Kann Borderline ohne Trauma entstehen?

14 Antworten

Ja das kann durchaus sein. Borderline ist nicht ausschließlich unter psychosozialem Aspekt als eine Traumafolgestörung im Ansatz zu erklären.

Traumata führen nicht zwangsläufig zu einer BPS und eine BPS kommt nicht zwangsläufig nur bei traumatisierten PatientInnen vor.

Eine Boderlinestörung ist eine Traumafolgestörung. Wenn, dann hast du dich so dissoziiert bzw. die Ereignisse verdrängt, so dass du dich nicht mehr daran erinnern kannst. Ein Trauma ist übrigens auch, wenn die Mutter ihr Baby stundenlang schreien lässt, weil sie glaubte, so die Lungen zu stärken. Das ist absoluter Blödsinn und bei einer gewissen Verletzbarkeit ausreichend, eine Borderlinestörung zu entwickeln. Aber merke dir eins - und das gilt für alle Krankheiten auf dieser Welt: Von nichts kommt nichts.

Es kann auch schon durch vorgeburtlicher Traumatisierung entstehen oder in den ersten Lebensjahren, wo du noch keine Erinnerungen hast. Es reicht, wenn die Mutter der Meinung war, schreien stärkt die Lungen. Für ein Baby sind Hunger und Durst eine lebensbedrohliche Situation. Wenn es stundenlang nicht versorgt wird, kann so eine Störung entstehen..

Eine vorgeburtliche Traumatisierung wäre, wenn die Mutter das Kind (zunächst) abgelehnt hat oder sonst wie unter psychischen Stress stand.

Oder das Erlebte war so schrecklich, dass man es abgespalten und absolut keinen bewussten Zugang mehr hat.

Wenn dann noch eine genetische Disposition hinzu kommt, kann man durchaus Boderline haben ohne Erinnerung an traumatische Erlebnisse.


Alexajlin  22.10.2020, 06:08

Darüber habe ich mir auch schon Gedanken gemacht, ob die BPS auch so entstehen kann. Das Schlimme ist aber, das genau das von dir Beschriebene, eine alte Methode aus der Nazizeit war, in der es noch hieß, man solle den Nachwuchs "stark für das Vaterland" machen. Emotionale Nähe war somit Fehlanzeige. Der Säugling wurde im Stubenwagen liegen gelassen & er wurde oftmals nur gefüttert oder die Stoffwindeln wurden gewechselt. Körperliche Nähe, emotionale Bindung, Empathie etc. waren nebensächlich... Das hätte die Babies eventuell "zu weich" gemacht.

Da diese Abstrusität von Kindererziehung allerdings gerade im dt. Reich sehr verbreitet war, frage ich mich, ob "unsere" dt. Vorfahren nicht auch irgendwie Probleme in Sachen Bindung etc. haben könnten & dies auch an die nachfolgenden Generationen weitergegeben haben könnten... ?

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Bluesky1974  22.10.2020, 06:35
@Alexajlin

Das war auch der Erziehungsstil der 60er, also der Nachkriegszeit. Außerdem hatte ich vor 10 Jahren eine Arbeitskollegin. Sie stammte aus Osteuropa und sie erzählte entsetzt, dass die Frauen in ihrer Familie ihre Babys haben stundenlang schreien lassen und sie fand das "assi". Auch mit ihr hat man es so gemacht. Die war damals vor 10 Jahren Anfang 20. Also hat es vor ca. 30 Jahren immer noch Eltern gegeben, die das so gemacht haben.

Außerdem lässt sich diese Art, Babys so zu behandeln, auch mit Depressionen der Mutter und Überforderung erklären und nicht nur als gezielt eingesetzten Erziehungsstil.

Natürlich hast du bei deinem letzten Absatz recht. Wenn du selbst gestört bist, wirst du dich auch deinen Kindern gegenüber gestört verhalten, usw....

Ich bin zwar nicht sonderlich bibelfest, aber dort steht was von einem Fluch bis ins 4. Glied geschrieben. Hier geht es nicht im die Strafe Gottes, sondern um die Weitergabe von Traumatas bis zur 4. Generation.

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Bluesky1974  22.10.2020, 20:43
@Bluesky1974

Man kann unter Hypnose rausfinden, ob und welche Traumatisierungen stattgefunden haben, auch im Mutterleib. Leider ist das aber keine Kassenleistung.

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Jein. Es reicht, wenn man ein Baby stundenlang schreien lässt, weil man meint, damit die Lungen zu stärken. Das ist für ein Baby bereits ein Trauma, weil es Todesangst hat.

Es kann aber auch sein, dass du das Traum dissoiziert, also abgespalten hast und dicht nicht mehr daran erinnern kannst.

Evtl. könnte man durch Hypnose es wieder hervorrufen. Das wird zwar sehr schlimm werden, jedoch hättest du dann eine Chance, die Borderlinestörung in den Griff zu bekommen. Aber am besten ist, du fragst einen Arzt.

Das ist eine interessante und vielleicht auch schwer zu beantwortende Frage, daher versuche ich mich eher mal vorzutasten, statt apodiktische Aussagen zu treffen.

Der renommierte Hirnforscher Gerhard Roth schreibt in seinem Buch "wie das Gehirn die Seele macht", dass mindestens 40% aller Borderliner erblich vorbelastet sind, also eine entsprechende genetische Disposition vorliegt. Frühkindliche Traumen bezieht er natürlich ein. Es wird also wohl so sein, dass der allergrößter Teil der Borderliner eben doch traumatisiert sind, selbst wenn ihnen das garnicht bekannt ist. Dabei muß noch nicht mal ein großes Trauma vonstatten gegangen sein, es können auch zahlreiche sogenannte Mikrotraumen in großer Anzahl den Ausschlag gegeben haben. Irgendwann summieren die sich halt, bzw. sie können , aber müssen nicht zu einem speziellen Krankheitsereignis führen.

Die Schwierigkeit der Borderline-Diagnostik ist oftmals die, dass die Ursache resp. Genese dieser Erkrankung wohl meist in der oralen Phase zu suchen ist, also einer Zeit, an der man sich nicht erinnern kann. Man kann also nicht sagen, ob einem die Eltern beispielsweise vernachlässigt haben, völlig verkehrten Körperkontakt herstllten, z.B. duerch falsches Tragen u.o. zu falscher Zeit dies vornahmen, oder einem Zwangsfütterten, als auch dieses vernachlässigten oder aber einem zu spät erst trocken legten. Möglich ist auch, dass man als Säugling einfach schrien konnte wie man wollte, die eltern aber trotzdem nicht reagierten, oder man vielleicht zu lange allein gelassen wurde, oder aber zu viel betüttelt wurde und so nicht der eigenen Lust nachkommen konnte. Alles dies sind keine dramatischen Ereignisse - meistens - aber möglicherweise in ihrer Gesamtsumme.

Dann wäre auch noch zu klären, ob die "restlichen" 60% doch zu einem großen Teil erblich belastet sind, möglicherweise in recht versteckter Form, so dass man es nur schwerlich nachweisen kann.

Fazit: im Dunkeln läßt sich gut munkeln, wie es im Volksmund so schön heißt. Auch über Borderline läßt sich wahrscheinlich auch mehr oder minder munkeln, weil da liegt gar Manches halt auch im Dunklen.