Sohn mit Borderline?
Wer hat einen Sohn, der Borderliner ist und kann mir speziell über die Probleme von und mit männlichen Betroffenen berichten? Besonders auch, was man als Familie tun kann/muss oder eben auch nicht, um miteinander gut auszukommen. Was gestaltet sich häufig in Ausbildung und Beruf schwierig? Wo sind die größten Fallstricke, als Betroffener und auch als Angehöriger? Kann ein Ortswechsel Besserung bewirken, zB von der Stadt aufs Land ziehen, wo mehr Ruhe herrscht?
1 Antwort
Hey,
Wie Alt ist dein Sohn denn? Schonmal vorab jeder Betroffene ist anders, aber ich versuche es hier trotzdem zu erklären.
Ich habe kein Sohn damit sondern bin selber ein Männlicher Betroffener. Ich habe eine Kombinierte Persönlichkeitsstörungen mit 4 und fast 5 Diagnostizierten Persönlichkeitsstörung eine davon ist die BPS (Borderline Persönlichkeitsstörung).
Ich gehe am anfang auf deine Oben genannten fragen ein, und unten nochmal auf die einzelenen Diagnose Kriterien ein, daher kann sich vieles wiederholen ;D. Dazu ist das hier ziemlich lang, hoffe du kannst dir die Zeit nehmen.
Besonders auch, was man als Familie tun kann/muss oder eben auch nicht, um miteinander gut auszukommen.
Hier könnte ich dir einmal das Buch "Ich hasse dich | Verlass mich nicht: Jerold J. Kreisman, Hal Straus" Empfehlen hier wird die Störung sehr Gut aufgefasst, dazu gibt es hier Hilfen zum Umgang mit den Einzelnen Symptomen und an sich Hilfe für Angehörige wie Familie und Partner.
Am besten ist meistens immer ruhig bleiben, eine starke Reaktion des Umfelds kann die Symptome verstärken, da Betroffene öfter Probleme damit haben das sie sich abgelehnt und nicht geliebt fühlen. Dies kann man schon bisschen besser vorbeugen indem man ruhig bleibt (ich weiß es kann nicht immer klappen, aber der Wille zählt). Wenn ich Streit mit meinem Bruder hatte und im Zimmer gegen die Wand geschlagen mit Fäusten und dem Kopf, rief er aus der Küche immer wieder "Stärker" "Nochmal", was die Situation nicht verbessert hat. Meine Mutter hat genauso immer nicht aufgehört und hat auch immer Kommentare abgegeben, und es gibt einem nur noch mehr das Gefühl das mich niemand mag.
Was gestaltet sich häufig in Ausbildung und Beruf schwierig?
Ausbildung, Beruf sowie Schule kann mit der BPS in mitleidengeschaft gezogen werden, da Betroffone Probleme mit einem Fehlenden Ich haben, heißt sie wissen nicht was ihnen Spaß macht. Ihre Interessen können Situationsbasiert wechseln. Da sie oft die Persönlichkeit ihres gegenüber Spiegeln und sich ihnen Anpassen, es kann da also wirken als würden sie ihr gegenüber (meist sind es Partner oder Freunde) kopieren. Ich hatte damals einen besten Freund in der Ukraine er hieß Vova, aber es gab dann nicht nur diesen Vova in der Ukraine sondern auch zuhause, ich hatte seine Ziele, seine Hobbies, seinen Humor und sein Verhalten.
Und es kann in so fern Probleme machen, dass Betroffene aus diesem Grund ihre Interessen wechseln also auch ihren Beruf. Betroffene haben dazu probleme ihre Emotionen zu Kontrollieren was zu Problemen mit dem Chef und Arbeitskollegen führen kann, obwohl man sogar sagt in einem Unterstützenden Setting auf der Arbeit funktionieren Borderliner sogar recht gut. Ihr Impulsives Verhalten kann zu den schwierigkeiten dazu steuern, sie können also schnell ziemlich ausfallend werden und beleidigen. Es kann auch vorkommen das sie nach einem Streit den alten Zustand nicht wieder herstellen können und aus diesem Grund die Firma wechseln.
Wo sind die größten Fallstricke, als Betroffener und auch als Angehöriger?
Sowas versuche ich unten bei den Symptomen zu beschreiben.
Kann ein Ortswechsel Besserung bewirken, zB von der Stadt aufs Land ziehen, wo mehr Ruhe herrscht?
Das kommt stark auf die Person drauf an, meistens hilft dem Betroffenen ein stabiles umfeld zu haben, und dies ist ja in der Stadt und auf dem Land möglich.
Die Borderline Persönlichkeitsstörung (emotional Instabile Persönlichkeitsstörung: Borderline Typ) ist eine Persönlichkeitsstörung die durch Instabilität von Stimmungen und Emotionen, der Identität und im zwischenmenschlichen, dazu gibt es eine starke Impulsivität.
Hier mal eine kurze Erklärung für die Einzelnen Diagnose Kriterien (die habe ich schon öfters zusammengefasst aber Addiere passend zu jeder Frage etwas):
- F60.3 Emotional Instabiele Persönlichkeitsstörung
- F60.30 Impulsiver Typ: Zwei Erscheinungsformen können unterschieden werden: Ein impulsiver Typus, vorwiegend gekennzeichnet durch emotionale Instabilität und mangelnde Impulskontrolle
- F60.31 Borderline Typ: und ein Borderline- Typus, zusätzlich gekennzeichnet durch Störungen des Selbstbildes, der Ziele und der inneren Präferenzen, durch ein chronisches Gefühl von Leere, durch intensive, aber unbeständige Beziehungen und eine Neigung zu selbstdestruktivem Verhalten mit parasuizidalen Handlungen und Suizidversuchen. Hier zu sind untenmal die Diagnose Kriterien. https://www.icd-code.de/icd/code/F60.-.html
- Verzweifelte Bemühungen zu vermeiden verlassen zu werden (tatsächliche oder vermeintliche): Hier kann nur ein kleiner gedanke ausreichen. Und wenn andere komisch reagieren führt dies zu einem Gefühl von Ablehnung, was zu starken reaktionen aufgrund von Verlustangst führt. Bei Personen mit einer BPS führt diese Angst zu starken reaktionen und bringt sie in eine schwere Depression. Außerdem berichten viele Betroffene davon das diese Angst sie auch Psychosomatisch beeinträchtigt. Diese Angst führt bei mir, auch zu starken Dissoziativen Symptomen (nicht mehr ansprechbar, nehme nichts mehr war, und reagiere fasst auf nichts). Hier kann es wie überall auch sehr schwer für die Partner werden, da sie sehr klammern können und sehr viel Aufmerksamkeit bekommen.
- Instabile, intensive Beziehungen, die zwischen Idealisierung und Abwertung der anderen Person wechseln: Hier ist die Spaltung gemeint, ein Frühkindlicher Abwehrmechanismus, hierbei Spaltet die Person deren Umwelt und sich selbst. Ähnlich wie ein Kind was zum beispiel: Die Mutter nach einem Eis fragt und die Mutter gibt dem Kind ein Eis, das Kind Idealisiert die Mutter (du bist die Beste). Eine Stunde später will dieses Kind wieder ein Eis, nur dieses mal verneint die Mutter, dann wird die Mutter Entwertet, da das Kind es komplett aus dem Kopf streicht, dass es schon ein Eis bekommen hat (du bist scheiße, ich hasse dich). Früh ist dies Normal, aber wenn das Kind Älter wird lernt es das jemand Gut und auch Schlechte eigentschaften haben kann. Bei einer Traumatisierenden Kindheit ist dies meistens nicht der Fall. Hierbei liebt er seinen Partner und kann in schnellen abständen zum Hassen wechseln. Dies kann für jede Person äußerst schwer sein, da man von einem Lieblingsmensch schnell zur Hassfigur wechseln kann. Ein Tipp wäre nicht auf den Zug aufspringen und dem Betroffenen zusagen, was man scheiße findet aber das man sie noch liebt. Wenn jemand genervt reagiert, verstärkt es das Symptom nur. Daher auch der Titel des Buches "Ich hasse dich, verlass mich nicht", da es bei mir auch schon zu der Situation kam das ich zu meiner Freundin gesagt habe das sie gehen soll, aber als es irgendwie dazu kam ich Angst bekomme.
- Ein instabiles Selbstbild oder Selbstwertgefühl: Hiermit meint man, dass die Person keine Ahnung von sich selbst hat (wer bin ich, was mag ich, wer will ich sein, was sind meine Interessen?) dieses wechselt, meist Situationsbasiert. Das Ich wird hier meist nicht normal wahrgenommen sondern als Vorübergehende Eigendschaft, zum beispiel kann ein Borderliner sich sehr schlau fühlen nach einem Guten IQ-Test, macht er aber einen Fehler oder sieht einen schlaueren, Empfindet sich die Person wieder als Dumm. Hier könnte man z.B dazu anregen Sachen zu Unternehmen und neue Sachen auszuprobieren, aber es kann dauern bis es durchgeführt wird.
- Impulsivität in ≥ 2 Bereichen, die ihnen schaden könnte (z. B. ungeschützter Sex, Binge-eating, rücksichtsloses Fahren): Bei Anspannung kommt es meist zu Selbstzerstörerischen Verhalten, was auf lange Zeit schädigt. Zum beispiel kann ein Betroffener bei einem Streit mit dem Partner auf dem Rückweg nach Hause auf der Autobahn Rasen was zu Potenziel gefährlichen Situation kommen kann. (Beispiel bei mir: ich Streite mich mit meiner Partnerin, Trinke daraufhin viel Alkohol und mische den Hohen Konsum noch mit großen Mengen an Schlaftabletten, was gerne dazu führt das man mich nicht Wachbekommt.) Dazu sieht man bei betroffenen häufiger eine Promiskuität, heißt häufig wechselnde Partner oder Sexuelle Kontakte was oft mit Ungeschützten Sex einhergeht, aufgrund der Impulsivität kann es auch zu Fremdgehen kommen.
- Wiederholtes suizidales Verhalten und/oder Handlungen oder Drohungen oder Selbstverstümmelung: Hierzu zählen wiederholte Suizidversuche, Suizidandrohungen "Wenn du mich verlässt dann bring ich mich um", Suizidandeutungen und Selbstverletzung. Selbstverletzung steht oft in Verbindung mit der BPS (ABER nicht jeder der sich selbstverletzt ist Borderliner, und nicht jeder Borderliner Verletzt sich selbst). Hier hilft es oft, Potenziel gefährliche Gegenstände zu entfernen, wie Rasierklingen, Tabletten usw. Dazu sollte man wie meine Therapeutin meinte "man sollte erstrecht bei der BPS es ernst nehmen, da es aufgrund von der Impulsivität schnell zur Umsetzung kommen kann).
- Schnelle Veränderungen in der Stimmung, dauern in der Regel nur wenige Stunden und nur selten mehr als ein paar Tage: Hier wechselt die Person schnell zwischen Wut, Angst, Leere, Freude und anderen Emotionen. Diese sind äußerst reaktive von der Umwelt, somit können einen kleinigkeiten zu starken Stimmungswechseln führen, z.B Von Freude zu Wut, oder Umgekehrt.
- Anhaltendes Gefühl der Leere: Dieses Symptom wird oft als Quälend beschrieben. Obwohl hier jeder das Gefühl anders wahrnimmt. Hierbei werden auch die meisten Suizidversuche gemacht. Man bringt die Leere mit fehlenden Bezugspersonen in Verbindung, da der Betroffene ohne eine Person die er mag, sich oft nicht Existent fühlt (Aufgrund des Fehlenden Ichs)
- Unpassend intensiver Ärger oder Probleme, die Wut zu steuern: Ist glaube selbsterklärend, die Person kann Stunden oder Tagelang extreme Wut aufweisen. Dazu kommt es oft zu Verbalen ausbrüchen sowie, wiederholten Körperlichen auseinandersetzungen. Hier ist ruhig bleiben ein Guter Tipp, und versucht es nicht auf euch zu beziehen. Man kann auch versuche ihn zu beruhigen, da der Betroffene es oft nicht selbst gelernt hat.
- Temporäre paranoide Gedanken oder schwere dissoziative Symptome, ausgelöst durch Stress ausgelöst: Hier kommt es unter Extremen Stess, zu einer sogannten mini-Psychose, wo es zu Paranoiden Vorstellungen kommt. Zum beispiel kann man denken Leute schauen einen an und wollen einen was antuen. Dazu kommt es zu Misstrauen zu manchen Personen (ich hatte Stress mit meiner Partnerin bin ihr gegenüber Paranoid geworden, aber auch gegenüber Ihrer Schwester, Mutter, und jeglichen Freunden). Dazu kann es auch zu Halluzinationen kommen, wie Schatten Gestalten usw. Die sind meist nicht langanhaltend. Hier hilfen meist Skills, die einen Zurückholen. Wie Ammoniakampullen, kurz vor die Nase halten und die Person ist wieder da.
Also es kann natürlich auch fehler beinhalten, da es aus Recherche und eigener Erfahrung zusammengestellt ist.
Ich wurde immer so beschrieben "du kannst richtig cool und Nett sein, aber dann aus dem nichts bis du der größte H*****ohn"
Dazu hat Borderline auch eine Neurologische Herkunft:
Bei Borderlinern ist die Amygdala verkleinert und Hyperaktiv:
"Die Amygdala ist an der Entstehung von emotionalen Reaktionen, vor allem motorischen Abläufen, sowie der Speicherung von Gedächtnisinhalten beteiligt."
Quelle: https://www.kenhub.com/de/library/anatomie/amygdala
Hier werden Traumatische Erfahrungen Verarbeitet, und bei einem Borderliner ist diese bei Ablehnung (was zu Angst vor dem Verlassenwerden führt) Hyperaktiv. Dies konnte man auch bei einem Scan von Kopf messen.
"Zudem wurde belegt, dass bei Borderline-Patienten – ebenso wie bei Patienten mit anderen Persönlichkeitsstörungen – die Aktivität des serotonergen Systems vermindert ist, das cholinerge System sowie die hypothalamisch-hypophysiäre Stressachse empfindlicher reagiert."
Quelle: https://www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org/psychiatrie-psychosomatik-psychotherapie/stoerungen-erkrankungen/borderline-stoerung/ursachen/
Aber ihr Sohn muss sich auf in Therapie begeben, da es allein nur so nicht wirklich besser wird.
LG
Nicht dafür! Falls dir noch fragen einfallen kannst gerne immer fragen!
Welche Symptome sind noch neu dazu aufgetreten? Wie Alt ist ihr Sohn denn, hat der die Diagnose der BPS schon, oder auf Verdacht?
Das mit dem Sacken lassen kann ich mir vorstellen.
Aber es gibt natürlich auch Positive Seiten an der BPS, also sollte man es nicht nur verteufeln obwohl es eine schwere Persönlichkeitsstörung und oft mehr zu problemen führt.
LG
Vielen lieben Dank für diese tolle, ausführliche Antwort und dass du dir die Zeit dafür genommen hast!
Das mit dem Nachahmen und Kopieren von Verhaltensweisen ist mir schon länger aufgefallen, aber ich hatte es auf die Pubertät und Selbstfindung geschoben. Leider sind nun diverse andere Symptome aufgetreten, ich habe teilweise das Gefühl, da sitzt ein Fremder mir gegenüber. Ich muss dass erstmal sacken lassen und mir dann überlegen, wie ich ihn von der Notwendigkeit professioneller Hilfe überzeugen kann. Einsicht ist momentan eher nur in Spuren vorhanden.
Das von dir empfohlene Buch werde ich besorgen, Danke.