt, auch mit einer rapide steigenden Wahrscheinlichkeit für Felsstürze in diese Staudämme hinein rechnen. Man könnte jetzt auch andere Technologiebereiche betrachten, denken wir mal an den Verkehrssektor, wo der Gebrauch des Automobils einen Großteil der Verkehrstoten verursacht, während öffentliche Verkehrsmittel und Fahrräder für vergleisweise wenig Schadensausmaß verantwortlich sind. Selbst im Lebensmittelbereich könnte man sagen, dass die Erfindung von Soft Drinks (von Alkohol will ich im Zusammenhang mit "Lebensmitteln" gar nicht erst reden) und Convenience Food im Vergleich zu anderen Lebensmitteltechnologien mit erhöhten Risiken für die Gesundheit einhergeht. "Hochrisiko" muss also immer im Vergleich zu den Alternativen gesehen werden.
ad 4.: Da wir jetzt festgestellt haben, dass "Hochrisiko" immer relativ zu betrachten ist, müssen wir auch schlussfolgern, dass Hochrisikotechnologien sich grundsätzlich nicht verbieten. Entscheidet man sich dafür, eine Technologie mit sehr hohem Risiko nicht mehr zu verwenden, verschieben sich die Verhältnisse der verbleibenden Technologien und es wird zwangsläufig eine neue Technologie den Spitzenplatz in Puncto Risiko einnehmen. Wir setzen uns permanent Risiken aus und man muss eben immer abwägen, welche Risiken man bereit ist auf sich zu nehmen, um bestimmte Ziele zu erreichen. Es gehen ja auch viele Leute in den Bergen wandern und die Landschaft genießen, obwohl das Risiko, dort umzukommen ungleich höher ist als zu Hause auf dem Sofa.